Gute Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte, bessere Pflege, nachhaltige Finanzierung – aber wie?
Nicht erst seit der Corona-Pandemie wissen das: Das gesamte System Pflege muss auf den Prüfstand. Gute Pflege braucht ausreichend Personal. Damit der Beruf für möglichst viele Menschen attraktiv ist, braucht es gute Arbeitsbedingungen - eine faire Bezahlung, die auch eine auskömmliche Vorsorge für das Alter zulässt, eine Verbesserung der Personalausstattung durch ein verbindliches Personalbemessungssystem, verlässliche Dienstpläne.
Viele Jahre lang hat die Pflegeversicherung ihre Leistungen kaum erhöht. Das führte dazu, dass in der ambulanten und stationären Pflege die Personaldecke als kostenintensivster Faktor so knapp wie möglich bemessen wurde, damit die Einrichtungen und Träger im Preiswettbewerb bestehen können. Einige Träger - insbesondere private Täger - habe ihre Mitarbeitenden zu Dumpinglöhnen entlohnt.
Bei den etwa 1.800 (teil-)stationären Einrichtungen der Altenhilfe und 1.000 ambulanten Pflegediensten der Caritas verdienen Pflegekräfte in der Regel über den branchenüblichen Gehältern (siehe die entsprechenden Faktenblätter). Steigen die Tarife aufgrund von Lohnverbesserungen, steigen die Preise der Einrichtungen. Wenn die Pflegeversicherung aber diese Kosten nicht übernimmt, müssen die Pflegebedürftigen und ihre Angehörige immer höhere Eigenanteile (in der stationären Altenhilfe) oder Zuzahlungen (ambulant) aufbringen. Die Eigenanteile steigen und steigen seit Jahren. Das können viele Pflegebedürftige und ihre Familien nicht stemmen - Pflege wird somit zum Armutsrisiko und kann in die Sozialhilfe führen.
Bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Entlohnung von Pflegekräften sind also nicht loszulösen von einer Reform der Finanzierung der Pflege, bei der die Kosten für die Pflegebedürftigen in Schach gehalten werden.
Die Caritas hat hierzu Ideen und Vorschläge eingebracht, von denen sich einzelne Elemente oder zumindest Ansätze in einer "kleinen", im Sommer 2021 verabschiedeten Pflegereform wiederfinden. Es muss aber noch viel mehr passieren.
Tariftreue und Pflegemindestlohne als Schrauben für höhere Pflegelöhne
Einen wichtigen Punkt hat die Pflegereform aus dem Jahr 2021 umgesetzt: Seit September 2022 gilt in der Pflegebranche die Tarifbindung (auch Tariftreue genannt). Das heißt, dass nur Pflegeeinrichtungen und Dienste zugelassen werden, die einen Tarifvertrag haben bzw. die sich an einen Tarifvertrag angeschlossen haben. So soll vermieden werden, dass Dumpinglöhne bezahlt werden. Auch wenn ihre Umsetzung kompliziert ist: Die Tariftreue-Regelung zeigte bereits nach einigen Monaten Wirkung (siehe diese Pressemitteilung der AOK zum Entlohnungsniveau in der Pflege).
Für die Beschäftigten in der Pflege gilt darüber hinaus ein Branchenmindestlohn, der eine untere Lohngrenze in der Branche darstellt. Der Mindestlohn wird von einer Pflegekommission vorgeschlagen und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt. In der Pflegekommission sind Gewerkschaften, Arbeitnehmerseiten der Kirchen, private und kirchliche Arbeitgeber beteiligt. Die Pflegekommission hat zuletzt im Februar 2022 eine Anhebung des Bruttostundenlohns auf 14,15 Euro pro Stunde für Pflegehilfskräfte, auf 15,25 Euro pro Stunde für qualifizierte Pflegehilfskräfte und auf 18,25 Euro pro Stunde für Pflegefachkräfte auf 18,25 Euro empfohlen. Zudem sollen Beschäftigte in der Pflege Anspruch auf zunächst sieben und später neun zusätzliche Urlaubstage pro Jahr haben.
Pflegebedürftige entlasten!
Die Caritas macht sich schon seit langem dafür stark, dass der Anteil der Pflegekosten, den Pflegebedürftige aus der eigenen Tasche zahlen, gedeckelt wird. Es darf nicht sein, dass sich nur die gehobene Mittel- und Oberschicht gute Pflege leisten kann!
