Der Brückenbauer
Die ersten Wochen
Die erste Woche war für mich anstrengend, weil ich war alleine hier und meine Freunde sind dort im Camp geblieben. Die Leute in Fürth, die ich getroffen habe, waren alle sehr nett und freundlich. Ich habe keinen bösen Menschen in Fürth getroffen. Ganz am Anfang habe ich zwei Möglichkeiten genutzt, wo gibt es Möglichkeit Deutsch zu lernen: Eine war in einer Kirche zwei Tage pro Woche, andere war in Freiwilligen Zentrum Fürth. Das war das erste Mal, als ich im FZF war. Das hat mir für erste Schritte bei Deutsch geholfen. Trotzdem war das nicht genug für mich. Nach meinem Interview in Zirndorf durfte ich einen Deutsch-Integrationskurs machen. Zusammen mit Alphabet-Kurs hat das ein Jahr gedauert. Dann hatte ich B1-Niveau gehabt.
Es gibt verschiedene Gefühle, wenn man Deutsch lernt. Als ich hierhergekommen bin, habe ich immer Englisch gesprochen. Die Leute haben auch Interesse, mit mir Englisch zu sprechen, mehr als mit mir Deutsch zu sprechen, wenn ich schlecht Deutsch kann. Nicht alle, aber einige. Und in dieser Zeit konnte ich nicht so gut Deutsch und konnte auch Englisch nicht mehr flüssig sprechen. Das war schwer für mich. Das war kein gutes Gefühl. Später, als ich besser Deutsch konnte, ist alles besser geworden. Ich konnte nicht eine ganze Geschichte auf Deutsch erzählen. Heute kann ich das.
Endlich arbeiten
April 2016 habe ich meine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre bekommen. Ich war sehr froh. Jetzt darf ich endlich arbeiten, eine Wohnung suchen und alles Mögliche hier machen. Aber leider das war schwerer als ich dachte. Zuerst habe ich bei Kentucky Fried Chicken gearbeitet. Ich hatte schon A1-Niveau, allerdings konnte ich die Kunden nicht immer gut verstehen. Ich habe damals im Deutschkurs gelernt entweder "möchte" oder "will". Wenn der Kunde gesagt hat: "I hätt gern", habe ich das nicht verstanden. Ich habe zwar ein wenig Hochdeutsch gesprochen, aber trotzdem konnte ich kein Fränkisch. Das ist fast eine eigene Sprache. Die lernt man aber nicht im Deutschkurs.
Deswegen habe ich immer überall Möglichkeiten gesucht, wo ich Deutsch sprechen kann. Aber trotzdem war es immer schwer, weil der Kontakt mit Leuten war schwierig, weil manche haben Angst etwas falsch zu machen mit Ausländern, weil sie nicht viel kennen über die fremde Kultur. Das ist mir häufig passiert. Anders herum ist es auch passiert, dass ich Angst hatte, etwas falsch zu machen, was in deutscher Kultur schlecht ist. Deswegen habe ich immer lieber viel nachgefragt.
Für Arbeit war meine Sprache immer noch nicht genug. Und für eine Wohnung war schwierig, weil es gab wenige Wohnungen. Und davon wenige Wohnungen für Flüchtlinge. Wohnung oder ein eigenes Zimmer war ein wichtiges Ziel für mich, weil ich in eine Unterkunft gewohnt habe. Wir waren sechs Leute in ein Zimmer, die Küche und die Toilette waren für das ganze Obergeschoss. Nach einem Jahr habe ich eine Arbeit und eine Wohnung gefunden. Das war 1. Mai 2017.
Ich unterstütze im Freiwilligen-Zentrum
Yasser liest seine selbst geschriebene Geschichte aus dem Buch „Ankommen in Fürth. Ein Schreibprojekt mit Geflüchteten” vor.Freiwilligen-Zentrum Fürth
Meine Arbeit im Freiwilligen Zentrum war zwischen deutschen Leuten und Flüchtlingen. Das war gut für mich, weil ich immer Interesse an fremder Kultur gehabt habe. In meiner Arbeit beim FZF habe ich viele Leute getroffen; Kollegen und Freiwillige. In Arbeit habe ich auch verschiedene Fortbildungen gemacht und Leute von anderen Städten kennengelernt und Erfahrungen gesammelt. Im FZF, wenn man eine Idee hat, kann man, wenn es ist möglich, die Idee verwirklichen. Beispielsweise spiele ich gerne Tischtennis. Dann habe ich die Idee gehabt, dass ich einmal in der Woche in einer Flüchtlingsunterkunft, wo ein Sportraum ist, ein Tischtennis-Treffen mache.
