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Auswertung
Auf Basis einer Cluster-Analyse wurden unter der Einbeziehung von 25 demografischen und sozioökonomischen Einflussfaktoren des Fachbereichs Kinder- und Jugendhilfe vier Cluster identifiziert, die die regional variierenden Problemlagen typisieren.
Die vier zum Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe gebildeten Cluster zeigen eine klare regionale Verteilung: Das Cluster 1 umfasst fast ausschließlich die kreisfreien Städte Westdeutschlands, während das Cluster 2 "Junge westdeutsche Landkreise mit tendenziell klassischen Familienstrukturen" vereint. Im Cluster 3 finden sich die peripher gelegenen westdeutschen Landkreise. In das Cluster 4 fallen sämtliche Kreise und kreisfreien Städte der neuen Bundesländer.
In diesem Cluster versammeln sich die größeren kreisfreien Städte Westdeutschlands. Insgesamt umfasst es 93 Kreise mit 24,6 Millionen Einwohnern. Die Einwohnerdichte ist mit durchschnittlich 1377 Menschen pro Quadratkilometer deutlich höher als in allen anderen Clustern.
Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei den unter 20-Jährigen fällt mit 37 Prozent (Mittelwert aller Kreise: 23 Prozent) relativ hoch aus, somit auch der Anteil der Kinder mit ausländischer Herkunft in der Tagespflege, der bei 40 Prozent liegt (Mittelwert aller Kreise: 24 Prozent). Auch der Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife fällt mit durchschnittlich 42 Prozent relativ hoch aus (Mittelwert aller Kreise: 32 Prozent). Der Anteil der unter 21-Jährigen an der gesamten Bevölkerung liegt in den Kreisen des Clusters mit knapp 19 Prozent etwa im Durchschnitt aller Kreise. Durch den hohen Anteil junger Erwachsener im Familiengründungsalter sind die Geburtenzahlen selbst bei durchschnittlichen Fertilitätsraten relativ hoch.
Dennoch machen Familien selbst nur einen relativ geringen Anteil aller Haushalte der Kreise im Cluster 1 aus: Nur in 28 Prozent aller Haushalte leben Minderjährige, während dies im Durchschnitt aller Kreise bei 35 Prozent der Haushalte der Fall ist. Dagegen fällt der Anteil der Einpersonenhaushalte mit 43 Prozent im Cluster 1 – typisch für Städte – recht hoch aus (Mittelwert aller Kreise: 35 Prozent). Dies dürfte unter anderem durch den deutlich negativen Familienwanderungssaldo im Cluster1 zu erklären sein: Viele Familien zieht es aus den Städten ins Umland. Zurück bleiben die jungen Erwachsenen ohne Kinder sowie jene Familien, die ein Leben in den teurer werdenden Städten auch mit Kindern finanzieren können und wollen. Es bleiben aber auch jene zurück, die sich einen Umzug ins Grüne nicht leisten können und in den Städten oft in benachteiligten Stadtteilen leben. Sie machen einen beachtlichen Anteil der Familien im Cluster 1 aus.
Dies wird deutlich an der Kinderarmut, die im Cluster 1 mit 20 Prozent auffällig hoch ist. Das heißt, im Schnitt bezieht jede(r) fünfte unter 15-Jährige Leistungen gemäß SGB II. Auch die Jugendarbeitslosigkeit (7 Prozent), die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung bei den unter 21-Jährigen (3 Prozent) und die Teenager-Schwangerschaften (10 Geburten je 1000 Frauen zwischen 15 und 20 Jahren) liegen leicht über dem bundesweiten Durchschnitt. Hinzu kommt, dass gerade in den Großstädten wie Hamburg, München, Köln oder Frankfurt am Main die Zahl der Ausbildungsplätze je 1000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte relativ gering ist, was den Einstieg in den Arbeitsmarkt für viele Jugendliche weiter erschwert.
Bezüglich der öffentlichen Finanzen zeigt sich auf Kreisebene ein geteiltes Bild. Zum einen fallen die kommunalen Steuereinnahmen in Cluster 1 relativ gesehen im Schnitt am höchsten aus, zum anderen liegt aber auch die kommunale Verschuldung beim 2,5-Fachen des Gesamtdurchschnitts aller Kreise. Den Kreisen bleibt also oft trotz hoher Einnahmen nur ein relativ geringer finanzieller Handlungsspielraum, um auf die Bedarfe der Kinder- und Jugendhilfe zu reagieren. Insbesondere bei den freiwilligen kommunalen Aufgaben kürzen viele Kommunen ihre Leistungen.
