Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro eingeführt. Zudem wird die Möglichkeit, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, ausgeweitet.
Zum Entwurf nimmt der Deutsche Caritasverband wie folgt Stellung:
Der Deutsche Caritasverband teilt die Zielsetzung des Gesetzes. Ein flächendeckender Mindestlohn kann verhindern, dass zukünftig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Niedrigstlöhnen beschäftigt werden. Ein flächendeckender Mindestlohn ist zudem leichter zu kontrollieren.
Der DCV weist nachdrücklich auf die Belange von Menschen hin, die in der Gefahr stehen, bei einem zu hoch angesetzten Mindestlohn ihre Beschäftigung zu verlieren oder in der Langzeitarbeitslosigkeit zu verharren. Daher wäre es aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes besser gewesen, dem britischen Modell der Low Pay Commission folgend die Festsetzung des Einstiegsniveaus des Mindestlohns der Kommission selbst zu überlassen. In Großbritannien hat es sich als sinnvolle Strategie erwiesen, mit einem anfangs moderaten Mindestlohn zu beginnen, die Folgen für den Arbeitsmarkt sorgfältig zu analysieren und den Mindestlohn dann im Zeitverlauf zu erhöhen. Damit ist es in Großbritannien weitgehend gelungen, negative Effekte auf den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Angesichts der weiterhin großen Entlohnungsdifferenzen zwischen Ost- und Westdeutschland wäre es auch angemessen gewesen, der Kommission für eine befristete Zeit regionale Differenzierung zu ermöglichen.
Grundsätzlich positiv wird die Regelung bewertet, die Festsetzung der Mindestlohnhöhe in der Fortschreibung einer Kommission zu überlassen. Es ist geboten, die Tarifpartner in die Findung einer allgemein verbindlichen Lohnuntergrenze einzubeziehen, da sie hierfür eine wichtige Expertise besitzen. In die Kommission müssen aber auch Experten mitwirken, die die Wirkungen der Mindestlohnpolitik auf den Arbeitsmarkt beurteilen, die regionalen und branchenspezifischen Besonderheiten analysieren und auch die besondere Situation von langzeitarbeitslosen Menschen und Menschen mit verfestigten Vermittlungshemmnissen in den Beratungen der Kommission vertreten können. Der Deutsche Caritasverband spricht sich daher dafür aus, in die Kommission drei unabhängige Wissenschaftler mit Stimmrecht aufzunehmen, wie dies auch in Großbritannien in der Low Pay Commission erfolgreich praktiziert wird. Eine regelmäßige Evaluierung der Beschäftigungswirkungen des Mindestlohnes insbesondere auf Langzeitarbeitslose und Jugendliche sollte erfolgen. Bislang sieht der Gesetzentwurf nur eine einmalige Evaluierung für das Jahr 2020 vor.
Der flächendeckende Mindestlohn wirkt auf alle Menschen, die hauptamtlich im Bereich der Sozialwirtschaft arbeiten. Für die Einrichtungen und Dienste des Deutschen Caritasverbandes stellt der Mindestlohn im Wesentlichen kein Problem dar, da mit geringen Ausnahmen heute bereits ein Lohn oberhalb von 8,50 Euro bezahlt wird. Lediglich bei den Fahrdiensten könnte es zu Problemen kommen, sollten neue Tarifverträge für das Beförderungsgewerbe für die Übergangsfrist niedrigere Tarife festlegen.
Probleme sehen wir bei der Entlohnung von Jugendlichen mit dem Mindestlohn. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro bereits ab der Volljährigkeit kann dazu führen, dass eine nicht qualifizierte Beschäftigung zum Mindestlohn zu einem temporär höheren Einkommen im Vergleich zum Einkommen bei einer Ausbildung führend wird. Dies kann ein Faktor sein, der junge Erwachsene aus bildungsfernen Milieus von einer Ausbildung abhält. Der Deutsche Caritasverband plädiert deshalb dafür, Jugendliche ohne Ausbildung bis zu einer Altersgrenze von 21 Jahren vom Mindestlohn auszunehmen.
