Fakten statt Polemik zum Bürgergeld
In der praktischen Arbeit der Caritas erleben wir unterschiedlichste Gruppen von Menschen, die Grundsicherungsleistungen beziehen. Nicht selten sind es prekäre Lebensbedingungen, das Scheitern von Bildungswegen und Schicksalsschläge, die Menschen entmutigt haben und die Aufnahme einer Erwerbsarbeit behindern. Viele Grundsicherungsbezieher sind erwerbstätig, aber der Lohn reicht nicht aus, entweder, weil sie geringfügig oder in Teilzeit arbeiten, oder weil ihr Arbeitsentgelt trotz Vollzeittätigkeit nicht reicht, um die Familie durchzubringen. Viele Bürgergeldempfänger haben in den letzten Monaten verstärkt unsere Schuldnerberatung kontaktiert, weil sie in Zeiten von Inflation und hohen Energiekosten mit dem Geld nicht mehr zu Rande kommen.
Für andere Gruppen erweist sich die Integration in den Arbeitsmarkt als schwieriger, sie brauchen Unterstützung. Hier treffen wir auf junge Mütter, die ihre Ausbildung nicht abschließen konnten, da dies nicht mit der Care-Arbeit für Kinder zu vereinbaren war in Zeiten, in denen Kinderbetreuungsplätze oft rar sind. Für Menschen aus der Ukraine mangelt es an Angeboten zur Sprachförderung, mit der der Grundstein für eine Integration in den Arbeitsmarkt gelegt werden kann. Unsere Beschäftigungsbetriebe berichten, dass erfolgreiche Integrationsangebote in Arbeit nicht mehr durchgeführt werden können, weil das Geld für Eingliederungsmaßnahmen fehlt. Für die allermeisten Menschen, auf die wir treffen, ist Arbeit erstrebenswert, weil sie ein eigenständig erwirtschaftetes finanzielles Auskommen und gesellschaftliche Teilhabe sichert und somit Teil eines erfüllenden Lebens ist.
Polarisierung zum Bürgergeld gefährdet gesellschaftlichen Zusammenhalt
Die in der öffentlichen Auseinandersetzung transportierten Bilder von mutmaßlich faulen Bürgergeldbeziehenden, die sich mit staatlichen Leistungen ein schönes Leben machen, verkennen die Lebenswirklichkeit von Grundsicherungsbeziehern. Zudem polarisiert und gefährdet die Tonalität der politischen Auseinandersetzung unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade in Zeiten multipler Krisen darf es nicht darum gehen, das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum polemisch zu diskreditieren und damit die Gesellschaft weiter zu spalten.
Aktuell arbeiten 46 Mio. Menschen, die Arbeitslosenquote ist gering (6 Prozent, Juli 2024). Die Erwerbstätigenquote ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und wird für das Jahr 2023 auf 77,2 Prozent beziffert (2005: 65,4 Prozent).
Es ist deutlich in Frage zu stellen, warum die Debatte um die Einsparnotwendigkeiten nun gerade um die Höhe des untersten Sicherungsnetzes kreist, das aktuell einen Anteil von 4,2 Prozent des Sozialbudgets ausmacht und verfassungsrechtlich garantiert ist. Das Verhältnis von Sozialleistungen zum Bruttoinlandsprodukt - die Sozialleistungsquote - fällt mit 30,3 Prozent erneut niedriger aus als in den Vorjahren, die krisenbedingt höhere Werte aufweisen.
Wir sehen es als Aufgabe der verbandlichen Caritas, aber auch der Medien, der politischen Diskussionsteilnehmer und der zivilgesellschaftlichen Akteure, durch eine sachliche Auseinandersetzung Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Mit diesem Faktenblatt wollen wir dazu beitragen, den Diskurs mit Fakten zu hinterlegen und Hintergründe zu erklären. [Das Factsheet als PDF können Sie am Ende der Seite herunterladen.]
