Mehr Drogentote: "Opiate nehmen an Bedeutung zu"
Laut BKA ist im vergangenen Jahr die Zahl der Drogentoten um 18,8 Prozent auf 1226 gestiegen. Was könnten Gründe sein?
Das ist in der Tat besorgniserregend, weil wir lange Zeit eine Stagnation hatten. In den letzten vier Jahren gab es einen Anstieg, jetzt noch mal einen sprunghaften. Die Frage nach den Ursachen ist nicht einfach zu beantworten und muss jeweils fallbezogen betrachtet werden, aber es heißt, dass etwa 60, 65 Prozent auf Opiate/Opioide und Mischkonsum zurückgehen.
Also zum Beispiel auf eine Überdosis Heroin …
... oder eine chemische Verunreinigung von Substanzen. Die Polizei spricht andererseits davon, dass es zurzeit einen ungewöhnlich hohen Reinheitsgrad bei Heroin gibt, was Überdosierungen begünstigt.
Wobei die Drogentoten nicht so eindeutig im Zusammenhang mit steigenden Konsumentenzahlen stehen. Die Zahl der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen ist 2015 "nur" um vier Prozent gestiegen. Von denen beträgt der Anteil der Heroinabhängigen 15 Prozent. Aber Tatsache ist, dass der Konsum ansteigt. Und wir schauen natürlich nicht nur auf Deutschland, sondern wir wissen, dass etwa die Zahlen in den USA dramatisch sind (plus 30 Prozent Heroinkonsumierende), und auch in Russland sind die Opiate in Form von Heroin wieder stark auf dem Vormarsch. In den USA glaubt man, dass die hohe Verbreitung opiathaltiger Schmerzmittel ein Auslöser ist, aber da ist noch einiges an Ursachenforschung nötig. Auch neue Vertriebswege über das Internet sollen eine Rolle spielen.
In früher von vielen Todesfällen betroffenen Großstädten wie Hamburg ist die Quote seit Anfang der 90er-Jahre gesunken, heute ist Nürnberg die deutsche Stadt mit den meisten Drogentoten pro Einwohner. Wie erklärt man sich das?
In Bayern besteht eine Besonderheit: Es gibt ja im Bereich des erfolgreichen Bekämpfens von Drogennotfällen die Prinzipien von "Harm Reduction" - Schadensverminderung - oder "Safer Use". Dahinter verbergen sich zum Beispiel Konsumräume. Die sind in Bayern verboten. Das ist aber nur eine mögliche Ursache, auf die Experten hinweisen. Ich habe kürzlich das Drogen-Notfallzentrum der Caritas Frankfurt besucht. Die Mitarbeitenden sagen ganz klar: Unser Hauptgeschäft ist es, Drogennotfälle aufzufangen, die wir in diesen Räumen haben. Ärzte sind hier sehr schnell vor Ort. Gibt es keine Konsumräume, liegt es nahe, dass Menschen dort konsumieren, wo kein Arzt zugegen ist - mit entsprechendem Risiko. Aber es passiert ja nicht nur in Bayern, sondern auch anderswo. Nur dort halt deutlich öfter.
Gehen die Todesfälle durch Drogensubstitution zurück?
Es gibt eine Korrelation. Wenn es gelingt, Substitution flächendeckend einzusetzen, ist das eine Möglichkeit. Aber auch über Substitution mit Beikonsum ist natürlich die Gefahr einer chemischen Verunreinigung oder einer Überdosierung gegeben. Die Gefahr lässt sich aber grundsätzlich abmildern, und da besteht die Verbindung zu den Konsumräumen: Wo ich Kontakt schaffe zu Menschen, die konsumieren, habe ich eher die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Haben die Menschen keinen Bezug zum Hilfesystem, ist das Risiko deutlich höher.
Also wird Notfällen durch Niedrigschwelligkeit vorgebeugt?
Mit Sicherheit. Da ist die Caritas ja ganz stark, da setzen wir auch sehr drauf - nicht im Sinne der "totalen Akzeptanz", sondern, indem wir sagen: Es gibt diese Situation; die haben wir zunächst mal nicht zu bewerten. Sondern wir haben die Fakten festzustellen, und darauf müssen wir reagieren. Ich kann dann reagieren und andere Angebote machen, wenn ich Kontakt habe. Und einen Kontakt kann ich schaffen, wenn ich sage: Hier hast du deinen Platz, hier wirst du nicht bewertet, hier kannst du kommen, wie du willst. Es gibt Regeln: Gewalt und Dealen sind außen vor, aber du kannst hier konsumieren. - Es gibt auch andere Drogentote: Der Anteil von Crystal-Meth-Toten ist um 26 Prozent gestiegen. Es gibt Mischformen - die wenigsten Leute konsumieren nur eine Substanz -, da wissen wir aber relativ wenig. Auch der Aspekt des Alters fließt mit ein. Insbesondere die Heroinabhängigen werden älter, das heißt, sie nehmen ihre kumulierten gesundheitlichen Probleme mit. Deswegen liegt der Gedanke nahe, dass manche von ihnen sterben, die jetzt einfach älter sind. Und: Was in der Statistik auftaucht, ist das, was polizeiauffällig wird. Wenn jemand langjährig konsumiert und im Krankenhaus stirbt, taucht er in keiner Statistik auf.
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