Warum es Flüchtlinge und Migranten schwer haben, eine Wohnung zu finden
Diskriminierungsrisiken auf dem Wohnungsmarkt
Angemessener und bezahlbarer Wohnraum ist eng mit der gleichberechtigten Teilhabe an anderen Marktbereichen wie dem Arbeits-, dem Dienstleistungs- und dem Gütermarkt verbunden. So bestimmt der Wohnort beispielsweise die Meldeadresse, den Schuleinzugsbereich oder die Versorgung mit Gesundheitsdiensten. In vielen deutschen Großstädten und ihren Ballungsgebieten sind die Wohnungsmärkte jedoch angespannt. Mehr Wohnungssuchende bedeuten auch mehr Auswahlmöglichkeiten für die sogenannten Gatekeeper des Wohnungsmarktes - also diejenigen, die den Zugang zu Wohnraum regeln, wie Vermieter(innen), Hausverwaltungen, Makler(innen) oder Beschäftigte von Wohnungsbaugenossenschaften. Je mehr Menschen sich um eine Wohnung bewerben, desto striktere Auswahlkriterien können zugrunde gelegt werden. Doch hinter vermeintlich objektiven Auswahlkriterien kann sich rassistische Diskriminierung verbergen.
Diskriminierung ist verboten - eigentlich
Auch beim Zugang zu Wohnraum verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seit 2006 Diskriminierung wegen der sechs Diskriminierungsgründe Alter, Behinderung, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion sowie sexuelle Identität.
Bei der Auswahl der Mieter(innen) dürfen die Hautfarbe oder die ethnische Herkunft prinzipiell keine Rolle spielen - weder bei der Vermietung noch bei der Beendigung eines Mietverhältnisses. Auch innerhalb eines bestehenden Mietverhältnisses sind solche Diskriminierungen verboten.
Es gibt aber auch teilweise umstrittene Ausnahmen: Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig (§ 19 Abs. 3 AGG). Das AGG findet keine Anwendung auf Verträge, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten begründet wird. Bei Mietverhältnissen kann dies der Fall sein, wenn die Parteien oder Angehörige Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen (§ 19 Abs. 5 Satz 1 und 2 AGG).
Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund sind im Nachteil
Es gibt immer wieder Hinweise, dass rassistische Benachteiligungen am Wohnungsmarkt zunehmen. Im Jahr 2016 erhöhten sich die Beratungsanfragen zu Wohnungsmarktdiskriminierung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes um die Hälfte. Davon betraf die Hälfte der Anfragen (49 Prozent) Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft.1
Vor allem die (zugeschriebene) ethnische Herkunft erhöht das Risiko, bei der Suche nach einer Wohnung diskriminiert zu werden. Besondere Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt haben auch anerkannte Schutzberechtigte, zum Beispiel mit Aufenthaltserlaubnis, obwohl sie den Schutz des AGG genießen. Knüpft die Ablehnung von Wohnungsbewerber(inne)n an ihre Staatsbürgerschaft an, kann gegebenenfalls eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft vorliegen. Ein häufiges Fallmuster ist die Ablehnung eines Mietvertrags oder eines Besichtigungstermins. Dies wird mit dem "nichtdeutschen" Namen, mangelnden Deutschkenntnissen oder direkt mit dem Migrationshintergrund der Wohnungsinteressent(inn)en begründet.
Anlass zur Beschwerde sind zunehmend auch Belästigung und Mobbing durch Nachbar(inne)n, die direkt an ein geschütztes AGG-Merkmal wie die ethnische Herkunft anknüpfen. Diese Anfeindungen sind für Betroffene besonders dramatisch, da sie oftmals nicht einfach in eine andere Wohnung umziehen können und die Belästigungen sie in ihrem persönlichen Nah- und Schutzbereich treffen.
Offene und versteckte Diskriminierung
In offensichtlicher Form tritt ein Indiz für eine Diskriminierung zutage, wenn bestimmte Gruppen, Nationalitäten oder Asylsuchende in Wohnungsannoncen von vornherein ausgeschlossen werden. Beispielsweise wurden im Jahr 2016 Beschwerden über folgende Wohnungsanzeigen gemeldet: "Die Wohnung wird bevorzugt an deutsche Paare vermietet", "Bitte nur Berufstätige und keine Ausländer", "Ausländer jeglicher Art sind unerwünscht", "Keine Syrer, Kosovo-Albaner, Zigeuner oder Ähnliches".
Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft, Hautfarbe, Sprache, des Aussehens, Akzents werden oft durch andere Merkmale oder Zuschreibungen noch potenziert. Es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass insbesondere eine sichtbare Religionszugehörigkeit, ausgedrückt zum Beispiel durch ein Kopftuch, zu Absagen bei Wohnungsbewerbungen führt und rassistische Diskriminierung noch verstärkt.2
Gerade auf dem Wohnungsmarkt können auch durch das AGG nicht geschützte Merkmale beziehungsweise Zuschreibungen zu Diskriminierung führen. Dazu zählt etwa die sozio-ökonomische Situation. Fragen nach dem Beruf oder der Art des Einkommens der Mietinteressent(inn)en werden häufig gestellt. Auch Kinderzahl, Familienstand, (vormalige) Wohnungslosigkeit oder ein ungesicherter Aufenthaltsstatus können zum Ausschluss aus dem Bewerber-Pool führen.3
Grundsätzlich ist Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer zu erkennen und zu beweisen. Neben den geschilderten Fällen von offener Diskriminierung erfolgen Benachteiligungen beim Zugang zu Wohnraum auch verdeckt, anhand vorgeschobener Gründe oder aufgrund diskriminierender Kriterien. Oftmals bekommen Bewerber(innen) eine neutrale Absage wie "Wir haben uns leider für jemand anderen entschieden". Dadurch nehmen Betroffene die Diskriminierung oft nicht wahr und scheuen deshalb häufig eine Beschwerde. Die Dunkelziffer dürfte deshalb wesentlich höher sein, als die Beratungsanfragen zeigen.
Diskriminierung bei der Wohnungssuche - was tun?
Die Unterstützung der Betroffenen durch Beratungs- und Anlaufstellen ist deshalb besonders wichtig. Antidiskriminierungsstellen unterstützen Ratsuchende niedrigschwellig und kostenfrei beim Verdacht der Wohnungsmarkt-Diskriminierung. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet eine rechtliche Einschätzung im Einzelfall. Sie hält zudem eine Liste mit lokalen Beratungsstellen bereit.
Betroffenen und Beratungsstellen hilft im Diskriminierungsfall der Ratgeber "Fair mieten - fair wohnen" weiter (www.antidiskriminierungsstelle.de, Suchwort: "Fair mieten". Betroffene können gegen Wohnungsmarktdiskriminierung auf Schadensersatz und Entschädigung klagen - ein Anspruch auf eine Wohnung ist allerdings nicht einklagbar. In einem der wenigen Urteile zu Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt sprach das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in Berlin den Kläger(inne)n 30.000 Euro Entschädigung nach dem AGG zu. Die Vermieterin hatte in dem Fall Mieterhöhungen ausgesprochen, die nur an Mietvertragsparteien arabischer beziehungsweise türkischer Herkunft gingen.4
Der gesetzliche Schutz beim Zugang zu Wohnraum sollte insgesamt verbessert werden. Gefordert wird eine Streichung der zugunsten von Wohnungsunternehmen bestehenden Vorschrift des § 19 Abs. 3 AGG (s. oben). Gatekeeper sollten verstärkt über ihre Verantwortung hinsichtlich des Schutzes vor Diskriminierung informiert werden. Entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen, zum Beispiel Weiterbildungen oder Informationsmaterialien und Kampagnen, sollten sich an alle Vermieter(innen) und Organisationen sowie Verbände der Wohnungswirtschaft richten - beziehungsweise von diesen auch selbst initiiert werden.
Dieser Artikel erschien im Original in der Beilage der neuen caritas "Migration und Integration Info", Ausgabe 2/2018.
Anmerkungen
1. Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Diskriminierung in Deutschland. Dritter Gemeinsamer Bericht der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes und der in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten
der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Berlin, 2017, S. 102 ff.
Download: www.antidiskriminierungsstelle.de, Suchwort: "Dritter gemeinsamer
Bericht".
2. Müller, A.: Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Strategien zum
Nachweis rassistischer Benachteiligungen. Eine Expertise im Auftrag der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Berlin, 2015, S. 64 ff. Download:
www.antidiskriminierungsstelle.de (Suchwort: "Müller Expertise").
3. Vgl. Beigang, S.; Fetz, K.; Kalkum, D.; Otto, M.: Diskriminierungserfahrungen
in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Baden-Baden:
Nomos Verlag, 2017, S. 205 ff.
4. Amtsgericht Berlin-Tempelhof/Kreuzberg (19.12.2014, 25 C 357/14).