Verbotsvertrag mit Licht und Schatten
Insgesamt 107 Staaten haben sich in Dublin am 30. Mai 2008 auf ein Verbot von Streumunition geeinigt. Anderthalb Jahre zähe Verhandlungen waren vorausgegangen: Im sogenannten Oslo-Prozess1 hatten Staatenvertreter auf verschiedenen Konferenzen über ein Verbot dieser grausamen und unterschiedslos wirkenden Waffen debattiert. Der nun daraus entstandene Vertrag soll im Dezember 2008 unterzeichnet werden und tritt nach der 30. Ratifikation in Kraft.
Dieses Abkommen ist als Erfolg zu bezeichnen. Es ist vergleichbar mit dem 1997 beschlossenen Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Konvention), weil nun alle bisher eingesetzten Streumunitionen verboten werden. Auch Deutschland beteiligte sich an den Verhandlungen, bekennt sich zum Dubliner Abkommen und wird den Vertrag unterzeichnen.
Das Aktionsbündnis Landmine.de, ein Zusammenschluss von 17 deutschen Nichtregierungsorganisationen, darunter auch der Deutsche Caritasverband, hatte vor der Konferenz massive Lobby- und Kampagnenarbeit betrieben. Das Aktionsbündnis forderte die Bundesregierung auf, sich für ein Verbot dieser Waffen einzusetzen und von ihrer ursprünglichen Position abzurücken (Sicherung des deutschen Bestandes an Streumunition, Schutz der Interessen der deutschen Rüstungsindustrie, großzügige Übergangsfristen bis zum Inkrafttreten des Verbotes). Dies ist teilweise gelungen, beispielsweise in Bezug auf Übergangsfristen, die im Vertragstext nicht berücksichtigt worden sind.
Im Hinblick auf die Opferhilfe setzt der Vertrag eindeutig neue humanitäre Standards, etwa in der medizinischen Versorgung, physischen Rehabilitation, sozioökonomischen und psychologischen Unter- stützung der Opfer. Die Artikel zu Räumverpflichtungen und die Unterstützung für betroffene Länder sind eindeutig formuliert und gehen sogar darüber hinaus, was Nichtregierungsorganisationen erwartet hatten. Deutschland ist nun verpflichtet, etwa 95 Prozent des Bundeswehrbestandes an Streumunitionen aufzugeben. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese auch wirklich zerstört und nicht weiterverkauft werden.
Dass Deutschland zu den Staaten gehört, die den Vertrag unterzeichnen werden, ist ein Erfolg. Zu bemängeln ist aber, dass auf Druck einiger Staaten, darunter Deutschland, der Vertrag an manchen Stellen verwässert wurde und zahlreiche Hintertüren eingebaut worden sind. So sind moderne sensorgezündete Streumunitionen vom Verbot ausgenommen, wenn sie weniger als zehn Submunitionen (siehe Kasten) enthalten, mehr als vier Kilogramm wiegen, selbstständig Ziele erkennen und mit einem elektronischen Selbstzerstörungsmechanismus ausgestattet sind. Darunter fällt beispielsweise die Suchzündermunition "SMArt 155", die gegenwärtig von der Firma GIWS (Gesellschaft für Intelligente Wirksysteme mbH, einem Konsortium der deutschen Rüstungsfirmen Rheinmetall und Diehl) vertrieben wird. Zu kritisieren ist, dass die Auswirkungen dieser Streumunition nahezu unbekannt sind und sie wie konventionelle Streumunition Blindgänger erzeugen kann.
Größtes Manko des Vertrages ist der Artikel 21 zur sogenannten Interoperabilität. Den Vertragsstaaten bleibt dadurch weiterhin erlaubt, an militärischen Operationen mit Nichtvertragsstaaten teilzunehmen, die Streumunition einsetzen.
Vertrag hat Signalwirkung
Dass einige Länder wie die USA, Russland, China, Israel, Indien und Pakistan, die Streumunitionen produzieren und einsetzen, nicht an den Verhandlungen teilgenommen hatten und den Vertrag nicht unterzeichnen werden, ist problematisch. Allerdings ist anzunehmen, dass durch die Stigmatisierung dieser Waffe ein Signal gesetzt wird, dem sich auch diese Länder nicht entziehen können. Als Vorbild dient hier die Ottawa-Konvention. Diese wurde von den erwähnten Ländern ebenfalls nicht unterzeichnet. Der internationale Druck hatte jedoch bewirkt, dass der Einsatz und der Handel von Antipersonenminen nahezu gestoppt wurden. Es ist zu erwarten, dass die UN-Abrüstungsverhandlungen zu Streumunition, die innerhalb der sogenannten CCW-Konferenzen (Convention on Certain Conventional Weapons) stattfinden, nun neue Impulse bekommen. Länder wie die USA, Russland und China blockieren hier seit Jahren.
Trotz seiner Mängel ist der Vertrag ein Erfolg. Das Aktionsbündnis Landmine.de wird sich nun dafür einsetzen, dass Deutschland den Vertrag rasch ratifiziert. Außerdem wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für die Universalisierung des Vertrages einzusetzen und damit alle Staaten dazu zu bewegen, den Vertrag zu unterzeichen. Zudem soll die Bundesregierung eine Verpflichtung abgeben, sich nicht an multinationalen militärischen Operationen zu beteiligen, in denen Streumunition zum Einsatz kommt. Es bleibt zu hoffen, dass am Ende dieses Weges alle Waffen verboten werden, die unterschiedslos wirken und damit für Zivilbevölkerungen eine Gefahr darstellen.
Anmerkung
1. Mit dem Oslo-Prozess hat Norwegen eine Entwicklung für ein Verbot von Streumunition eingeleitet. Ziel ist, bis 2008 einen völkerrechtlich verbindlichen Verbotsvertrag außerhalb der UN festzulegen. Die erste Konferenz des Oslo-Prozesses fand am 22. und 23. Februar 2007 in Oslo mit Vertretern von 49 Staaten statt.