Mit 184 Kreisen ist Cluster 2 das größte, es umfasst mit 34,6 Millionen Menschen auch die meisten Einwohner. Die Bevölkerungsdichte ist mit 249 Einwohnern je Quadratkilometer im Schnitt relativ dünn, wobei die Werte zwischen 59 (Eifelkreis Bitburg-Prüm) und 1177 (Heilbronn) Einwohner je Quadratkilometer schwanken.
Die Kreise des Clusters 2 haben vergleichsweise viele Kinder und Jugendliche, somit fällt auch die Abhängigenquote der Jüngeren (21 Prozent) im Clustervergleich am höchsten aus. Aber auch hier hat sich die Abhängigenquote25 der Jüngeren zwischen 2003 und 2013 tendenziell negativ entwickelt. Bis 2030 ist eine relativ moderate demografische Veränderung zu prognostizieren. Der Anteil unter 20-Jähriger dürfte nur leicht zurückgehen, während die Gesamtbevölkerung vermutlich sogar etwas wachsen wird. Dahinter steht nicht nur eine leicht überdurchschnittliche Fertilitätsrate von 1,5 Kindern je Frau, sondern auch ein positiver Zuwanderungssaldo von Familien. Dies liegt vermutlich an den relativ guten sozioökonomischen Bedingungen in diesem Cluster, die diese Regionen vor allem für junge Familien attraktiv machen. Die zahlenmäßige Bedeutung von Familien im Cluster 2 spiegelt sich im relativ hohen Anteil der Haushalte mit Kindern (39 Prozent) und im geringen Anteil der Einpersonenhaushalte (31 Prozent).
Die Betreuungsquoten der unter Drei- und der Drei- bis Sechsjährigen in Kindertageseinrichtungen liegen leicht unter dem Durchschnitt aller Kreise. Die Quote des pädagogischen Personals je 100 Kinder ist im Cluster 2 ebenfalls gering. Die Vermutung liegt nahe, dass Kinder hier noch häufiger in den Familien betreut werden. Unklar ist jedoch, inwieweit dies an geringer Nachfrage nach Betreuungsplätzen oder am mangelnden Angebot liegt. Der eher geringe Anteil der Haushalte Alleinerziehender lässt einerseits darauf schließen, dass in diesen Kreisen traditionelle Familienstrukturen noch relativ stark verbreitet sind. Andererseits bedingt auch hier der soziale Wandel (wachsende Erwerbsquoten und höheres Bildungsniveau von Frauen sowie sich verändernde Familienstrukturen), dass die Nachfrage insbesondere nach Krippenplätzen zunimmt. Durch den Zuzug der Familien könnte sich die Differenz zwischen Nachfrage und Angebot weiter verschärfen.
Die sozioökonomischen Indikatoren im Cluster 2 sind durchweg gut. Die Kinderarmut liegt mit acht Prozent niedriger als in den anderen Clustern, ebenso die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung bei den unter 21-Jährigen (2 Prozent), die Häufigkeit von Teenagerschwangerschaften (6 Geburten je 1000 15- bis 20-jährige Frauen) und die Jugendarbeitslosenquote (4 Prozent). Die günstige Arbeitsmarktsituation für Jugendliche hängt sicher auch mit dem hohen Anteil Auszubildender zusammen (55 je 1000 Erwerbstätige). Das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist das höchste aller Cluster, und die Kommunen haben relativ hohe Steuereinnahmen und einen niedrigen Schuldenstand.
Dieses mit 48 Kreisen und 5,5 Millionen Einwohnern kleinste aller Cluster besteht hauptsächlich aus westdeutschen Landkreisen in geografischen Randgebieten wie entlang der Küsten und der ehemaligen innerdeutschen Grenze sowie aus großen Teilen von Saarland und Rheinland-Pfalz. Im Clustervergleich ist das Cluster 3 mit 157 Personen je Quadratkilometer am dünnsten besiedelt.
