Die Kampagne hat Kinder und Jugendliche erreicht
Vor dem Hintergrund des zweiten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung mit seinen alarmierenden Zahlen zur Kinder- und Familienarmut hatte der Deutsche Caritasverband 2005 die Befähigungsinitiative "Mach dich stark für starke Kinder" ins Leben gerufen.
Die Menschen in der Caritas sollten die Situation benachteiligter Kinder und Jugendlicher in den Blick nehmen und sich für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen starkmachen. Alle Fachbereiche der Caritas waren aufgerufen, sich für benachteiligte junge Menschen zu engagieren, Projekte, Aktionen und Maßnahmen zu initiieren und im eigenen Bereich Ausbildungs- und Praktikumsplätze zu schaffen.
Hier ist der Versuch, ein Resümee der Befähigungsinitiative zu ziehen - und dies ganz subjektiv, aus der Perspektive des Diözesan-Caritasverbandes Freiburg, der diese Initiative als einen seiner Schwerpunkte umgesetzt hat.
Die Befähigungsinitiative hat Potenziale wachgerufen
Als Anfang 2006 die Befähigungsinitiative in der Diözese vorgestellt wurde, reagierten die Verantwortlichen und Mitarbeitenden in den Diensten und Einrichtungen skeptisch und zurückhaltend. Die Träger der Kinder- und Jugendhilfe signalisierten, dass Maßnahmen und Aktionen der Initiative zu ihrem Kerngeschäft gehörten und nicht noch über eine eigene Kampagne vorangetrieben werden müssten.
Andere Arbeitsbereiche, zum Beispiel die Alten- oder Behindertenhilfe, sahen wenig Zugänge und Berührungspunkte, sich auch noch mit der Situation von Kindern und Jugendlichen zu beschäftigen.
So war es zuerst der Kindergartenbereich, der sich vom Leitwort der Befähigungsinitiative "Mach dich stark für starke Kinder" ansprechen ließ und diese Kampagne mit den Herausforderungen des Arbeitsfeldes verknüpfte. In der Erzdiözese Freiburg zogen die Jugendhilfe und die Caritasverbände nach und engagierten sich nach und nach verstärkt in der Befähigungsinitiative. Die in der Datenbank unter www.befaehigungsinitiative.de eingestellten Projekte sind ein starkes Zeugnis dieser Aktivitäten und Anstrengungen.
Bei der Mitmachaktion der Diözese Freiburg meldeten die Träger über 300 - oft zusätzliche - Projekte und Initiativen: von der Sprachförderung über Bildungsprojekte bis hin zu zusätzlichen Trainings- und Fördermaßnahmen.
Mit der "Initiative Habakuk - Rechte haben, Recht bekommen", einem Projekt der Caritas in Baden-Württemberg zur Begleitung und Unterstützung benachteiligter Kinder, Jugendlicher und Familien bei Rechtsfragen, und dem Filmprojekt "Kindern geRecht werden" zu Kinderrechten in der Kinder- und Jugendhilfe starteten in der Diözese beziehungsweise in Baden-Württemberg darüber hinaus zwei zentrale Kampagnenprojekte.
Auch über Veranstaltungen, Fortbildungen oder Tagungen, etwa im Rahmen der alljährlichen Caritassammelwoche, wurde die Kampagne aufgegriffen. Höhepunkte solcher Veranstaltungen waren der "Kindergipfel" der Caritas in Baden- Württemberg 2007, der Erziehungshilfetag 2007 der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen in der Erzdiözese Freiburg (AGE) und das Forum für Heimbeiräte und Gruppensprecher 2008.
Auf Bundesebene ist der Caritaskongress im Mai 2007 in Berlin zu nennen, bei dem insbesondere viele Politiker(innen) ein eindrucksvolles Bild der Befähigungsinitiative gewinnen konnten.
- Die Befähigungsinitiative hat die vorhandenen Potenziale in der Caritas aktiviert und zu vielen Projekten geführt.
Ein Leitmotiv in der Kinder- und Jugendhilfe
Die Befähigungsinitiative resultiert aus dem Ansatz der Befähigungsgerechtigkeit, wie ihn Amartya Sen, Nobelpreisträger der Ökonomie, und die Sozialphilosophin Martha Nussbaum entwickelt haben. Danach benötigen Menschen gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die Gestaltungsräume für die persönliche Entwicklung bieten und erst so Teilhabe ermöglichen.
Anfangs war der Begriff der "Befähigung" in der Kinder- und Jugendhilfe umstritten. Auch in der Diözese wurde er stark hinterfragt und diskutiert. Jetzt, zum Ende der Kampagne und nach der inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem Ansatz, ist "Befähigung" zu einer grundlegenden Orientierung geworden. Denn gerade der Befähigungsansatz greift die aktuelle fachpolitische Entwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe mit ihrer zunehmend ressourcen- und lösungsorientierten Ausrichtung auf, in der er die Stärken und Potenziale von Kindern und Jugendlichen in den Blick nimmt und an diesen ansetzt.
- Die Befähigungsinitiative hat zur Auseinandersetzung mit dem Ansatz der Befähigungsgerechtigkeit geführt und mit dazu beigetragen, die Philosophie des Befähigungsansatzes in der Kinder- und Jugendhilfe zu etablieren.
Kinderrechte in der Caritas verankert
Mit der Befähigungsinitiative sollte der Blick auf die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen gelenkt werden. Dies wird besonders im Motto der Jahreskampagne 2008 "Achten statt ächten" deutlich.
Junge Menschen ernst zu nehmen, sie zu achten, führt konsequenterweise auch dazu, ihre Rechte zu beachten und diese verstärkt in den Blick zu nehmen.
