Auch Nächstenliebe braucht Nachhaltigkeit
Auftrag der apostolischen Ordensgemeinschaften ist es vor allem, den Nächsten in Herausforderungen ihres Lebens beizustehen. Zur Erfüllung dieses Auftrags unterhalten Ordensgemeinschaften sogenannte Werke (wie zum Beispiel Krankenhäuser, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen, Schulen, Erholungsheime, Bildungseinrichtungen etc.).
Daneben ist es Aufgabe aller Ordensgemeinschaften, für die Altersversorgung und für den Krankheits- und Pflegefall ihrer Mitglieder aufzukommen.1
Insofern unterliegen Ordensgemeinschaften dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, um ihrem Auftrag dauerhaft gerecht werden zu können. Dabei stehen sie mit ihren Werken im Wettbewerb mit weltlichen Trägern.
Die Situation der Ordensgemeinschaften in Deutschland ist geprägt durch einen stetig steigenden Altersdurchschnitt sowie einen deutlichen Mitgliederschwund.
Diese Entwicklung hat eine starke Ausstrahlung auf die wirtschaftliche Situation der Ordensgemeinschaften. Diese wird insbesondere durch folgende Komponenten bestimmt:
- rückläufige Einnahmen aus Gestellungen, wie zum Beispiel aus der Tätigkeit als Kranken-/Altenpfleger(in) oder als Erzieher(in),
- rückläufige Einnahmen aus Finanz- und Geldanlagen,
- verschärfte Rahmenbedingungen zur Finanzierung der caritativen Werke,
- deutlicher Anstieg der Aufwendungen für die Pflege der ordenseigenen Mitglieder.
Aufgrund dieser Entwicklung ist es auch für Ordensgemeinschaften notwendig, betriebswirtschaftliche Methoden anzuwenden, um auch zukünftig die Erfüllung ihres jeweiligen Auftrages sicherzustellen.
Letztlich geht es primär um die Fragen, wie lange sich die Werke noch unterhalten lassen, wie lange die Gemeinschaft in unveränderter Struktur tätig sein kann, ohne die benötigte Liquidität für die Alterssicherung der Mitglieder zu gefährden. So mahnt bereits die Verlautbarung Nr. 198 des Apostolischen Stuhles "Richtlinien für die Verwaltung der kirchlichen Güter der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens" die Implementierung von Planungsrechnungen und angemessenen Überwachungssystemen an, "um zukünftig entstehenden Problemen so weit wie möglich vorzubeugen beziehungsweise diese bewältigen zu können, solange sie noch lösbar sind".
Hierzu bieten sich die strategische Finanzplanung als integriertes System der Aufwands- und Ertragsplanung sowie daraus abgeleitet die Erstellung von Planbilanzen sowie Liquiditäts- und Kapazitätsplanungen an. Der Ansatz und die Vorgehensweise werden nachfolgend dargestellt. Dabei wird unterstellt, dass die Gemeinschaften nach den Grundsätzen der doppelten kaufmännischen Buchführung Rechnung legen.
Analyse der Ausgangslage
Dem Status quo kommt höchste Priorität zu, da Fehler in der Datenbasis im Rahmen der Zukunftsplanung fortgeschrieben werden könnten. Art und Umfang der Bestandsaufnahme ist dabei abhängig von der Komplexität der Gemeinschaft. Die Analyse betrifft zum einen die Organisation der Gemeinschaft, die rechtlichen, steuerlichen und vertraglichen Grundlagen, die strukturellen Grundlagen der jeweiligen Organisationseinheit und die wirtschaftliche Situation zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme.
- Organisation der Gemeinschaft
Festzustellen ist, wie die Ordensgemeinschaft (im kirchenrechtlichen Sinne) zivilrechtlich organisiert ist (eine oder mehrere juristische Personen, Führung der Werke in eigenen Bilanzierungskreisen) und wie sich Leistungsbeziehungen zwischen den einzelnen Rechtsträgern beziehungsweise Bilanzierungskreisen darstellen. - Rechtliche, steuerliche und vertragliche Grundlagen
Eine Inventur der rechtlichen, steuerlichen und vertraglichen Grundlagen ist durchzuführen. Neben dem Statut der Gemeinschaft sind die Satzungen und Gesellschaftsverträge der zivilrechtlichen Rechtsträger zu sichten sowie der steuerliche Status dieser Rechtsträger festzustellen. Daneben sind sonstige Verträge von wesentlicher Bedeutung zu analysieren (zum Beispiel Gestellungsverträge, Mietverträge, Versorgungsverträge etc.).
- Strukturelle Grundlagen
Im Rahmen dieser Analyse sind Daten zu erheben über
- die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft insgesamt,
- die Zahl der Mitglieder in Gestellung (einschließlich Umfang), getrennt nach eigenen Werken und Werken Dritter,
- die Zahl der Mitglieder in Versorgung (unterteilt in hauswirtschaftliche Pflege sowie stationäre Pflege einschließlich der Einstufung).
Zu erheben ist auch, in welchem Umfang abhängig Beschäftigte in den Einrichtungen der Gemeinschaft tätig sind - nach Vollkräften, Dienstarten und Einsatzstellen einschließlich ihrer Vergütung. Ebenfalls notwendig ist eine Bestandsaufnahme der räumlichen Kapazitäten (Nutzung, Auslastung, Verwertbarkeit). - Wirtschaftliche Situation beziehungsweise Ertrags- und Finanzanalyse
Die von der Gemeinschaft unterhaltenen Werke sind zwecks Feststellung des künftigen Kapitalbedarfs auf Basis der jeweiligen Finanzierungssystematik zu analysieren (Ertrags- und Liquiditätsplanung). Auf Basis dieser Berechnungen gilt es festzuhalten, ob und in welchem Umfang die Gemeinschaft zukünftig unterhaltene Werke finanziell unterstützen muss.