Bürgergeld – das unterste Netz zur Existenzsicherung
Die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip unserer Verfassung sichern allen Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben, das soziokulturelle Existenzminimum zu. Bürgergeld erhalten Menschen als Transferzahlung nach dem SGB II, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen decken können. Es sichert ein Leben in Würde und ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe, das nicht in Frage zu stellen ist. Die verbandliche Caritas fordert seit langem eine nachvollziehbare Berechnung der Regelbedarfe, die das Existenzminimum verlässlich absichert.
Auf Bürgergeld besteht ein Rechtsanspruch. Dennoch verzichten nicht wenige Menschen, z.B. aus Scham oder Überforderung mit der Antragsstellung auf diese Leistungen, obwohl sie ihnen eigentlich zustünden. Hier müssen Bürokratie-Hürden weiter abgebaut werden. Es bedarf dringend der Modernisierung und Vereinfachung von Antragsverfahren und Verwaltungsprozessen. Dies betrifft auch dem Bürgergeld vorgelagerte Sicherungssysteme, z.B. Wohngeld und Kinderzuschlag, die Menschen in Anspruch nehmen können, um gerade nicht in das unterste Sicherungsnetz zu fallen.
Wer bekommt Bürgergeld?
Bürgergeld erhält jeder, der hilfebedürftig ist und seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen decken kann. Das kann auch in Vollzeit beschäftigte Menschen – vorrangig Menschen mit Familienverantwortung – betreffen, deren Arbeitslohn nicht ausreicht, besonders wenn sie im Niedriglohnsektor arbeiten oder hohe Lebenshaltungskosten haben, z.B. durch teure Mieten.
Insgesamt waren im März 2024 5.548.000 Menschen leistungsberechtigt und erhielten Bürgergeld nach dem SGB II. Davon waren 1.536.000 Personen nicht erwerbsfähig (vor allem Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren). Von den 4.012.170 erwerbsfähigen Leistungs- berechtigten waren rund 1,7 Mio. Menschen im SGB II arbeitslos gemeldet. Damit erhielten ca. 2,2 Mio. erwerbsfähige Menschen Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ohne arbeitslos zu sein. Dies waren insbesondere Personen, die kleine Kinder betreuten bzw. Angehörige pflegten oder noch zur Schule gingen bzw. studierten (ca. 18 Prozent). Andere waren nicht arbeitslos, weil sie einer ungeförderten Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden nachgingen (ca. 11 Prozent), an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilgenommen haben oder arbeitsunfähig erkrankt waren (ca. 13 Prozent). Im März 2024 waren 20 Prozent (814.000) der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erwerbstätig; das waren 32.000 oder 4 Prozent mehr als im Vorjahr. Da ihr Einkommen nicht zur Sicherung des Existenzminimums ausreicht, wird es mit Bürgergeld ergänzt (umgangssprachlich als Aufstocker bezeichnet).
März 2024 (gerundet) | |
Bestand Regelleistungsberechtigte im SGB II insg.: |
5.548.000 |
Bestand nicht erwerbsfähige Personen (vor allem Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren) |
1.536.000 |
Bestand erwerbsfähige Personen davon:
|
4.012.000 1.747.000 2.265.000 |
Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen
Der Anspruch auf die Transferzahlung ist an Mitwirkungspflichten geknüpft, bei Verstoß gegen Mitwirkungspflichten können Leistungen gemindert werden (§§ 31, 31a, 32 SGB II). Die Leistungen der Jobcenter umfassen auch verschiedene Fördermaßnahmen, mit denen die Menschen dabei unterstützt werden, selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können oder einen Bildungsabschluss zu erlangen.
