Der Bezirk Schwaben hat sie gleichsam "befördert" und für eigenständig erklärt. Diese "Aufwertung" spiegelt sich auch in der Stellenbesetzung wider. Die Caritas-Suchtfachambulanz in Aichach hat nun zwei Vollzeitstellen für SozialpädagogInnen und eine Diplom-PsychologIn. Die zwei Vollzeitstellen teilen sich in Aichach drei Diplom-Sozialpädagoginnen, Monika Heitzinger-Furchner, Elisabeth Pauli und als jüngster Zuwachs Kerstin Kastenhofer.
"Wir sind dankbar für diese Entwicklung", so Heitzinger-Furchner, die nunmehr schon seit fast 20 Jahren
dort arbeitet und nun die Leitung des Dienstes übernommen hat. "Die beiden Orte Schwabmünchen und Aichach liegen sehr weit auseinander. So sparen wir uns jetzt viele Kilometer. Und für die Klienten ist damit die Struktur nun klarer." Gespräche mit Ärzten, Psychologen, Krankenhäusern und anderen Partnern in der Suchthilfe vor Ort könnten zudem nun viel unkomplizierter organisiert und geführt werden.
Zwar gibt es noch den klassischen alkoholkranken Menschen, der zehn Halbe Bier am Tag trinkt, keine anderen Suchtmittel zu sich nimmt und ansonsten anderweitig sozial nicht auffällt. "Doch seit ein paar Jahren kommen andere Suchtformen hinzu", sagt Heitzinger-Furchners Kollegin Pauli. Auch sie arbeitet schon fast 20 Jahre als Diplom-Sozialpädagogin in der Suchtarbeit in Aichach. Immer mehr nehmen Drogen wie Cannabis oder aufputschende Amphetamine, darunter auch die "Badesalze" bzw. "Legal Highs". Hinzu kommt die wachsende Zahl von Glücksspielern, die sich an Glückspielautomaten, Sportwetten oder dem Pokern verloren haben. Medienabhängigkeit und Computerspielsucht sind ebenfalls neue jüngere Arbeitsfelder. Auch Essstörungen sind Teil des vielschichtigen Aufgabenfeldes der Suchtfachambulanz. Das schlägt sich auch in der Arbeit der Berater der Suchtfachambulanz nieder. Pauli: "Wir müssen ständig dazu lernen, damit wir wissen, wovon die Klienten reden."
Der Alkohol hat nach wie vor seinen festen Platz. Schnell trinkt man "etwas" in Gesellschaft, im Verein, bei Partys, bei Geburtstagsfeiern oder bei Sportfesten. Oder auch am Abend zuhause, um Stress abzubauen. Man gewöhnt sich daran. Und aus der Gewöhnung wird Abhängigkeit. "Das ist die klassische Entwicklung", so Heitzinger-Furchner. "Jetzt aber kommt der Drang hinzu, möglichst lange gut drauf sein, möglichst lange feiern zu können." Dadurch kommen die aufputschenden Amphetamine in allen ihren Varianten ins Spiel. Es entsteht eine "Politoxikomanie", eine Mehrfachabhängigkeit.
Insbesondere jüngere Männer neigen dazu. Eine Einsicht in das, was sie tun, führt sie nicht zur Suchtfachambulanz. "Sie kommen erst zu uns, wenn etwas passiert ist." Sie hatten Ärger mit der Polizei, verursachten einen Unfall, mussten ihren Führerschein abgeben oder haben in ihrem Rausch Körperverletzung begangen. Die Gerichte machen ihnen zur Bewährungsauflage zur Suchtfachambulanz zu gehen. "Aichach macht da keine Ausnahme, im Gegenteil Aichach hat eine florierende Drogenszene", sagt Heitzinger-Furchner. "Man erhält hier jeden Stoff."
Ob von Alkohol oder anderen Drogen abhängig bzw. mehrfach durch Mischkonsum abhängig - die Beratung erfolgt immer nach einem ähnlichen Prinzip. "Unser Ziel ist es, beim Klienten die Bereitschaft herzustellen, sich verändern zu wollen", erklärt Pauli. Das sei bei den aufputschenden Amphetaminen zunächst einmal nicht so einfach. Das "Highlight-Gefühl" fehle auf einmal, wenn man abstinent ist. Man kann auf einmal nicht mehr drei Tage durchhalten und jede Nacht feiern. Das Leben erscheine deshalb den Klienten auf einmal langweiliger und gleichförmiger. "Ein Selbstgespräch des Betroffenen mit sich selbst hilft da wirklich nicht mehr." Im Beratungsgespräch könne erst der Raum geschaffen werden, wo Reflexion stattfindet. Da die Beraterinnen keinem persönlichen Beziehungsnetz der Klienten angehören, auch Eltern oder Angehörige von den Gesprächsinhalten nichts erfahren und auch wie gesetzlich vorgeschrieben nichts erfahren dürfen, "öffnen sich die Klienten und fangen an, sich ihrem Problem wirklich zu stellen."
Für die Diplom-Psychologin Regina Beer ist nicht nur der Trend zum Mischkonsum von Suchtmitteln das Problem. Sie beobachtet gemeinsam mit ihren Kolleginnen eine zunehmende Häufigkeit von Komorbidität. D.h. immer häufiger besteht neben der Grunderkrankung der Suchtabhängigkeit eine Begleiterkrankung. Diese kann in der Persönlichkeitsstruktur der Person begründet sein. Menschen, die dem Druck des Arbeitslebens, des Wetteiferns mit Kollegen oder im Freundeskreis nicht mehr aus eigener Kraft widerstehen können, greifen zu Suchtstoffen, um ihren Lebensrhythmus unterstützen zu können.
Wenn auch Heitzinger-Furchner, Pauli und Beer mit ihrer neuen Kollegin Kastenhofer die Entwicklung sehr besorgt verfolgen, in einem Punkt können sie sich freuen. "Gott sei Dank betrachtet man in unserer Gesellschaft eine Suchterkrankung nicht mehr als persönliche Schwäche, sondern als eine echte Erkrankung", so Heitzinger-Furchner. Das Vertrauen und das Zutrauen zur Arbeit der Suchtfachambulanz seien deutlich in den vergangenen Jahren gewachsen.
Sie verstärkt die Aichacher Suchtfachambulanz
Die Diplom-Sozialpädagogin Kerstin Kastenhofer verstärkt das Team der Suchtfachambulanz des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e. V. in Aichach. Noch sind es nur 14 Stunden pro Woche, ab dem 1. Juli wird ihre Stelle auf 28 Stunden aufgestockt. Sie ist keine Fremde, eigentlich eine "Rückkehrerin" in ihren Heimatlandkreis Aichach-Friedberg. Die heute 41-jährige Mutter stammt aus Aindling, wo sie auch lebt. Auch hat sie schon seit vielen Jahren für die Caritas zunächst beim Sozialpsychiatrischen Dienst in Schwabmünchen und dann in der Spielsuchtberatung in Donauwörth gearbeitet. Zusätzlich zu ihrer sozialpädagogischen Ausbildung ist sie Atemtherapeutin und systemische Familientherapeutin.