Unser Platz in der Welt von morgen
Die Caritas hat 2014 einen intensiven Dialogprozess durchlaufen. Auslösend für die Durchführung dieses "Zukunftsdialogs Caritas 2020" waren zahlreiche Faktoren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass unterschiedliche Fragestellungen im Rahmen dieses Zukunftsdialogs an unterschiedlichen Orten diskutiert wurden. So gab es neben sechs regionalen Workshops einen Fachtag zur theologischen Reflexion darüber, was Einrichtungen der Caritas zur Kirche vor Ort werden lassen.1 Ein weiterer Fachtag unter Federführung der Caritaskommission der Deutschen Bischofskonferenz nahm sich dem Eindruck einer expandierenden Caritas bei rückläufigen Mitgliederzahlen der Kirche an und fragte vor diesem Hintergrund nach dem Profil der Caritas. Und darüber hinaus fand noch ein Fachtag zum Anliegen von Papst Franziskus statt: Arme Kirche für die Armen - was heißt das für die Caritas?2
Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit
Anwalt, Solidaritätsstifter und Dienstleister - das sind die Stichworte, mit denen der Deutsche Caritasverband (DCV) heute seinen Auftrag umschreibt. Dass zwischen diesen Optionen Spannungen auftreten können, liegt auf der Hand. Die Anwaltschaftlichkeit für Menschen, die von unterschiedlichen Problemlagen betroffen sind, kann durchaus zu Konflikten mit unternehmerischen Gesichtspunkten führen, die ein Dienstleister im Hilfesystem zu berücksichtigen hat. Die Delegiertenversammlung des DCV hat vor diesem Hintergrund im Jahr 2008 "Leitlinien für unternehmerisches Handeln der Caritas"3 verabschiedet. Die Verankerung der wirtschaftlichen Aufsicht und der Transparenz nach innen und außen stellt einen zentralen Punkt dieser Leitlinien dar.
Glaubwürdigkeit und Transparenz
Wie sehr die Glaubwürdigkeit katholischer Institutionen mit der Forderung nach Transparenz verknüpft ist, haben die Diskussionen um die Vorgänge im Bistum Limburg und in der Folge um die Finanzen der Bischöflichen Stühle eindringlich gezeigt. Auch der erschreckend tiefe Fall der sogenannten Gelben Engel des ADAC macht deutlich, wie gefährdet die Kategorie Vertrauen ist. Anspruch an alle Rechtsträger muss es deshalb sein, funktionierende Aufsichts- und Kontrollstrukturen zu schaffen und die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Instrumente einschließlich eines Risikomanagementsystems einzurichten. Die Bewusstseinsbildung dafür und die fachliche Beratung beim Aufbau von effektiven Aufsichtsstrukturen sowie die Qualifizierung der Ehrenamtlichen in den Aufsichtsgremien sind wichtige Aufgaben für die Unternehmen in der Caritas. Dies wird auch von den gemeinsamen Transparenzrichtlinien von Caritas und Diakonie4 sowie von der überarbeiteten Arbeitshilfe 182 "Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und Aufsicht" der Deutschen Bischofskonferenz5 unterstützt und eingefordert.
Überlebensfaktor Personal
Dass die demografische Uhr tickt, belegen allein folgende Zahlen: Im Jahr 1999 waren 12,2 Prozent der Pflegekräfte über 50 Jahre alt, 2009 betrug ihr Anteil bereits 23,9 Prozent - Tendenz steigend. Im Jahr 2010 war bereits jede vierte Arbeitskraft 50 Jahre und älter. 2020 wird es jede dritte Arbeitskraft sein. Dann stehen 13 Millionen ältere Beschäftigte 7,6 Millionen unter 30 Jahren gegenüber. Die Sozial- und die Gesundheitswirtschaft gelten als Wachstumsfelder, da die Nachfrage nach personengebundenen Dienstleistungen aufgrund der Alterung der Gesellschaft stark anwachsen wird. Es wird also künftig noch mehr qualifiziertes Personal als heute benötigt, während andererseits das Arbeitskräfteangebot sinkt, weil immer weniger Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Jungen werden weniger. Die Belegschaften altern. Die Ressource "Personal" wird vor diesem Hintergrund auch zum zentralen Überlebensfaktor für die Arbeit von Einrichtungen und Diensten im Sozialbereich wie der Caritas.