Das Bürgergeld muss an die Preissteigerungen angepasst werden
Die Anhebung des Bürgergelds erfolgt nach einem festgelegten Mechanismus, der sich an der Lohnentwicklung und den Preissteigerungen orientiert. Alle fünf Jahre wird das Bürgergeld neu berechnet, es orientiert sich an den untersten Einkommensgruppen, die kein Bürgergeld beziehen. Diese Berechnungen und auch die jährliche Anpassung ist gesetzlich festgeschrieben. Damit besteht kein Entscheidungsspielraum über die sich ergebene Erhöhung. Die Anpassung zum 1. Januar 2024 fiel mit 12 Prozent außergewöhnlich hoch aus, was insbesondere an der hohen Inflation 2021/2022 lag. Durch die starke zeitliche Verzögerung entsteht in der Öffentlichkeit ein Zerrbild: Während der akuten Phase der hohen Preise geschieht nichts und wenn Monate später die Inflation niedriger wird, kommt "plötzlich" die Bürgergeld-Erhöhung. Dieses Problem hat der Gesetzgeber gesehen und den Anpassungs-Mechanismus leicht angepasst. So wird besser gewährleistet, dass das Existenzminimum inflationsbedingt nicht über einen längeren Zeitraum faktisch unterdeckt ist. Dabei orientiert sich die Anpassung nicht an der allgemeinen Inflationsrate, sondern an der Entwicklung der Preise für Güter und Dienstleistungen, die in die Berechnung des Existenzminimums einfließen. Die Preisentwicklung dieser "existenznotwendigen Aufwendungen" war zuletzt häufig höher als der allgemeine - deutlich mehr Güter und Dienstleistungen umfassende - Verbraucherpreisindex. Zum 1.1.2025 wird das Bürgergeld voraussichtlich nicht erhöht; der Anpassungsmechanismus ergibt eine "Nullrunde". Wir sehen bei einer hinter den Preisentwicklungen der existenznotwendigen Aufwendungen zurückbleibenden Erhöhung des Existenzminimums ein verfassungsrechtliches Risiko.
Das Bürgergeld und das Lohnabstandsgebot
Das Lohnabstandsgebot kann in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2010 nicht über eine Absenkung des Regelsatzes unter das verfassungsrechtlich gebotene Niveau hergestellt werden. Das Bürgergeld sichert das Existenzminimum, das jedem Menschen grundrechtlich garantiert ist und dessen Höhe nach einem gesetzlich festgelegten Verfahren ermittelt wird. Es kann nur im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben neu verhandelt werden. Mit der Erhöhung des Bürgergeldes steigt auch der Druck, die Transferentzugsraten anzupassen, den Mindestlohn zu erhöhen und/oder soziale Angebote breit zugänglich zu machen. Berechnungen verschiedener Haushaltskonstellationen bestätigen, was der Gesetzgeber durch bestimmte Vorgaben sichergestellt hat: wenn man arbeitet, hat man netto mehr Geld, als wenn man nur vom Bürgergeld lebt. Das Zusammenspiel von Transferentzugsraten und vorrangigen Sozialleistungen ist sehr kompliziert. Für die Aufnahme bzw. Ausweitung einer Erwerbstätigkeit spielen noch viele weitere Faktoren eine Rolle (Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen, gerade auch in Randzeiten bzw. im Ganztag, Bedarf des Arbeitgebers, Homeoffice-Möglichkeit, …).
Bürgergeld in Relation zum Mindestlohn
Der Mindestlohn liegt seit Januar 2024 bei 12,41 Euro. Alleinstehende, die Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, haben laut einer Berechnung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) für das ARD-Magazin MONITOR im Durchschnitt 532 Euro mehr zur Verfügung als Alleinstehende, die nur Bürgergeld beziehen. Seit seiner Einführung 2015 ist der Mindestlohn um 46 Prozent gestiegen, das Bürgergeld (ehemals ALG II) um 41 Prozent. Der Abstand zum Mindestlohn ist somit nicht kleiner geworden.
