Pfleglicher Umgang mit den Pflege-Kräften
Als Reaktion auch auf die Veränderungen in der Arbeitswelt ist betriebliche Gesundheitsförderung zu sehen. Die Anforderungen an Dienstleistungen etwa in der Altenhilfe und Pflege sind durch neue Ansprüche sowohl der Kund(inn)en als auch der Leistungsträger komplexer geworden - sie unterliegen einer erheblichen Dynamik und hohen Qualitätserwartungen. Diese Ansprüche schaffen einen steigenden fachlichen, persönlichen und organisatorischen Anpassungsdruck bei den Mitarbeitenden; sie stellen damit zugleich eine Herausforderung für die Träger und ihre Pflegeeinrichtungen dar. Um die starke Dienstleistungsorientierung für eine gute Lebensqualität der Bewohner(innen) abzusichern, braucht es nachhaltige Antworten in Verbindung mit den anderen aktuellen Personalentwicklungsthemen: Gewinnung von Fachkräften, Alterung der Mitarbeiterschaften, Aufwertung des Berufsbildes der Altenpflege entsprechend seiner gesellschaftlichen Bedeutung.
Engagement setzt gesunde Kräfte voraus
Als kirchlicher Träger sieht die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung1 mit Sitz in Sindelfingen ihre Tätigkeiten unter dem Motto "Das ganze Leben": Damit bringt die Stiftung ihren Anspruch zum Ausdruck, dass sie bei der stationären Pflege, den offenen Angeboten, im betreuten Wohnen oder bei den ambulanten Diensten stets den Menschen als ganzen im Blick hat: mit seinen Erfahrungen, Bedürfnissen, seinen Möglichkeiten, seinen Einschränkungen. Im Mittelpunkt der Ziele und Planungen steht die Lebensqualität der Menschen.
Der Stiftung gehören 25 Einrichtungen mit fast 1800 Mitarbeitenden an: 21 Seniorenzentren mit über 1900 Pflegeplätzen und differenzierten Angeboten, die Sozialstationen in Ulm und Neckarsulm, ein stationäres Hospiz und die Geschäftsstelle in Sindelfingen. An zehn Standorten leistet die Stiftung die Betreuung und Versorgung von circa 300 Seniorenwohnungen.
Ihre Einrichtungen leben von der Kompetenz und dem Engagement ihrer Mitarbeiter(innen). Dieses Engagement wiederum setzt eine gesundheitliche Basis voraus. Doch die Personalsituation in der Altenpflege ist angespannt; viele - insbesondere ältere - Fachkräfte geben den Pflegeberuf vorzeitig auf. Mit einer transparenten Personalentwicklung, attraktiven Arbeitsplätzen und einer nachhaltigen betrieblichen Gesundheitsförderung wirkt die Keppler-Stiftung dem entgegen.
Betriebskonzept zur Gesundheitsförderung
Grundlage ist die Rahmenkonzeption "Betriebliche Gesundheitsförderung in der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung"2. Sie gibt den Führungskräften ausführliche Hintergrundinformationen, beispielsweise zu Zielen betrieblicher Gesundheitsförderung wie: die Mitarbeitenden zu unterstützen, dass sie sich für ihre Gesundheit zuallererst selbst verantwortlich fühlen; die Verantwortlichen in den Einrichtungen für das Thema zu sensibilisieren; konkrete Angebote für Mitarbeiter(innen) zu entwickeln.
Jede(r) Mitarbeiter(in) der Keppler-Stiftung erhält die Kurzfassung der Rahmenkonzeption3. Die Einrichtungen der Stiftung sind in der Verantwortung, dem Thema - entsprechend ihren Möglichkeiten, ihrer Mitarbeiterschaft und ihrem Umfeld - adäquate Perspektiven einzuräumen und es individuell in den regelmäßigen Mitarbeiterführungsgesprächen aufzugreifen. In den Jahreszielgesprächen mit den Leitungsteams der Einrichtungen ist hierzu dem Vorstand Rechenschaft abzulegen.