In Syrien habe ich nicht viel Tischtennis gespielt. Aber in dem Camp, bevor ich nach Fürth gekommen bin, habe ich drei Monate jeden Tag Tischtennis gespielt und mich sehr verbessert; es gab nichts anderes zu tun. Danach bin ich nach Fürth umgezogen und hatte ich nicht viel Möglichkeit, Tischtennis zu spielen. Deshalb habe ich dieses Tischtennis-Treffen im FZF vorgeschlagen. Das Treffen gibt es bis jetzt immer noch. Für alle Leute, auch für Deutsche, Nachbarn, alle, die kommen wollen. Man muss nicht sehr gut spielen können. Es geht auch um Spaß und Treffen. Nun kann ich auch wieder Tischtennis spielen. Neben meiner Arbeit habe ich B2- und C1-Kurs gemacht. Meine Arbeit hat mir viel geholfen, meine Sprache zu verbessern. Ich habe immer die Möglichkeit, Deutsch zu sprechen, im Gegensatz zu meinen Freunden, die nur im Kurs Deutsch gelernt haben. Viele Flüchtlinge haben wenig Kontakt mit Deutschen in Arbeit und Freizeit. Jedoch kann man Sprache nicht nur in der Schule lernen, sondern muss man auch üben. Beispielsweise habe ich von meiner Kollegin gelernt: "Lass uns einen drauf machen und Geld auf den Kopf hauen." Das lernt man nicht in der Schule.
Sorge um meinen Bruder
In Syrien habe ich BWL studiert. Allerdings habe ich wegen des Krieges keinen Abschluss. Mein Grund, nach Deutschland zu kommen, war, dass ich hier mein Studium beenden kann. Dafür brauche ich sehr gutes Niveau für Deutschkenntnisse. Das ist C1. Das war eine Herausforderung für mich. Es war nicht einfach, in zwei Jahren in Deutschland sehr gut Deutsch zu beherrschen. Allerdings musste ich das Zertifikat erhalten, damit ich an der Uni studieren darf. Mit Hilfe von Heidi und anderen Freunden habe ich es geschafft. Im August 2018 habe ich an der FAU die Zulassung und einen Studienplatz bekommen. Jetzt fange ich im Oktober an zu studieren. Wenn meine Module von der Universität Damaskus anerkannt werden, dann darf ich ab 5. Semester studieren. Mein Wunsch ist nicht nur Bachelor sondern Master und dann eine Arbeit im Bereich Management finden. Ich bin jetzt zufrieden und habe Hoffnung, dass meine Zukunft besser wird.
Jedoch habe ich Sorge um die Zukunft meines Bruders. Mein Bruder hat auch versucht, nach Deutschland zu kommen. Allerdings hat er es nicht geschafft. Die Soldaten haben ihn in Griechenland zurück nach Türkei gebracht. Die türkischen Soldaten haben ihn illegal zurück nach Syrien gebracht. Dann hat er mit einem Schlepper geschafft, dass er wieder in die Türkei gekommen ist, weil er in Syrien in sehr großer Gefahr ist. Mein Bruder hat Informatik in Damaskus studiert, aber er konnte auch nicht das Studium abschließen. Deswegen wollte er auch nach Deutschland kommen.
Er arbeitet jetzt ohne Vertrag als Kellner in einem Restaurant in der Türkei. Er ist nicht sicher dort, weil er gezwungen wurde, ein Einreiseverbot zu unterschreiben, dass er fünf Jahre nicht in der Türkei bleiben darf. Wenn die Polizei ihn sieht, bringen sie ihn zurück nach Syrien. Ich hoffe, dass es bald ihm besser geht und er seine Ziele erreichen kann, wie ich meine Ziele erreicht habe, wie Freiheit, Studium, Kontakte und Arbeit. Meine Arbeit war auch gut für mich, weil ich viele Beratungsgespräche mit Flüchtlingen gemacht habe, um herauszufinden, wofür sie sich interessieren, und begleite sie erstmals zu ihren Einsatzstellen, zum Beispiel ein Verein, ein Seniorenheim oder ein Kindergarten. Dabei habe ich den Flüchtlingen geholfen, Deutsch zu sprechen.
Fränkisch war schwer zu verstehen
Aber trotzdem habe ich das Problem gehabt, dass manche Kollegen und Freiwillige mit mir Fränkisch gesprochen haben. Ich habe manche fränkische Wörter gelernt: "Das ist Wurscht." "Almächd!" und "Hock dich hin und lass uns vespern." Das ist "ned einfach", aber das hat mir geholfen, die Leute "jetzadla" auf der Straße besser zu verstehen. Ich war in meiner Arbeit ein Brückenbauer zwischen zwei ganz verschiedenen Kulturen: Arabisch und Deutsch. Diese Arbeit war für mich ein wichtiger Schritt, weil ich viel Erfahrung habe mit den Unterschieden zwischen arabischer und deutscher Kultur. Man lernt von seinen Fehlern.
