Mit Aktivierung gegen Depression im Alter
Circa vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer Depression. Diese Erkrankung kann jeden Menschen in jedem Alter treffen - allerdings bringt das Alter eine Reihe von Risikofaktoren mit sich, die Auslöser für eine Depression sein können: Insbesondere muss der alte Mensch zahlreiche Verlusterfahrungen verkraften.
Damit ist diese Krankheit ein brisantes Thema - hierzulande wie auch in der gesamten EU. Vor diesem Hintergrund wurde in Deutschland ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes, bundesweites Netzwerk mit dem Schwerpunkt Depressionsforschung installiert. Ziele sind, das Wissen über die Krankheit in der Bevölkerung zu erweitern sowie die gesundheitliche Situation depressiver Menschen zu verbessern.
Auch das Caritas-Zentrum München West und Würmtal hat die Bedeutung und Dringlichkeit des Themas schnell erkannt und sich innerhalb eines zweijährigen Pilotprojektes (Januar 2007 bis Dezember 2008) dem Thema "Depression im Alter" gewidmet.
Das Projekt-Team bestand aus den Leitern verschiedener Fachdienste: Offene Altenarbeit, Pflegende Angehörige, Gerontopsychiatrischer Dienst, Sozialstation und Gemeindeorientierte Soziale Arbeit. Als Projektschwerpunkte setzten sie das Planen von Informationsveranstaltungen, Fortbildungen für Seniorenhelfer(innen), die Einrichtung eines Besuchsdienstes und das Erstellen eines Trainingskonzeptes. Ziel war die Entwicklung eines innovativen Trainingsprogramms, das ein handlungsorientiertes, aktivierendes und leicht umsetzbares Gruppenangebot bildet.
Die detaillierte Ausarbeitung des Trainingsprogramms mit dem Titel "balance - für mehr Lebensfreude im Alter" und auch die erste Durchführung des Trainings übernahm ich als Projektbeauftragte. Von Anfang an standen die Verbesserung der Lebensqualität sowie der langfristige Erhalt der Selbstständigkeit der Teilnehmer(innen) im Mittelpunkt. Das Training umfasst zwölf Einheiten über eine Dauer von circa drei Monaten.
Mit sechs bis acht Teilnehmer(inne)n ist die Gruppengröße optimal. Als Präventionsansatz eignet sich das Programm genauso wie als unterstützende Maßnahme für Menschen, bei denen bereits eine Depression diagnostiziert wurde, beziehungsweise die gegen die Krankheit medikamentös behandelt werden.
Das Trainingsprogramm "balance" ist für die offene Arbeit mit alten Menschen konzipiert und vereint sowohl "pädagogische" Elemente als auch therapeutische Methoden. So sind beispielsweise das gemeinsame Singen eines Liedes, leichte Atem- und Bewegungsübungen sowie die Abfrage der Befindlichkeit regelmäßig wiederkehrende Punkte im Training, um emotional und körperlich in Bewegung zu kommen. Sich in seinem Körper wahrzunehmen, die eigene Lebendigkeit zu spüren, soll auf spielerische Art eingeübt werden. Jede(r) macht mit, soweit es für ihn/sie angenehm ist.
Darüber hinaus gibt es Arbeitsblätter zur Vertiefung des jeweiligen Themas, wie zum Beispiel "Finden angenehmer Tätigkeiten" oder "Verbesserung der Tagesstruktur". Die Arbeitsblätter werden als Anregung zum eigenen Ausprobieren, Verändern und Einüben mit nach Hause gegeben. Für Rückmeldungen ist in der jeweils darauffolgenden Einheit eine Zeit zum Austausch eingeplant.
Jede(r) Teilnehmer(in) lernt und übt somit in einem bewusst positiv formulierten Programm, einer Depression vorzubeugen oder in einer depressiven Phase das erlernte Selbsthilfeprogramm einzusetzen und, wenn nötig, auch professionelle Hilfe ohne Vorbehalte in Anspruch zu nehmen.
Ermutigende Ergebnisse
Beim ersten "balance"-Durchlauf im Alten- und Service-Zentrum Obermenzing (ASZ) blieben die Teilnehmer(innen) mit hoher Konstanz dem Trainingsprogramm treu. Sie zeigten sich ebenso wie ihre Angehörigen sowie die Fachöffentlichkeit an dem Programm sehr interessiert. Erkennbar war hier eine starke Vernetzung untereinander und mit anderen Institutionen. Ganz allgemein sind die Teilnehmer(innen) kontaktfreudiger geworden; Einzelne aus der Gruppe rufen sich gegenseitig an und treffen sich auch privat. Zudem gab es selbst initiierte Folgetreffen der Teilnehmer(innen), und Interesse an anderen Angeboten der Caritas war zu verzeichnen. Die Mitarbeiter(innen) des ASZ, in dem das Training durchgeführt wurde, erhalten von den "Trainingsabsolvent(inn)en" Mitteilungen über persönliche Ereignisse. Aus vielfältigen Gesprächen wurde ersichtlich, dass frühere Teilnehmer(innen) von "balance" in schwierigen Situationen - etwa bei körperlicher Erkrankung - sich schneller Hilfe von außen holen (zum Beispiel von Nachbarschaftshilfen).
Schulungen sind geplant
Caritasmitarbeiter(inne)n der offenen Altenarbeit wird zur Durchführung des Trainingsprogramms in ihren Einrichtungen ab dem kommenden Jahr eine Schulung im Institut für Bildung und Entwicklung in München angeboten. Die Arbeitsunterlagen des Trainingsprogramms werden im Laufe des nächsten Jahres in Form eines Buches erscheinen.
Mit "balance" kommt das Thema Umgang mit (Alters-)Depression direkt und wirksam an die Basis der offenen Altenarbeit, die im Alltag nicht selten mit der Erkrankung konfrontiert ist. Das Programm bildet damit einen wichtigen Baustein im übergreifenden Caritasprojekt "Leben im Alter - Wohnen nach Maß".