Der betrieblichen Gesundheitsförderung für ältere Mitarbeitende kommt im Rahmen der Personalentwicklung eine zentrale, die gesamte Stiftung übergreifende Rolle zu. Denn der demografische Wandel in unserer Gesellschaft wird nicht nur zu einem deutlichen Anstieg der Zahl Pflegebedürftiger führen, sondern in gleichem Maße auch zu einer sinkenden Anzahl junger Pflegekräfte. Der Anteil der älteren (45+) Beschäftigten wird daher in den nächsten Jahren weiter wachsen.
Gesundheitliche Weiterbildung für ältere Pflegende
Für ältere Mitarbeitende in der Pflege wurde durch die Keppler-Stiftung im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung ein spezifisches Weiterbildungsangebot entwickelt, das im Herbst 2007 mit großem Erfolg als Pilotprojekt angeboten und begleitend evaluiert worden ist.4 Die grundlegenden Ziele dieses Weiterbildungsprojektes sind die Erfassung der besonderen Belastungen und Herausforderungen älterer Mitarbeiter(innen) in der Pflege. Dem dient zunächst die Erhebung von subjektiven Eindrücken, um im nächsten Schritt zu konkreten Hilfen und Angeboten zu gelangen. Diese sollen Beweglichkeit und Gesundheit fördern; sie umfassen zudem die weitergehende Reflexion des Umgangs mit physischen, psychischen und fachlichen Ressourcen sowie mit gesundheitlichen Belastungen. Die Weiterbildung umfasst insgesamt vier Module in neun Einheiten mit circa 30 Zeitstunden, die als Arbeitszeit gewertet werden.
Die begleitende Evaluation brachte beachtliche Ergebnisse auf drei Ebenen.
1. Persönliche Ebene: Die Teilnehmer(innen) haben ihre eigene Bewegungsfähigkeit beziehungsweise -kompetenz im Alltag in verschiedenen Aktivitäten erweitert. Ihre Rückenschmerzen sind reduziert, teilweise nicht mehr vorhanden. Der Umgang mit chronischen Rückenschmerzen wird besser bewältigt. Eine höhere Sensibilität in Hinblick auf die Körperspannung wurde ebenso entwickelt wie ein effektiverer Umgang mit Verspannungen.
2. Fachliche Ebene: Die Teilnehmer(innen) der Weiterbildung haben ihre professionelle Pflege- und Betreuungskompetenz im Hinblick auf Aktivierung und mehr Lebensqualität für die Bewohner(innen) erweitert. Sie haben erfahren, dass die eigene Bewegungskompetenz die Quelle für ein effektives, variantenreiches Angebot in der Interaktion mit Bewohner(inne)n ist. Sie haben gelernt, Bewohner in verschiedenen Aktivitäten so zu unterstützen, dass diese ihre noch vorhandenen Bewegungsressourcen selbst einsetzen können: Nun müssen sie Bewohner(innen) deutlich weniger bis gar nicht mehr heben.
3. Organisationsebene: Die Teilnehmer(innen) haben einen persönlichen Zuwachs hinsichtlich ihrer Arbeitsqualität und teilweise eine Reduktion der Arbeitsbelastung erfahren. Sie konnten eine hohe Übereinstimmung der eigenen Ansprüche mit den Zielen ihrer Einrichtung feststellen.
