Bahnhofsmission
Die Glastür schwingt auf und eine junge Frau mit einem Baby auf dem Arm verlässt die Räume der Bahnhofsmission Fulda. Nanu, was hat eine offenbar gut situierte Dame mit ihrem Kleinkind hier zu suchen? Die Erleichterung steht ihr im Gesicht geschrieben: "Ich bin," strahlt sie, "auf der Suche nach einer Wickelmöglichkeit hier her geschickt worden und habe nach einer Odyssee zwischen Cafe, öffentlicher Toilette und Bistro, "endlicheine Möglichkeit gefunden um dem Kind die Windeln zu wechseln..."
"Tja, Bedürftigkeit hat viele Gesichter", schmunzelt Maria Füller (73 J.), eine der zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen in der Bahnhofsmission. Bereits im 16. Jahr ist sie hier beschäftigt, denn sie wollte, auch nach ihrer Pensionierung "was sinnvolles tun". Freilich, die Mehrzahl der hier aufkreuzenden Gäste gehört eher sozial schwachen Schichten an, die auf der Suche sind nach einem gemütlichen Platz zum Sitzen, nach einer Tasse heißem Getränk, einem Butterbrötchen oder einem Gespräch mit einem andern Menschen.
Viele "Stammkunden"
Mehmet Dogumos, Rentner (60 J.) beispielsweise kommt täglich hierher. Für ihn sind die Räume der Bahnhofsmission der Ort um eine Tasse Tee zu trinken und auch um auf Menschen zu treffen, "die mal ein paar Worte mit einem wechseln." Ebenso wie Manfred Klug (55 J.), Frührentner, der diese Einrichtung "von klein auf kennt", schätzt er die Angebote: "Es ist schön, dass es so was gibt!".
Als ökumenische Einrichtung hat die Bahnhofsmission Fulda zwei Träger: die Diakonie und die Caritas jeweils als Vertreter der evangelischen bzw. der katholischen Wohlfahrtsverbände. Entsprechend gibt es auch zwei Leiterinnen: Monika Niestroj, die einen Teil ihre Arbeitszeit bei der Sozial- und Lebensberatung der Caritas für die Bahnhofsmission investiert, und Helga Stumpf von der Diakonie, die seit beinahe zwei Jahrzehnten mit dabei ist.
Die beiden Frauen organisieren den kompletten Betrieb, koordinieren die Einsätze der ehrenamtlichen Mitarbeiter und initiieren Projekte, um die Einrichtung bekannter zu machen. So gab es in den vergangnen Jahren in Zusammenarbeit mit Künstlern so genannte Werkstattage, bei denen gemalt und gedichtet wurde und als Ergebnis Ausstellungen und ein Buchprojekt entstanden sind.
Bei der Dienstplanerstellung ist immer wieder Improvisation
gefragt, denn oft gibt es kurzfristig Personaländerungen. "Da weiß man aber, wen man anrufen kann!", sagt Monika Niestroj, die "ihre Leute" persönlich kennt und großen Wert darauf legt, dass interessierte Freiwillige auch wissen, worauf sie sich einlassen. "Wir gucken uns die Leute genau an", sagt sie, denn die Aufgaben sind vielfältig und verantwortungsvoll, beispielsweise beim Umgang mit Gehbehinderten, Rollstuhlfahrern oder bei den Umsteigehilfen. "Hier wird nicht nur Kaffee ausgeschenkt!", erklärt sie. Vor den Einsätzen gibt es zunächst mal eine Einführung und eine "Schnupperstunde". Die Probezeit beträgt dann drei Monate. "Wer sich eignet, das zeigt sich eigentlich rasch.", ist ihre Erfahrung.
Ist man aber erstmal dabei, bleibt es oft eine jahrzehntelange, befriedigende Beschäftigung - manchmal sogar über Generationen hinweg. Eva Lomb (59 J.) steht in dieser Tradition: Sie hat ihre Freiwilligenarbeit in der Nachfolge ihrer Mutter vor neun Jahre angetreten und sie ist stolz darauf, dass mitlerweile auch ihre Tochter ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission tätig ist. "Die Arbeit macht Spaß!" ist das schlagkräftige Argument für alle unermüdlichen Einsätze.
Zu erkennen sind die Mitarbeiter an ihren leuchtend blauen Westen, die sie über ihrer Kleidung tragen und die sie auch von weitem gut sichtbar sein lassen. Das ist besonders bei den Umsteigehilfen an den Bahngleisen wichtig, wenn beispielsweise ankommende Kinder abgeholt oder weitergeleitet werden sollen. "Das mag ich ja am liebsten", lacht Ruth Sosnovski (75 J.), "wenn ich draußen an den Gleisen bin!" Seit 15 Jahren engagiert sie sich in der Bahnhofsmission. Auch für sie war die ausschlaggebende Motivation "nach der Pensionierung etwas Sinnvolles tun zu wollen". Ihr Wunsch: "Es sollten auch jene Menschen zu uns kommen, die zu bescheiden und zurückhaltend sind um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die würde ich gerne ermutigen!"
Senhr engagierte Freiwillige
Nicht selten bringen die ehrenamtlichen Damen selbstgebackenen Kuchen, Wurst aus der heimischen Metzgerei und andere Besonderheiten mit: "Es ist doch schön, wenn man anderen eine Freude machen kann", stimmen sie überein. Viele der Freiwilligen kennen sich untereinander und stimmen ihre Einsätze miteinander ab. Es wird Wert gelegt auf einen kooperativen und freundlichen Umgang. Betriebsausflüge und Adventsfeiern gehören fest in den Jahreskreis. "Man muss den Menschen auch zeigen, dass sie bedeutsam sind und ihre Arbeit wertgeschätzt wird", ist die Philosophie von Niestroj. Dazu gehören auch Auszeichnungen und Ehrungen durch die beiden Träger der Fuldaer Einrichtung und durch die Bundesgeschäftsstelle der Bahnhofsmission, die bei Jubiläen vorstellig werden.
Im Normalfall absolvieren die Freiwilligen ein Mal pro Woche einen dreistündigen Einsatz.
Von den etwa 40 Ehrenamtlichen sind vier männlich. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda finden sich immer wieder neue Interessierte, die jeweils herzlich willkommen sind. Manchmal führt auch das für die Schüler der 10. Klasse obligatorische Betriebspraktikum zu einem dauerhaften Freiwilligendienst. "Wir haben auch ganz junge Freiwillige, in der Regel aber sind es eher ältere Damen, die uns unterstützen.", erläutert Niestroj. "Die Altersgrenze für die Freiwilligenarbeit liegt hier bei 80 Jahren - auch wenn es oft von Herzen schwer fällt, alt gediente Mitarbeiter in den Ruhestand zu schicken."
Mehr als 20.000 Menschen suchen die Bahnhofsmission
Fulda alljährlich auf. Die Statistik zu führen - das gehört mit zu den Aufgaben der Freiwilligen. Neben dem Service in den Räumen, einem warmen Sitzplatz, einem Getränk und einer kleinen Verpflegung beziehen sich die meisten Dienstsleistungen auf Auskünfte, Hilfen am Zug und Begleitung sowie auf die Weitermittlung an andere Einrichtungen.
Bischof besuchte Bahnhofsmission
Zu einem Informationsbesuch kam der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen in die Bahnhofsmission Fulda. Mit diesem Besuch wollte der Bischof erklärtermaßen "einen Blick hinter die Kulissen" der Stadt Fulda werfen" und sich umfassend über die Arbeit der Bahnhofsmission als sozialer Anlaufstelle informieren.