Integration in Arbeit als zentrales Förderinstrument
Die Befürchtung, es gebe eine Welle von Menschen, die wegen der Höhe des Bürgergeld kündigen, passt nicht zu den Erfahrungen in den Caritas-Beratungsstellen. Wir können nicht ausschließen, dass es eine kleinere Gruppe gibt, die darüber nachdenkt oder diesen Schritt tut. In diesen Fällen haben die Jobcenter das Instrument der Leistungsminderung, wenn sie eine zumutbare Arbeit vermitteln können. Die große Mehrheit der Erwerbslosen möchte arbeiten, das zeigt sich sowohl in den Praxiserfahrungen der Caritas als auch in den empirischen Daten. Denn Arbeit ist sinnstiftend, gibt Anerkennung und Teilhabe. Wer arbeitet, hat auch mehr Geld zur Verfügung. Zudem können nur über Erwerbseinkommen gesetzliche Rentenansprüche aufgebaut werden.
Empirische Daten zum Bürgergeld – Zugänge in die SGB II-Arbeitslosigkeit
Zwischen April 2023 und März 2024 sind 348.000 Menschen weniger in die Grundsicherung für Arbeitsuchende zugegangen als im vergleichbaren Zeitraum von April 2022 bis März 2023. Das Risiko, aus Beschäftigung heraus im nächsten Monat arbeitslos zu werden, lag im Jahresdurchschnitt von August 23 bis Juli 24 bei 0,56 Prozent. Im langjährigen Vergleich ist das ein niedriger Wert, der vor der Corona-Pandemie nie unter 0,6 Prozent lag.
Empirische Daten zum Bürgergeld – Abgänge aus der SGB II-Arbeitslosigkeit in den 1. Arbeitsmarkt
Abgangsraten sagen etwas über die Chancen aus, Arbeitslosigkeit zu beenden. Bezogen auf den Arbeitslosenbestand meldeten sich von August 2023 bis Juli 2024 monatsdurchschnittlich 5,76 Prozent der Arbeitslosen aufgrund einer Beschäftigungsaufnahme (einschließlich in betriebliche bzw. außerbetriebliche Ausbildung) aus der Arbeitslosigkeit ab. Das ist im langjährigen Vergleich weiterhin ein niedriger Wert. Dennoch beobachtet die Bundesagentur für Arbeit bei fast allen arbeitslosen Personengruppen einen leichten Anstieg der Beschäftigungsaufnahme. Für ukrainische Geflüchtete im Bürgergeld-Bezug haben sich die Chancen auf eine Beendigung des Leistungsbezugs jüngst deutlich verbessert: von 2,5 Prozent im März 2024 auf 3,21 Prozent im Juli 2024.
Bei den Abgängen aus dem Bürgergeld sind die Auswirkungen der vergangenen Krisenjahre noch deutlicher zu spüren. Eine Verfestigung von Arbeitslosigkeit ist insbesondere für Menschen ohne Berufsabschluss festzustellen. Die Arbeitslosenquote von Personen ohne Berufsabschluss liegt erheblich über der allgemeinen Arbeitslosenquote. Umso wichtiger ist die nachhaltige Integration in Arbeit. Hier sind arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Weiterbildung, der Erwerb eines Berufsabschlusses, Qualifizierung, individuelle Begleitung und Vermittlung wichtig. Genau diese Ziele verfolgt das Bürgergeld, das den Fokus auf eine nachhaltige Integration setzt. Wichtig ist hierfür jedoch, dass Eingliederungsmittel in ausreichender Höhe sichergestellt werden.
Reformen in den sozialen Sicherungssystemen zur Verbesserung der Erwerbsanreize
Für die Ausweitung der Erwerbsarbeit gibt es viele Einflussfaktoren. Aspekte wie die Arbeitsmarktsituation, die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, Weiterbildungsmöglichkeiten, Sprach- und Integrationskurse spielen hier unter anderem eine Rolle. Auch das Zusammenspiel mit anderen Sozialleistungen und Vorgaben für die Anrechnung von Erwerbseinkommen (Transferentzugsraten) sowie Freibeträge sind maßgebliche Faktoren. Durch den Freibetrag und die Transferentzugsraten hat der Haushalt immer mehr Geld zur Verfügung als ein Haushalt, in dem niemand arbeitet. Komplex ist jedoch das Zusammenspiel von Bürgergeld und vorgelagerten Sicherungssystemen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag und auch dem Kindergeld. Hier nehmen wir in den Angeboten der verbandlichen Caritas einen hohen Beratungsbedarf wahr und dies attestieren auch wissenschaftliche Untersuchungen. Menschen, die uns in unseren Beratungsangeboten aufsuchen, sind mit der Komplexität der Systeme und Antragsformulare häufig überfordert und finden in der öffentlichen Verwaltung oft nicht die niedrigschwellige Unterstützung, die benötigt wird, um Rechtsansprüche geltend machen zu können.
