„Caritas öffnet Türen – aber die Politik droht sie zuzuschlagen“
Bärbel Klein hat lange nicht geglaubt, dass sie es noch einmal schaffen könnte. Zu tief waren die Spuren, die die lange Zeit der Arbeitslosigkeit nach ihrem Unfall hinterlassen hatte. "Ich dachte, das war’s für mich", sagt sie schulterzuckend bei einem Gespräch im Beschäftigungsbetrieb "ProDonna" des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SkF) in Langenfeld. Hier, in der Schneiderwerkstatt, die Frauen wie Bärbel Klein eine Perspektive bietet, hat sie zum ersten Mal seit Jahren das Gefühl, gebraucht zu werden. "Es gibt mir Struktur, ein Ziel", erzählt sie und lächelt verlegen, als eine Kollegin ihr aufmunternd zunickt. Bärbel Klein ist eine von offiziell 959.800 langzeitarbeitslosen Menschen in Deutschland.
Die Betriebe der Caritas und ihrer Fachverbände, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (BAG IDA), geben Menschen wie ihr eine zweite Chance, oft auch eine dritte. Und manchmal kann es sogar die letzte Chance im Leben sein, die ergriffen wird. Soziale Betriebe helfen den Menschen bei der Bewältigung ihrer individuellen Problemlagen. Sie sind das Sicherheitsnetz für langzeitarbeitslose Menschen, das sie auffängt und unterstützt - unabhängig davon, ob der Sprung in die Arbeitswelt gelingt oder nicht.
In dem sozialen Kaufhaus mit Schneiderwerkstatt näht, repariert und verkauft das Team von "ProDonna" nicht nur Secondhand-Kleidung, sondern auch neue, kreative Upcycling-Mode von "EiNZIGWARE", dem Upcycling-Label der Caritas. Hier wird soziale Nachhaltigkeit gelebt, denn es sind nicht nur Menschen, die in den Betrieben zweite Chancen bekommen, sondern auch Dinge. Für Bärbel Klein bedeutet "ProDonna" oft mehr als nur Arbeit. Es ist die Möglichkeit, Selbstvertrauen zurückzugewinnen und den Tag mit einem Gefühl der Würde zu beenden. Doch genau diese Zukunft ist derzeit bedroht - durch politische Unsicherheit und den drohenden Wegfall finanzieller Mittel.
Krisenlage der sozialen Beschäftigungsbetriebe
Die Caritas und viele andere soziale Träger stehen mit dem Rücken zur Wand. Durch die unklare Lage des Bundeshaushalts können die Jobcenter keine neuen Maßnahmen mehr finanzieren und sparen bei den bestehenden massiv. Für die Betroffenen in Projekten wie "ProDonna" bedeutet das: Unsicherheit, die Angst und die reale Gefahr, wieder in die Langzeitarbeitslosigkeit zurückzufallen. Mit Bärbel Klein zittern langzeitarbeitslose Menschen aus insgesamt 4000 bundesweiten AGHs (Arbeitsgelegenheiten) in den Betrieben der Caritas und Menschen auf 950 Plätzen im Rahmen des Bundesprogramms "Teilhabe am Arbeitsmarkt" (§ 16 i SGB II).
"Es wird ein Trägersterben geben", erklärt Georg Münich, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Integration durch Arbeit (BAG IDA). Die Bedrohung ist real: Viele der sozialen Betriebe, die sich intensiv um Langzeitarbeitslose kümmern, sind auf eine stabile Förderung angewiesen, um langfristig zu planen und aufrechtzuerhalten. Die Pageflow-Reportage des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln1 dokumentiert eindrucksvoll, wie wichtig diese Einrichtungen für viele Betroffene sind. Die bewegenden Schilderungen von Bärbel Klein und ihren Kolleg:innen zeigen, dass es für die Menschen um weit mehr geht als nur um eine Beschäftigung - es geht um das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein.
"Wir stehen mit dem Rücken zur Wand"
In einer Umfrage der BAG IDA unter verschiedenen Trägern zeigt sich, wie ernst die Lage wirklich ist. "Wir müssen mit dem schlimmsten Szenario rechnen, falls die Haushaltsmittel tatsächlich nicht fließen", berichtet eine Leitungskraft. Ein anderer Träger schreibt: "Viele unserer Mitarbeitenden haben selbst schwere Lebenswege hinter sich und brennen für ihre Arbeit - wenn wir ihnen keine Perspektive mehr bieten können, verlieren sie und die Betroffenen gleichermaßen." Die Sorge um die Zukunft und der drohende Abbau an Integrationsmaßnahmen sind in jeder Aussage spürbar.
"Ohne ProDonna verliere ich alles" – ein Schicksal als Aufruf
Zahlen und Statistiken, die die aktuelle Krise aufzeigen, zeichnen ein düsteres Bild: Seit Monaten steigen die Zahlen der Langzeitarbeitslosen wieder, und ohne Beschäftigungsförderung droht eine dauerhafte soziale Ausgrenzung. Die Betriebe, die über Jahre hinweg wertvolle Netzwerke aufgebaut und maßgeschneiderte Programme für Langzeitarbeitslose entwickelt haben, könnten in Kürze nicht mehr existieren.
Auch bei Bärbel Klein ist die Angst vor der Zukunft spürbar. "Ohne ProDonna verliere ich alles", sagt sie schlicht. Für sie und viele andere steht viel mehr auf dem Spiel als ein Arbeitsplatz: Es ist ihre Existenz, ihre Hoffnung, ihre Zugehörigkeit. Das drohende "Trägersterben" würde für Menschen wie Bärbel den Rückfall in Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit bedeuten.
Die Caritas öffnet mit ihren Beschäftigungsprojekten wie "ProDonna" Türen für Menschen, die sonst keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. Doch damit diese Türen auch offenbleiben, bedarf es einer klaren politischen Unterstützung. Es ist ein Aufruf an die Gesellschaft und an die Politik: Die Menschen in den Projekten brauchen Perspektiven und die Chance auf ein würdiges Leben.
1. www.soziale-betriebe-in-not.de