Die Arbeitsbedingungen sind deshalb so zu gestalten, dass Mitarbeitende gerne in einer kirchlichen Einrichtung arbeiten, weil ihnen dort positiv begegnet wird und sie Möglichkeiten finden, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Eine den Aufgaben und der Verantwortung angemessene Entlohnung und die dazu notwendige Finanzierung durch die Kostenträger gehören genauso dazu wie die schon genannten betriebswirtschaftlichen Instrumente einer transparenten und glaubwürdigen Unternehmensführung. Auch wenn sich die Entlohnung im Bereich der Caritas im Vergleich mit anderen Sozialunternehmen sehen lassen kann - das Image, dass die Lohnfindung über den Dritten Weg zum Nachteil für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führt, lastet schwer auf uns.
Wichtig ist, und das galt eigentlich schon immer, dass eine wertschätzende Personalpolitik gegenüber den Mitarbeitenden "Chefsache" ist. Weder die unmittelbaren Vorgesetzten in den Arbeitsbereichen noch die Personalleitungen können das Engagement der Einrichtungs- oder Trägerleitungen ersetzen.
Katholisches Profil und die Grundordnung
Seit 1993 gilt für die Kirche und ihre Caritas die sogenannte "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse". Diese differenziert in der Einhaltung von Loyalitätsobliegenheiten zwischen katholischen, nichtkatholischen und nichtchristlichen Mitarbeitenden. Während von nichtchristlichen Mitarbeitenden nur die Arbeitspflicht "im Sinne der Kirche" eingefordert wird, wird von nichtkatholischen Mitarbeitenden erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten. Darüber hinaus sollen sie dazu beitragen, dass diese Wahrheiten und Werte in der Einrichtung zur Geltung kommen.
Im April 2014 haben die Deutschen Bischöfe das in einem langen Prozess erarbeitete Wort "Das katholische Profil caritativer Dienste und Einrichtungen in der pluralen Gesellschaft"6 der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit diesem Wort greifen die Bischöfe die bestehende Praxis der Beschäftigung von nichtchristlichen Mitarbeitenden auf und benennen einen Rahmen, der für Träger und Leitungsverantwortliche eine gute Orientierung darstellt und zur Klarheit beiträgt. Zu begrüßen ist, dass die Bischöfe den Anspruch eines katholischen Profils in den Einrichtungen und Diensten der Caritas benennen und gleichzeitig den Raum dafür öffnen, verantwortlich mit der Frage der Beschäftigung nichtchristlicher Mitarbeitender umzugehen - sei es der Klienten, der demografischen Entwicklung oder auch des interreligiösen Dialoges wegen.
Theologisch-spirituelle Kompetenzen
Für katholische Mitarbeitende unterscheidet die Grundordnung nach wie vor zwischen unterschiedlichen Anforderungsgruppen. Während für alle katholischen Mitarbeitenden gilt, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und ihnen nicht zuwiderhandeln, gelten insbesondere für Personen, die im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst tätig sind oder die eine leitende Funktion ausüben, dass sie auch mit ihrem persönliche Leben den Glauben der Kirche zu bezeugen haben. In der Praxis ist das häufig die Frage nach dem Umgang mit der Lebensrealität "geschieden wiederverheiratet", die dienstrechtliche Fragen aufkommen lässt (siehe dazu auch die Beiträge auf S. 13ff. und S. 16ff.).
Als kirchliche Organisationen sind die Einrichtungen und Dienste der Caritas in den Wertehorizont des christlichen Glaubens und der Kirche sowie ihre rechtlichen Vorgaben eingebunden. "Wer [jedoch] im Namen der Kirche karitativ wirkt, wird niemals dem anderen den Glauben der Kirche aufzudrängen versuchen" (31), so der emeritierte Papst Benedikt in seiner ersten Enzyklika "Deus caritas est". Denn er weiß, "dass die Liebe in ihrer Reinheit und Absichtslosigkeit das beste Zeugnis für den Gott ist, dem wir glauben und der uns zur Liebe treibt." (31) Diese Aufforderung zu einem absichtslosen Handeln ist mehr als ein frommes Wort. "[Denn] Aufgabe der karitativen Organisationen der Kirche ist es, dieses Bewusstsein in ihren Vertretern zu kräftigen, so dass sie durch ihr Tun wie durch ihr Reden, ihr Schweigen, ihr Beispiel glaubwürdige Zeugen Christi werden." (31)
So ist es eine Führungsaufgabe, spirituelle Angebote zu organisieren und sicherzustellen. Deshalb gehört für mich die Stärkung der spirituellen Kompetenz in jede Führungskräfteentwicklung. Und die Diözesan-Caritasverbände haben aus meiner Sicht die Aufgabe, die Einrichtungen und Dienste der Caritas darin zu unterstützen, christliche Spiritualität zu gestalten und die Kompetenzen dafür zu entwickeln. Hierfür gibt es hervorragende Praxismodelle, die dazu anregen, voneinander zu lernen.