Die Kreise haben zwischen 2003 und 2013 mit durchschnittlich minus 6,5 Prozent relativ viele Einwohner verloren. Ursache sind vor allem die im Vergleich zu den Sterbefällen niedrigen Geburtenzahlen. Die negative natürliche Bevölkerungsentwicklung schlägt sich auch in der Altersstruktur nieder. Zwar lag der Anteil der unter 21-Jährigen im Jahr 2013 mit 19 Prozent noch im Gesamtdurchschnitt aller Kreise. Doch im Vergleich zum Jahr 2003 lässt sich ein deutlich rückläufiger Trend in den jungen Altersgruppen beobachten. Für 2030 zeigen die Vorausberechnungen für dieses Cluster im Vergleich mit allen anderen den stärksten zahlenmäßigen Verlust in der Altersgruppe der unter 20-Jährigen an (vgl. Abb. 2).
Der Rückgang der absoluten Kinderzahl in den letzten Jahren könnte dazu beigetragen haben, dass die Betreuungsquoten der unter Drei- und der Drei- bis Sechsjährigen für westdeutsche Verhältnisse am höchsten sind. Die Quote des pädagogischen Kita-Personals liegt mit neun Erzieher(inne)n je 100 Kinder nur knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Doch ein ausreichendes Betreuungsangebot allein macht die Kreise noch nicht zu attraktiven Zielen für Familien. Der Familienwanderungssaldo war 2012 nur leicht positiv, der Gesamtwanderungssaldo war ausgeglichen.
Ins Auge fallen der geringe Anteil der Schulabgänger(innen) mit Hochschulreife (mit 27 Prozent am niedrigsten von allen Clustern) sowie die niedrige Förderschulquote, die aber auch mit dem örtlichen Schulangebot in Verbindung stehen könnte. Eventuell liegt dies am eingeschränkten Angebot an weiterführenden Schulen, wodurch Schüler mit Abiturwunsch Schulen in Kreisen der anderen Cluster besuchen - analog ließe sich der geringe Förderschüler-Anteil erklären. Die Jugendarbeitslosenquote liegt dagegen im Schnitt aller Kreise, und der Anteil der Auszubildenden ist mit 55 je 1000 Erwerbstätige relativ hoch (Durchschnitt aller Kreise: 51).
In puncto Vielfalt hat Cluster 3 die niedrigsten Werte aller westdeutschen Cluster. Nur 19 Prozent der unter 20-Jährigen haben einen Migrationshintergrund, nur 20 Prozent der Kinder in Tageseinrichtungen sind ausländischer Herkunft. Diese Anteile liegen jeweils vier Prozentpunkte unter dem Mittelwert aller Kreise. Die Finanzlage der Kommunen ist eher ungünstig mit vergleichsweise wenig Steuereinnahmen und hohem Schuldenstand. Die Einkommen privater Haushalte liegen dagegen im gesamtdeutschen Schnitt.
In diesem Cluster befinden sich alle ostdeutschen Kreise inklusive Berlin (77 Kreise mit insgesamt 15,9 Millionen Einwohnern). Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte liegt zwar mit 327 Einwohnern je Quadratkilometer höher als in den Clustern 2 und 3. Doch neben Städten wie Berlin, Rostock, Leipzig oder Chemnitz bestehen die östlichen Bundesländer vor allem aus dünn besiedelten Landkreisen wie der Uckermark im Nordosten Brandenburgs.
Die Unterschiedlichkeit der Kreise zeigt sich auch in der Bevölkerungsentwicklung. Von 2003 bis 2013 nahm die Bevölkerung in Cluster 4 um durchschnittlich acht Prozent ab, mehr als doppelt so stark wie im gesamtdeutschen Schnitt. Allerdings sind viele der städtischen Kreise wie Leipzig, Dresden, Rostock, Jena oder Potsdam und die Bundeshauptstadt davon ausgenommen: Sie blicken auf einen zum Teil starken Bevölkerungszuwachs zurück. Das allgemeine Schrumpfen der Bevölkerung liegt vor allem am hohen Überschuss der Sterbefälle gegenüber den Geburten. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass nach der Wende vor allem junge Erwachsene und somit potenzielle Familiengründer aus den neuen Bundesländern abgewandert sind. In der Folge fällt der Anteil junger Menschen in diesem Cluster mit 16 Prozent (Mittelwert aller Kreise: 19 Prozent) verhältnismäßig niedrig aus.