Zudem sind suboptimale Anreizeffekte in besonderen Konstellationen die Folge des komplexen Zusammenspiels der verschiedenen sozialen Sicherungsleistungen. Diese können jedoch nicht durch eine Absenkung oder geringere Erhöhung des Bürgergelds beseitigt werden. Vielmehr gilt es weiter zu prüfen, wie durch eine Bündelung und Anpassung der Leistungen das System der Sozialleistungen vereinfacht und transparenter gestaltet werden kann. Zudem gibt es Handlungsbedarf bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen resp. des Abschmelzens der Sozialleistungen, um sicherzustellen, dass Arbeit sich hinreichend lohnt.
Dies geht in direkter Folgewirkung mit höheren fiskalischen Kosten einher - auch weil zunächst mehr Menschen anspruchsberechtigt werden. Es ist eine Fehlinterpretation, aus der höheren Inanspruchnahme sozialer Leistungen zu schließen, dass die Armut gewachsen ist. Ganz im Gegenteil wurde Einkommensarmut bekämpft, die Einkommenssituation im Niedrigeinkommensbereich verbessert und der Anreiz gestärkt, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen.
Die Schaffung eines übersichtlicheren Systems von Sozialleistungen sollte das Ziel der Reformbemühungen sein.
Niedrigeinkommensbezieher:innen und Transferleistungsbezieher:innen nicht gegeneinander ausspielen
Arbeit macht auch dann einen Unterschied, wenn untere Einkommen entlastet werden, so dass mehr vom Einkommen verbleibt, z.B. durch Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen oder Steuern.
Reformen, die für Niedrigeinkommensbezieher mit geringeren Steuern und Abgaben die Nettolöhne erhöhen, sind lohnend, weil mehr Menschen eine Arbeit aufnehmen, Steuern und Sozialabgaben bezahlen und weniger staatliche Unterstützung benötigen.
Wer Bürgergeld bezieht, muss auch arbeiten
Mit dieser Forderung wird öffentlich wiederholt faktenwidrig der Eindruck erweckt, das Bürgergeld sei ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es gibt im SGB II weiter die Pflicht, Arbeitsangebote anzunehmen und es gibt Leistungsminderungen (früher "Sanktionen" genannt). Verkannt wird außerdem, dass gerade der Wegfall des Vermittlungsvorrangs in prekäre Arbeitsverhältnisse, der mit dem Bürgergeld umgesetzt wurde, die dauerhafte Arbeitsmarktintegration befördern soll. Die Debatte, dass Langzeitarbeitslose, die keinen Job finden, durch verpflichtende Gemeinwohlarbeit diszipliniert werden sollen, verkennt, dass Langzeitarbeitslose Qualifizierung und Weiterbildung brauchen, damit sie den Weg in den ersten Arbeitsmarkt finden. Damit eine Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit nicht ins Leere liefe, müssten die Jobcenter gemeinnützige Ersatzstellen schaffen und begleiten. Dies ist faktisch nicht darstellbar. Für die Menschen, bei denen eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht ohne eine vorherige Förderung in einem öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnis möglich ist, gibt es hierfür mit dem Teilhabechancengesetz die notwendigen Instrumente. Nur wenn ausreichend Mittel für diese Instrumente zur Verfügung stehen, können mittel- und langfristig Einsparungen im Bürgergeld erzielt werden.