Die Pflegereform im Jahr 2021 hat den Weg eingeleitet in eine gewisse Begrenzung der Eigenanteile. Aber: Sie müssen weiter reduziert werden. Zusätzliches Personal, das unbedingt gebraucht wird, darf nicht zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen gehen. Die medizinische Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen, die bislang faktisch aus der eigenen Tasche zu bezahlen ist, soll durch die Krankenkassen übernommen werden. Auch die Ausbildungskostenumlage darf den pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen nicht länger aufgebürdet werden.
Eckpunkte für eine Pflegereform: Finanzierung sichern und Pflege zu Hause stärken
Finanzierung sichern!
Die Pflegeversicherung muss zu einer echten Teilkaskoversicherung weiterentwickelt werden, die die Finanzierung der pflegerischen Leistungen Pflege sicherstellt. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das Solidarprinzip muss hier greifen. Die Caritas schlägt dafür eine einheitliche Versicherung für die gesamte Bevölkerung vor. Bei dieser soll die Prämie unabhängig vom eigenen Risiko, krank oder pflegebedürftig zu werden, bemessen sein. Eine Einbeziehung weiterer Einkommensarten zur Beitragsbemessung (auf Basis des steuerlichen Einkommens) sowie eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze würden die Einnahmen der Pflegeversicherung verbessern.
Für gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, die Ausbildung der Pflegekräfte oder die Finanzierung der Rentenbeiträge für die pflegenden Angehörigen ist eine Finanzierung aus Steuern zu überlegen. Zum Thema Finanzierung gehört auch die Notwendigkeit, die Bundesländer stärker in die Pflicht zu nehmen. Diese sind per Gesetz gefordert, die Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen zu fördern. Die Länder müssen verpflichtend stärker zur Finanzierung der Investitionskosten herangezogen werden.Auch dieser Schritt würde zu einer deutlichen Senkung der Eigenbelastung der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Familien führen.
Pflege zu Hause stärken!
Die meisten älteren Menschen haben den Wunsch, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben, deshalb ist dieser Punkt von großer Bedeutung. Er betrifft ambulante Pflegedienste, pflegende Angehörige und das Thema Live-In-Betreuung durch Angestellte, die meistens aus dem Ausland stammen.
Die Leistungen der ambulanten Pflegedienste müssen von den Pflegekassen besser refinanziert werden - in den letzten Jahren wurden viele Leistungen nicht oder unzureichend an die Bedürfnisse angepasst, mit dem Ergebnis, dass pflegebedürftige Menschen entweder mehr zuzahlen oder weniger Leistungen in Empfang nehmen mussten. Die Entwicklung der Leistungen der Pflegeversicherung muss mindestens an die Inflationsrate angepasst werden. Der Deutsche Caritasverband schlägt zudem vor, dass Pflegebedürftige, die von einem ambulanten Pflegedienst betreut werden, Anspruch auf ein festes Zeitkontingent beziehungsweise den Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von Leistungskomplexen erhalten.
Die Caritas setzt sich seit Jahren mit eigenen Projekten für legale und sichere Beschäftigungsmöglichkeiten von sogenannten "Live-in"-Betreuungskräften ein und arbeitet europaweit für gerechte Standards, die für alle Seiten faire und sichere Arbeits- und Betreuungssituationen sicherstellen. Die Live-in-care sollte künftig stärker aus den Mitteln der Pflegeversicherung unterstützt werden können. Die Betreuung muss selbstverständlich im Einklang mit zuvor definierten gesetzlichen Vorschriften stattfinden - hier wurden bereits gemeinsam mit den Pflegeversicherungen Standards entwickelt.
Viele Menschen werden auch von Angehörigen gepflegt. Das ist eine Leistung, die besser honoriert werden muss, zum Beispiel in der Rentenversicherung. Eine punktuelle Entlastung pflegender Angehöriger durch den Pflegedienst darf zum Beispiel nicht zu Abschlägen bei ihrer Rente führen. Auch ein Ausbau der Tages- und Kurzzeitpflege ist notwendig, um pflegende Angehörige zu entlasten.Die Empfehlungen zum Ausbau der Kurzzeitpflege müssen schnellstmöglich in der Praxis umgesetzt werden.
Sie interessieren sich für die Arbeitsbedingungen bei der Caritas? Unser Tarifwerk "AVR Caritas" sichert die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte und anderer Mitarbeitender in Caritas-Einrichtungen. Der Lambertus-Verlag informiert über die aktuellen AVR auf der Website www.avr-caritas.de.