Eine Einrichtung der Caritas zeigt ihr kirchliches Profil nicht einfach durch fromme Bilder, Kreuze und Weihnachtskrippen. Dieses Profil wird auch nicht dadurch sichtbar, dass es an Einzelne delegiert wird. Und es verwundert nicht, wenn sich Mitarbeitende gegen das Ansinnen sperren, sie sollten durch persönliche Frömmigkeit und Religiosität ausgleichen, was an struktureller Spiritualität der jeweiligen Einrichtung möglicherweise fehlt.
Vor diesem Hintergrund sind die "Rahmenbedingungen einer christlichen Unternehmenskultur in Caritas und Diakonie" aus dem Jahr 2010 zu sehen. Hier werden im Kapitel "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" ausführlich die Einführung neuer Mitarbeitenden erwähnt, Fort- und Weiterbildung als wesentliche Formen der Personal- und Organisationsentwicklung sowie religiöse Angebote zur Stärkung der seelsorgerlichen und spirituellen Kompetenzen. Darauf haben die Mitarbeitenden einen Anspruch.
Eingebettet in eine christliche Unternehmenskultur kann man sich dann mit größerer Gelassenheit der Frage nähern, ob Mitarbeitende in der Caritas zwingend christlich oder katholisch sein müssen. Nicht die Zahl weniger werdender Katholiken wird aus solcher Blickrichtung heraus also ein Argument dafür sein können, dass die Caritas kleiner werden müsse. Vielmehr wird die Frage der Zukunft einer Caritas der Kirche daran hängen, ob wir auf Dauer genügend Mitarbeitende finden werden, die sowohl Herzenswärme und Barmherzigkeit als auch hohe Fachlichkeit aufweisen.
Ein Krankenhaus, eine Pflegeeinrichtung oder eine Beratungsstelle sind letztlich dann christlich oder katholisch, wenn die hilfesuchenden Menschen an der Atmosphäre in der Einrichtung und in der Begegnung mit den Mitarbeitenden spüren, dass diese aus einer christlichen Grundhaltung heraus die Menschen mit all ihren Grenzen und Möglichkeiten annehmen und sie so etwas von einem menschenfreundlichen Gott erahnen lassen - vielleicht oft weniger im Wort als in der Tat. Führungskräfte aber müssen dafür qualifiziert werden, eine Kultur zu gestalten und weiterzuentwickeln, in der Mitarbeitende etwas von Gottes Zuwendung selbst erfahren können und so die Chance bekommen, nach dem Glauben zu fragen, der ihnen bisher vielleicht verborgen war. Letztendlich brauchen die Verantwortlichen aber auch das Vertrauen unserer Kirche, dass sie im Dienst der biblischen Botschaft und Sendung stehen. Statt erhobenem Zeigefinger ist Ermutigung und Wertschätzung gefragt.
Anmerkungen
1. Mehr dazu in: neue caritas Heft 10/2014, S. 9-18.
2. Ausführlich können Sie sich zum Zukunftsdialog und den weiteren Verlauf unter www.caritas.de/2020 informieren.
3. Vgl. Deutscher Caritasverband: Leitlinien für unternehmerisches Handeln der Caritas. In: neue caritas Heft 20/2008, S. 31-39.
4. "Transparenzstandards für Caritas und Diakonie" siehe: www.caritas.de/fuerprofis/presse/stellungnahmen/11-30-2010-transparenzstandards-von-caritas-und-diakonie?searchterm=Transparenzstandards
5. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und Aufsicht. 3., völlig überarbeitete Auflage, Bonn, 2014 (Arbeitshilfen182).
6. Siehe auch: Interview mit Johannes Stücker-Brüning. In: neue caritas Heft 17/2014, S. 27.
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