Bürokratie und Personalmangel gefährden die Pflege
Angesichts der Probleme ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen wachsen die Sorgen von Trägern, Pflegekräften und Pflegebedürftigen.Adobe Stock/Photographee.eu
Mehr als die Hälfte der stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegedienste kämpfen mit wirtschaftlicher Instabilität: Eine Umfrage des Verbands katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) zur wirtschaftlichen Situation der Langzeitpflege, die im Januar 2025 unter Trägern der stationären und ambulanten Pflege durchgeführt wurde, zeichnet ein eindeutiges Bild: Die an der Umfrage teilnehmenden 257 Träger der stationären Pflege, die insgesamt 726 Pflegeheime betreiben, geben an, dass in 57 Prozent ihrer Einrichtungen die wirtschaftliche Lage nicht stabil sei. Noch mehr alarmiert die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation unter den ambulanten Diensten. Die 113 antwortenden Träger, die insgesamt 299 Sozialstationen betreiben, geben eine wirtschaftliche Instabilität für 61 Prozent ihrer Einrichtungen an. Als eigenständiger Fachverband im Deutschen Caritasverband vertritt der VKAD die Interessen seiner Mitgliedseinrichtungen und Träger. An der Umfrage nahm rund die Hälfte der Träger in Mitgliedschaft des VKAD teil.
Die Umfrage unter den Trägern in Mitgliedschaft des VKAD zeigt: Über die Hälfte der Einrichtungen (57 Prozent der stationären, 61 Prozent der ambulanten) haben wirtschaftlich zu kämpfen.
Personalmangel als Hauptursache
Sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege führt der Personalmangel zur angespannten wirtschaftlichen Situation. Fehlende Pflegekräfte führen zu einem Leistungsabbau - damit fallen wiederum wichtige Einnahmen weg. An zweiter Stelle sorgen bürokratische Prozesse für die wirtschaftliche Instabilität der Träger.
Im ambulanten Bereich verschärfen zusätzliche Faktoren die Situation: Lange Fahrtzeiten für kleine Versorgungen und steigende Kosten für Fahrzeugflotten belasten die Wirtschaftlichkeit der Dienste, vor allem in ländlichen Regionen. Dies gefährdet die Umsetzung des Grundsatzes "ambulant vor stationär" und damit einen zentralen Baustein der Pflegeversorgung.
Verzögerte Sozialhilfezahlungen: ein Teufelskreis
Die Pflegeversicherung, vor 30 Jahren als Teilleistungssystem eingeführt, deckt heute die tatsächlichen Pflegekosten nicht mehr. Rund ein Drittel aller Pflegeheimbewohner:innen ist laut Statistischem Bundesamt auf Sozialhilfe angewiesen. Hohe Eigenanteile - zuletzt laut AOK-Report1 durchschnittlich 2424 Euro monatlich - belasten die Pflegebedürftigen erheblich.
Auch für die Pflegeeinrichtungen sind die hohen Eigenanteile eine Herausforderung. Sozialhilfeträger lassen sich oft monatelang Zeit mit der Bearbeitung von Anträgen. In dieser Phase müssen die Träger der Einrichtungen in Vorleistung gehen, um Löhne zu zahlen und Betriebskosten zu decken. Wenn Bewohner:innen in der Zwischenzeit versterben, bleibt das Geld häufig aus - eine Belastung, die sich in einer durchschnittlich großen Einrichtung mit 80 Betten schnell auf fünfstellige Beträge im Monat summiert. Zugespitzt formuliert: Von keinem Vermieter wird verlangt, dass er monatelang auf seine Mietzahlungen wartet. Aber die Heime werden zu zinslosen Darlehensgebern.
Die Umfrage verdeutlicht den Wunsch der Träger: Die Sozialhilfeverfahren müssen vereinfacht und digitalisiert werden. Ein Sozialhilfeantrag darf nicht länger als sechs Wochen zur Bearbeitung benötigen. Wo dies nicht eingehalten werden kann, sollten unbürokratische Vorfinanzierungen oder Sozialhilfevorleistungsansprüche greifen, um die Träger wirtschaftlich abzusichern.
Lange Pflegesatzverhandlungen: unnötige Belastung für Träger
Viele Träger (57 Prozent stationär und 32 Prozent ambulant) vermelden erhebliche Verzögerungen im Unterschriftenverfahren nach der Verhandlung neuer Pflegesätze. Obwohl gesetzlich vorgesehen ist, dass diese innerhalb von sechs Wochen wirksam werden sollen, zeigt die Praxis ein anderes Bild: Monatelange Wartezeiten sind die Regel, teilweise sogar neun Monate und länger.