Ansätze für "demografiefeste Arbeitsplätze"
Im Bemühen, den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen trotz des demografischen Wandels auch künftig qualifiziertes und leistungsfähiges Personal zu sichern, gilt ein besonderes Augenmerk der Frage: Wie lässt sich gutes Arbeiten in der Altenhilfe auch für ältere Mitarbeitende gewährleisten? Um Antworten zu finden, haben die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege (BGW)5 und das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)6 ein zweijähriges Projekt aufgelegt: "Älter werden in der Altenpflege - Entwicklung und Erprobung betrieblicher Strategien", das von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wird. Für dieses bundesweite Projekt wurden zwei stationäre Altenhilfeeinrichtungen, zwei ambulante Dienste sowie zwei Krankenhäuser ausgewählt. Die Keppler-Stiftung beteiligt sich mit dem Altenzentrum St. Elisabeth Heilbronn und der Sozialstation Weil der Stadt GmbH. Die Einrichtungen werden während des Projektes intensiv von der BGW und dem f-bb beraten und begleitet (s. Infokasten in neue caritas Heft 10/2009, S. 14).
Die Beteiligung an diesem Projekt ist für die teilnehmenden Einrichtungen der Keppler-Stiftung eine große Chance: Sie erhalten dadurch die Möglichkeit einer Analyse der demografischen Situation und der Schlüsselkompetenzen ihrer Mitarbeiterschaften. Aus dieser Situationsbeurteilung können sie Maßnahmen ableiten, die den demografischen Anforderungen nachhaltig Rechnung tragen. Ziel ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse und Maßnahmen auf alle Einrichtungen der Stiftung.
Pflegeverbund mit eigenem Entwicklungszentrum
Die Keppler-Stiftung hat mit dem Caritasverband für Stuttgart und der Stiftung Haus Lindenhof, Schwäbisch Gmünd, den Verbund katholischer Pflegeeinrichtungen gegründet. Gemeinsam tragen sie das 2008 errichtete Entwicklungszentrum "Gut alt werden" in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, das sowohl Entwicklungsaufträge für die drei Gesellschafter wie auch externe Auftraggeber übernimmt. Sein Hintergrund: Dienstleister der Altenhilfe müssen sich vom reagierenden zum agierenden Anbieter entwickeln. Neue Dienstleistungen sollten aufgrund sich abzeichnender Marktentwicklungen schnell vorausentwickelt und zeitnah eingeführt werden können. So lassen sich Marktpositionen sichern und Wettbewerbsvorteile erarbeiten. Viele Anbieter sind bisher strukturell für diese proaktiven Aufgaben nicht gerüstet, daher übernimmt das Entwicklungszentrum "Gut alt werden" die Vorausentwicklung. Das Thema "demografiefeste Arbeitsplätze" steht für die Träger des Zentrums ganz oben auf der Agenda der Entwicklungsprojekte. So ist das Entwicklungszentrum beauftragt, noch in diesem Jahr Konzepte und Maßnahmen für gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen in der Altenhilfe zu entwickeln und umzusetzen.7
Anmerkungen
1. Im Folgenden kurz: Keppler-Stiftung; www.keppler-stiftung.de
2. Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung: Rahmenkonzeption Betriebliche Gesundheitsförderung. Sindelfingen, 2006.
3. Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung: Betriebliche Gesundheitsförderung - gesund leben - fit bei der Arbeit. Sindelfingen, 2007.
4. BBQ gGmbH: Weiterbildung in vier Modulen für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung, Ergebnisdokumentation und Evaluation. Ludwigsburg, 2008.
5. www.bgw-online.de, vgl. insbesondere die Rubrik "Aufbruch Pflege".
6. www.f-bb.de
7. Die zurzeit im Aufbau befindliche Homepage www.gut-alt-werden.de wird näher informieren.
Literatur- und Quellenhinweise
Sieht die Pflege bald alt aus? BGW-Pflegereport 2007.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Initiative 50plus: Eckpunkte zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit und der Beschäftigungschancen älterer Menschen in Deutschland. Berlin, 2006.
Loebe, Herbert und Severing, Eckart (Hrsg.): Demografischer Wandel und Weiterbildung - Strategien einer alterssensiblen Personalpolitik. Bielefeld : W. Bertelsmann Verlag, 2007.