Die breite Diskussion der Kinderrechte in der Caritas, die daraus resultierende Veröffentlichung der Leitlinie zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in den Einrichtungen und Diensten der Caritas und Projekte, wie zum Beispiel die "Initiative Habakuk - Rechte haben, Recht bekommen" der Caritas in Baden-Württemberg, sind deshalb wichtige Erfolge der Befähigungsinitiative.
- Die Befähigungsinitiative hat den Blick auf Kinderrechte geschärft und deren Beachtung befördert.
Kinder und Jugendliche fühlen sich ernst genommen
Die Befähigungsinitiative ist auch bei Kindern und Jugendlichen angekommen. Insbesondere die Motive der Kampagne 2007 "Mach dich stark für starke Kinder", aber auch die Motive der Jugendlichen der Kampagne 2008 "Achten statt ächten", haben mit dazu beigetragen, dass sich Kinder und Jugendliche mit den Bildern und Botschaften identifizieren und ihren Selbstwert stärken konnten.
Dies zeigt auch die Heldengalerie auf der Homepage zur Jahreskampagne (www.achten-statt-aechten.de) mit ihren "Heldengeschichten" oder die Auseinandersetzung mit den Plakatmotiven, die in vielen Caritas-Einrichtungen aushingen.
- Die Befähigungsinitiative wurde auch von den Kindern und Jugendlichen wahrgenommen und hat zu einem positiven Selbstbild benachteiligter Jugendlicher beigetragen.
Nicht alle Arbeitsfelder konnten aktiviert werden
Nimmt man zum Ende der Kampagne die Befähigungsinitiative insgesamt in den Blick, so lässt sich sagen, dass die zentralen Zielsetzungen der Befähigungsinitiative "Bewusstsein für benachteiligte Kinder und Jugendliche schaffen, das Bild von benachteiligten Kindern und Jugendlichen verändern und über Projekte die Bemühungen verstärken und die Situation für Kinder und Jugendliche verbessern" erreicht wurden und sich die Anstrengungen aller Beteiligten gelohnt haben.
Leider ist es nicht gelungen, alle Arbeitsfelder der Caritas in die Verantwortung für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu nehmen. So ließen sich zum Beispiel die Träger der Alten- und Behindertenhilfe und der Krankenhäuser nur selten in diese Kampagne einbinden. Caritasarbeit scheint immer noch sehr stark in Sektoren, Arbeitsfeldern und Fachschwerpunkten organisiert zu sein. Der Blick auf das Ganze und die Gesamtverantwortung der einzelnen Fachbereiche für Querschnittsthemen ist noch entwicklungsbedürftig.
So ist auch das Ziel der Befähigungsinitiative, benachteiligte Jugendliche verstärkt in Ausbildung und Beschäftigung bei Dienstgebern der Caritas zu vermitteln, kaum erreicht. Die Diskussionen im Freiburger Diözesan-Caritasverband zeigten, dass die Vorstellung, benachteiligte Jugendliche zu beschäftigen, vielfach Ängste hervorruft. Befürchtet werden zusätzliche Probleme und Belastungen zu den bereits schwierigen Situationen im Arbeitsfeld. Vielfach fühlt man sich überfordert.
- Das Ziel, die Befähigungsinitiative als gesamtverbandliche Initiative umzusetzen und Jugendliche in zusätzliche Beschäftigung zu vermitteln, wurde kaum erreicht.
Die Probleme sind noch lange nicht überwunden
Die Befähigungsinitiative war die erste längerfristige Kampagne, die projektspezifische Zielsetzungen mit den Schwerpunkten der Jahresthemen verbunden hat. Auch wenn hier noch Verbesserungspotenzial bei der Koordinierung und Abstimmung besteht, lässt sich sagen, dass die längere Laufzeit der Befähigungsinitiative, die diözesanübergreifende Abstimmung über einen Koordinierungskreis und die Investitionen ins Marketing über Blow-ups, Postkarten und Veranstaltungen wesentlich mit zum Erfolg der Kampagne beigetragen haben.
- Mit einigen Verbesserungen im Bereich des Kampagnenmanagements und der Projektkoordination ist die Caritas kampagnenfähig und somit schlagkräftiger geworden.
Die Befähigungsinitiative endet zum 31. Dezember 2008. Die Kampagne hat den Blick auf benachteiligte junge Menschen gelenkt und deren Situation mit vielen kleinen Aktivitäten verbessert. Die Kinder- und Jugendhilfe der Caritas geht gestärkt und ermutigt aus der Initiative hervor.
Die Herausforderungen für die Caritas, und damit auch für die Kinder- und Jugendhilfe, enden aber nicht mit der Kampagne.
Die Kinderarmut in Deutschland, die Vernachlässigung von Kindern oder die fehlende Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund sind noch lange nicht überwunden. Die Bildungsdiskussion hat gerade erst begonnen. Die Frage nach sozialer Gerechtigkeit, nach Befähigungsgerechtigkeit, nach der Verteilung der Ressourcen zwischen Reich und Arm und dem Umbau der sozialen Sicherungssysteme schließt die Situation benachteiligter Kinder und Jugendlicher ein.
Benachteiligte Kinder und Jugendliche sind immer auch Menschen am Rande, die Befähigung und Unterstützung brauchen, damit sie Zukunft haben und teilhaben können.
So gesehen wird sich die Kinder- und Jugendhilfe in der Caritas auch in den nächsten Kampagnen engagieren: um Kinder und Jugendliche zu stärken und zur Teilhabe zu befähigen!