1. Beispiel: Einladung
Ich wurde von einer Deutschen zum Essen eingeladen. Ich habe erstmal abgelehnt, aus Höflichkeit. Sie hat "Okay" gesagt und mich nicht wieder gefragt. Und dann habe ich die Einladung verloren, aber eigentlich wollte ich gerne. Bei uns lehnt man zweimal ab, bevor er ja sagt. Das ist bei uns höflich, dass man nicht sofort "ja" sagt. Bei uns wäre es aber höflich trotz Antwort "nein" mehrmals zu fragen. Aber in Deutschland antwortet man sofort entweder "ja," wenn er Zeit hat, oder "nein". Bei "nein" wird sofort akzeptiert. Seit ich das weiß, sage ich zu einer Einladung sofort ja.
2. Beispiel: Einkaufen
Bei uns, die Verkäufer sind meistens die Besitzer von den Geschäften. Darum ist persönliche Beziehung zu Kunden wichtig und gibt Vorteile für beide. Und normalerweise der Kunde führt ein höfliches Gespräch mit Verkäufer, damit es eine gute Stimmung gibt und dann der Verkäufer gibt dem Kunden ein Angebot. Ich war mit einem Freund in einem Kleidungsgeschäft und dann hat er mit dem Verkäufer gesprochen: "Wie geht es dein Bruder? Heute gibt es viele Leute? Viel Arbeit? Viel Mühe, oh!" Und der Verkäufer hat gelacht und geantwortet. Und dann sagt mein Freund, wenn du einen schönen Preis für mich machst, hole ich alle meine Freunde und sie kaufen von dir. Der Verkäufer und ich haben viel gelacht. Auch bei einem arabischen Geschäft, wenn man möchte zahlen, sagt der Verkäufer: "Lass mich zahlen, du sollst nicht zahlen." Und dann sagt der arabische Kunde: "Nein, ich muss zahlen. Danke." Das ist arabische Höflichkeit. Wenn ein deutscher Kunde das hören würde, dann würde er gehen, ohne zu zahlen.
3. Beispiel: Terminkalender
Ein deutscher Freund hat mich gefragt, dass er Hilfe bei Umzug braucht. Ein Monat zuvor. Aber bei arabische Leute ein Monat vorher geht nicht. Ein paar Tage vorher, ja. Als ich in Syrien war und meine Familie musste in eine andere Wohnung umziehen, hat mein Vater am gleichen Tag gesagt, dass wir heute Abend umziehen müssen. Da habe ich einfach in der Nachbarschaft zehn Freunde aufgerufen und wir haben den Umzug geschafft. In Syrien macht man meistens alles ohne Kalender, aber Kalender in Deutschland ist sehr wichtig. Weil man viele Verabredungen lange Zeit vorher macht. In Syrien plant man nicht einen Monat vorher. Ich bin der einzige Mann von meine arabischen Freunde hier, der einen Terminkalender hat.
4. Beispiel: Begrüßen
Bei uns in Syrien begrüßt man die Freunde, die Männer sind, mit Hände und sie küssen einander. Männer, die fremd sind, mit Hand. Männer und Frauen begrüßen sich mit Hände oder Verbeugung. Frauen begrüßen sich mit etwa 100 Küssen. Doch ich wusste nicht, wenn ich deutsche Leute treffe, wie ich sie begrüßen soll. Einmal habe ich einen deutschen Bekannten getroffen und wir haben umarmt und ich wollte ihn aus Gewohnheit küssen. Und er hat sich erschreckt gefühlt. Dann habe ich bemerkt, dass ist hier sehr falsch. In Deutschland begrüßt man Freunde mit Umarmen, egal ob Männer oder Frauen. Fremden Männern und Frauen gibt man Hände, aber Männer küssen sich nie.
5. Beispiel: Kartenspielen
Wir haben mit deutschen und arabischen Leuten eine Gruppe für Kartenspielen. Es gibt ein Spiel, da muss man als Strafe die Karten aus der Mitte nehmen. Das nennt man in arabisch "akal", das heißt übersetzt "essen". Wenn ich die Karten von einem anderen nehmen muss, sagt er, er "füttert" mich. Einmal habe ich gesagt: "Oh, ich habe diese Runde alle Damen gegessen." Dann haben die deutschen Freunde, vor allem die Frauen, sehr gewundert und gefragt: "Was hast du gemacht?" Dann habe ich gemerkt, dass die Übersetzung auf Deutsch nicht passt.
Autor: Yasser
Yasser kommt aus Syrien. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Text stammt aus dem Buch "Ankommen in Fürth", Herausgeberin Heidemarie Glöckner, Freiwilligen-Zentrum Fürth, 2018.