Ferner kommt der Analyse der Zahlungsströme innerhalb der Gemeinschaft eine große Bedeutung für die Prognoserechnungen zu. Hier gilt es zu erkennen, welche Verrechnungen und - sofern sie auch liquiditätsmäßig abgebildet werden - welche Zahlungsströme innerhalb der Gemeinschaft erfolgen (insbesondere Eliminierung von reinen Innenumsätzen).
Als Residualgröße stellen die so ermittelten Aufwendungen und Erträge der Gemeinschaft die Ausgangsbasis für die strategische Finanzplanung dar. Diese Residualgröße ist weiterhin zu bereinigen um außerordentliche Komponenten, zum Beispiel um Einmaleffekte aus Grundstücksveräußerungen, Sanierungsmaßnahmen etc - Finanzanalyse
Betrachtet man die typische Bilanzstruktur der Gemeinschaften, so sind die wesentlichen Vermögensposten Sachanlagen, Finanzanlagen und Geldmittel.
Auf der Passivseite macht das langfristige Kapital (Eigenkapital, Altersversorgungsverpflichtungen, Darlehensverbindlichkeiten und Sonderposten aus Investitionszuschüssen) in der Regel den Großteil der Bilanzsumme aus. Die dort abgebildete Altersversorgungsverpflichtung führt in der Regel nicht kurzfristig zu Liquiditätsabflüssen, dokumentiert jedoch den zukünftigen Finanzbedarf und sollte durch entsprechende Vermögenswerte gedeckt sein. Die Finanzanlagen sind daher im Hinblick auf ihre Fristigkeit dem kurz-, mittel- und langfristigen Finanzbedarf (insbesondere der Sicherung der Altersversorgung der Mitglieder) anzupassen.
Vor dem Hintergrund der zukünftigen Entwicklung des Bestands an Mitgliedern der Gemeinschaft ist der Grundstücksbestand schon in diesem Stadium kritisch auf zukünftig notwendige Investitionen (zum Beispiel Umbauten infolge einer steigenden Zahl von Mitgliedern mit Pflegebedarf) beziehungsweise nicht mehr
benötigte Immobilien (Möglichkeit der Verwertbarkeit) zu untersuchen.
Strategische Aufwands- und Ertragsplanung
Die strategische Aufwands- und Ertragsplanung soll darlegen, inwieweit die Gemeinschaft in Zukunft unter Zugrundelegung verschiedenster Szenarien in der Lage sein wird, Aufwendungen (insbesondere für Schwesternversorgung und weltliches Personal) aus den laufenden Erträgen (insbesondere aus Gestellungen, Renten und Zinserträgen) zu finanzieren. Daneben sind aus diesen Daten - unter Eliminierung nicht zahlungswirksamer Sachverhalte - Liquiditätsveränderungen zu ermitteln, die sich in der Finanzplanung niederschlagen.
Strategische Finanzplanung
Ausgehend von den Ergebnissen der Aufwands- und Ertragsplanung sowie der prognostizierten Entwicklung der Bilanzposten werden Planbilanzen entwickelt. Hieraus ist dann die Finanzplanung - unter Berücksichtigung der Liquiditätszuflüsse und Liquiditätsabflüsse - abzuleiten.
So wird erkennbar, zu welchem Zeitpunkt Liquidität in welcher Höhe notwendig wird. Eine zeitnahe Anpassung der Anlagepolitik im Bereich der Finanzanlagen wäre eine mögliche Reaktion. Daneben lässt sich aus den Plandaten zum Beispiel ebenfalls ableiten, ab welchem Zeitpunkt gegebenenfalls Veräußerungserlöse aus dem Verkauf von Immobilien als Liquiditätsstützung notwendig beziehungsweise in welchem Umfang Mittel, die zur Altersversorgung der Mitglieder gebunden waren, wieder frei verfügbar werden.
Kapazitätsplanung
Ausgehend von den Ergebnissen der Aufwands- und Ertragsplanung, der Finanzplanung sowie der Fortschreibung der Strukturdaten (Mitgliederbestand), schließt sich die Kapazitätsplanung an. Neben der etwaigen Notwendigkeit der Veräußerung von Immobilien ist zu analysieren, bis zu welchem Zeitpunkt die vorhandenen Immobilien seitens der Gemeinschaft noch betriebswirtschaftlich sinnvoll genutzt werden können. Diese Analyse zielt vor allem auf die Frage, ob und in welchem Umfang zukünftig die Zusammenlegung von Ordensprovinzen und Kommunitäten notwendig wird.
Daneben kann aus der prognostizierten Entwicklung des Mitgliederbestandes abgeleitet werden, in welchem Umfang zukünftig der Einsatz weltlicher Kräfte ausgeweitet werden muss.
Alternativen hat, wer danach sucht
Aufgrund sich permanent ändernder Umweltbedingungen ist es auch für Ordensgemeinschaften unumgänglich, Prognoseberechnungen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführen. Nur auf diese Weise kann frühzeitig auf sich abzeichnende Veränderungen reagiert werden. Das Instrument der strategischen Finanzplanung ist hierfür ein geeignetes Mittel. Sofern die Ausgangssituation sorgfältig analysiert wurde, liefert die strategische Finanzplanung zuverlässige Prognosen, um in einem angemessenen Vorlauf Entscheidungsalternativen vorzubereiten. Daneben bietet die Analyse der Ausgangssituation auch die Möglichkeit einer kritischen Selbstreflexion, die selbst zu Veränderungsprozessen führen kann.
Anmerkung
1. Vgl. can. 668 § 3 und can. 670 CIC (Codex Iuris Canonici, Apostolischer Stuhl, 1983).
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