Dennoch ist das Cluster 4 das einzige, in dem die Abhängigenquote der Jüngeren in Bezug auf die erwerbsfähige Bevölkerung von 2003 bis 2012 anstieg. Das liegt an zwei Entwicklungen: Die Kinderzahl je Frau hat sich nach starkem Einbruch in den 1990er-Nachwendejahren wieder dem gesamtdeutschen Schnitt angepasst. Daher sind die Anteile der unter Sechs- und der Sechs- bis Elfjährigen auch zwischen 2003 und 2013 wieder deutlich gestiegen. Zum anderen sinkt der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter durch den hohen Altersschnitt der Bevölkerung in diesen Kreisen schneller als anderswo. Dies hat einen positiven Effekt auf die Abhängigenquote der Jüngeren, während zugleich die Abhängigenquote der Älteren stark steigt.
Trotz der steigenden absoluten Kinderzahlen liegt der Anteil der Familien an allen Haushalten mit 31 Prozent deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt aller Kreise (43 Prozent). Auch hier ist der hohe Anteil Älterer, deren Kinder bereits einen eigenen Haushalt bilden, die Ursache. Der Anteil Alleinerziehender an allen Haushalten liegt mit neun Prozent etwas höher als im Durchschnitt aller Kreise (8 Prozent). Dazu trägt die höhere Scheidungsrate in den ostdeutschen Bundesländern bei, aber auch der hohe Anteil unehelicher Geburten (nahezu zwei Drittel aller Geburten).
Auffallend gut ist die Betreuungssituation im Cluster 4. Die Quote des pädagogischen Personals je 100 Kinder liegt bei elf und damit deutlich über dem bundesweiten Schnitt von neun. Die Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen ist doppelt so hoch wie in den westdeutschen Kreisen, erklärbar mit unterschiedlichen Traditionen in Ost und West und der quantitativ guten Betreuungsinfrastruktur aus der DDR-Zeit, aber auch dem Rückgang der absoluten Kinderzahl seit der Wende. Die Ausbildungssituation für Jugendliche erscheint dagegen, gemessen am geringen Anteil der Auszubildenden an allen Erwerbstätigen, eher ungünstig. Dieses Ergebnis lässt sich allerdings wiederum zum Teil mit der Altersstruktur der Bevölkerung erklären: Die starke Besetzung der höheren Altersklassen unter den Erwerbsfähigen führt dazu, dass der Anteil jener im Ausbildungsalter im Verhältnis geringer ist. So fällt trotz des geringen Anteils an ausbildenden Betrieben die Angebot-Nachfrage-Relation für Ausbildungsplätze vergleichsweise günstig aus.27
Der Anteil der Förderschüler liegt in Ostdeutschland über dem Durchschnitt aller Kreise. Dies dürfte vor allem auf eine regional unterschiedliche Praxis bei der Feststellung eines Förderbedarfs zurückzuführen sein. Dafür spricht, dass in den neuen Bundesländern auch der Förderbedarf überdurchschnittlich ausfällt.28 Auch die Bildungsstudie der Caritas beschäftigte sich mit diesem Thema und zeigte auf, dass sich ein hoher Anteil der Förderschüler signifikant auf die Quote der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss auswirkt mit allen Konsequenzen für die Teilhabe, die sich daraus ableiten.29
Für folgende Indikatoren weist das Cluster 4 die im Mittel höchsten Werte im Clustervergleich auf: für die Kinderarmut (22 Prozent), die Jugendarbeitslosigkeit (8,4 Prozent), den Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss (9 Prozent), die Teenagerschwangerschaften (15 Geburten auf 1000 Frauen zwischen 15 und 20 Jahren) sowie für den Anteil der Alleinerziehenden (8,5 Prozent aller Haushalte). Die durchschnittlichen Haushaltseinkommen (1467 Euro) sind zudem die niedrigsten aller Cluster. Da in Ostdeutschland der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund deutlich niedriger ist als im Westen, fällt auch der Anteil der Kinder ausländischer Herkunft in Tageseinrichtungen und der Anteil unter 20-Jähriger mit Migrationshintergrund auffallend gering aus.
Die ökonomische Situation auf Kommunalebene ist ambivalent. Zwar fallen die Steuereinnahmen je Einwohner in keinem anderen Cluster niedriger aus – mit 454 Euro nur halb so hoch wie im Cluster 1. Doch auch die kommunale Verschuldung ist im Vergleich zu vielen westdeutschen Kreisen deutlich geringer, was vor allem daran liegt, dass viele der westdeutschen Kommunen schon vor der Wiedervereinigung hoch verschuldet waren, die ostdeutschen Kreise jedoch schuldenfrei in die deutsche Einheit gingen