Kritisiert wird auch die Regelung zu Praktika. Die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Ausnahmen sind sinnvoll, gehen aber nicht weit genug. Ein Mindestlohn für Praktikanten kann dazu führen, dass Praktikumsplätze in bestimmten Bereichen wie z.B. Kunst und Kultur unter diesen Bedingungen nicht mehr angeboten werden. Der Deutsche Caritasverband schlägt deshalb vor, Praktika in den ersten drei Monaten vom Mindestlohn auszunehmen, da in dieser Phase davon ausgegangen werden kann, dass in dieser Zeit das Lernen und das „Schnuppern“ in ein Berufsfeld im Vordergrund steht. Für die Unternehmen, die Praktikumsplätze anbieten, entstehen in dieser Zeit Kosten, die nicht durch entsprechende Entlastungen durch den Einsatz von Praktikanten gedeckt sind.
Eine Mindestlohnregelung muss auch der besonderen Situation von Menschen gerecht werden, die aufgrund von multiplen Vermittlungshemmnissen Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Ähnlich stellt sich die Situation dar für Menschen mit Behinderung. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Langzeitarbeitslosen (also Personen, die mindestens ein Jahr ohne Arbeit sind), die eine Beschäftigung aufnehmen, für sechs Monate vom Mindestlohn ausgenommen sind. Dies ist nicht sinnvoll. Denn zum einen ist die Gruppe der Langzeitarbeitslosen sehr heterogen (z. B. alleinerziehende Mutter oder ein seit langer Zeit Drogenabhängiger). Zum anderen sind bei Menschen mit Vermittlungshemmnissen diese nach sechs Monaten oftmals auch nicht überwunden. Hier sind Differenzierungen nötig.
Folgen hat die Einführung eines Mindestlohns auch für Arbeitsverhältnisse von Langzeitarbeitslosen oder Menschen mit Behinderung, in denen die Lohnkosten mit staatlichen Mitteln bezuschusst werden. Bei höheren Löhnen müssen auch die Minderausgleichszahlungen steigen. Denn sonst geht der höhere Mittelverbrauch zu Lasten der Anzahl der Fördermaßnahmen. Der DCV fordert daher, dass die Haushaltsmittel für die Lohnkostenzuschüsse von Langzeitarbeitslosen und auch von Menschen in Integrationsbetrieben der Behindertenhilfe oder in sogenannten "Zuverdienstprojekten" für psychisch kranke Personen entsprechend aufgestockt werden.
Der Deutsche Caritasverband regt zudem an, die Einführung von Kombilöhnen für Langzeitarbeitslose mit Vermittlungshemmnissen zu prüfen. Es gibt auch Programme der aktiven Arbeitsmarktpolitik, bei denen es angesichts des Charakters der Maßnahme temporär angemessen sein kann, eine Vergütung unterhalb des Mindestlohns zu zahlen.
Für die Dienste und Einrichtungen der Caritas werden die Vergütungen auf dem sogenannten Dritten Weg verbindlich verhandelt. Dieser Dritte Weg sollte in den Regelungen des Gesetzes angemessen berücksichtigt werden. So sollte der DCV bezogen auf den Mindestlohn ein Recht zur Anhörung gegenüber der Mindestlohnkommission eingeräumt werden. Und Kirchen und Wohlfahrtsverbände sollten vor Erlass einer Rechtsverordnung durch das Ministerium die Möglichkeit zur Stellungnahme haben. Schließlich sollten die Akteure des Dritten Weges das Recht erhalten, sich in Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung nach TVG zu beteiligen, da die Einrichtungen und Dienste aufgrund des Wettbewerbs- und Refinanzierungsdrucks davon indirekt betroffen sind.