In dieser Zeit sind die Einrichtungen gezwungen, die laufenden Kosten vorzufinanzieren. Löhne und Rechnungen können nicht warten, auch wenn die Unterschriftenverfahren stocken.
Die Umfrage zeigt, dass auch hier digitale Lösungen im Unterschriftenverfahren oder klare Regelungen, wie Abschlagszahlungen bei Verzug, dringend nötig sind. Solche Maßnahmen könnten nicht nur Prozesse beschleunigen, sondern auch die finanzielle Belastung der Einrichtungen abfedern. Wo gesetzliche Fristen überschritten werden, sollten Säumniszuschläge oder -zinsen greifen, um den Druck auf die Kostenträger zu erhöhen.
Pflegekräfte aus dem Ausland: Anerkennung läuft schleppend
Viele Träger versuchen, Personal aus dem Ausland anzuwerben. Mittels zertifizierter Agenturen ist es möglich, ein faires und ethisch vertretbares Verfahren einzuschlagen. 43 Prozent der stationären Träger und 23 Prozent der ambulanten Dienste haben internationale Fachkräfte eingestellt. Doch langwierige Anerkennungsverfahren hemmen diesen Ansatz. Fast die Hälfte der stationären Einrichtungen berichtet von Wartezeiten von neun Monaten und länger, bis die Qualifikationen der Fachkräfte anerkannt werden. Bürokratische Hürden und lange Bearbeitungszeiten schrecken viele Träger ab, diesen Weg überhaupt erst anzutreten.
Im ambulanten Bereich ist die Situation komplizierter. Hier arbeiten Pflegekräfte meist allein und tragen eine hohe Eigenverantwortung, was eine intensive Einarbeitung erfordert. Viele Träger sehen sich daher mit einem erhöhten organisatorischen und finanziellen Aufwand konfrontiert, der sie davon abhält, internationale Fachkräfte anzuwerben.
Um diesen Weg attraktiver zu gestalten, braucht es vereinfachte Anerkennungsverfahren. Fachkräfte mit einer mindestens dreijährigen Ausbildung und den nötigen Sprachkenntnissen sollten sofort tätig werden können. Anpassungsmaßnahmen oder weitergehende Prüfungen könnten dann berufsbegleitend erfolgen, ohne die Arbeitsaufnahme zu verzögern.
Ein System unter Druck
Die Tragweite des Problems sei noch einmal in Zahlen ausgedrückt. Es geht hier nicht "nur" um ein paar Pflegeheime und Sozialstationen, die wirtschaftlich straucheln. Die in der Umfrage antwortenden Träger in Mitgliedschaft des VKAD versorgen insgesamt 136.870 Menschen! Es darf vermutet werden, dass andere Pflegeverbände in Deutschland zu vergleichbaren Werten kommen.
Das Stimmungsbild unter den führungsverantwortlichen VKAD-Mitgliedern ist eindeutig: Weiter so geht es nicht! Ohne einen Abbau von Bürokratie und mehr unternehmerische Freiheit wird die wirtschaftliche Abwärtsspirale nicht enden.
An Vorschlägen mangelt es nicht. Sowohl stationär als auch ambulant sind sich Träger laut Umfrage einig, dass ihnen mit der Gewährung eines Risikozuschlags für ein stabiles Wirtschaften geholfen wäre. Der VKAD hat mit Blick auf die neue Legislatur dazu die Forderung nach einem Zuschlag von mindestens vier Prozent aufgestellt. Denn jedes Wirtschaftsunternehmen sichert Rücklagen für schwierige Zeiten. Pflegeeinrichtungen der freien Wohlfahrtspflege dürfen das jedoch nur in sehr geringem Umfang.
Die freie Wohlfahrtspflege spielt eine immens wichtige Rolle in der Daseinsvorsorge und muss stabilisiert werden. Gemeinnützige Einrichtungen, die mögliche Überschüsse im System halten, müssen auch künftig ein verlässlicher Anlaufpunkt für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen bleiben.
Stationäre und ambulante Einrichtungen machen unterschiedliche Faktoren für die wirtschaftliche Lage verantwortlich. Für beide Einrichtungsarten ist dennoch der Personalmangel die größte Herausforderung.
1. www.aok.de/pp/bv/pm/wido-analyse-eigenanteile-pflegeheim-bewohnende