Viel menschliche Nähe und das Lieblingslied
Die Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen wurde mit dem Projekt "Christliche Hospiz- und Palliativkultur" im Erzbistum München und Freising in Einrichtungen der stationären Alten- und Behindertenhilfe und in Sozialstationen intensiviert und verbessert. Pflegefachkräfte der Caritas und Verantwortliche für die Seelsorge in Altenheimen und Behinderteneinrichtungen entwickelten zusammen mit dem Fachreferenten für Hospizarbeit der Caritas Fortbildungskonzepte. Ziel war, das Zusammenwirken von medizinischer, pflegerischer und spiritueller Begleitung zum Wohl der Schwerkranken und Sterbenden optimal zu gestalten. In den Einrichtungen wurden geeignete Formen der Sterbebegleitung umgesetzt, Möglichkeiten einer Abschiedskultur entwickelt und die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Im Rahmen des 2012 abgeschlossenen Projekts entstanden auch "Leitlinien für die Christliche Hospiz- und Palliativkultur"1. Sie bringen zum Ausdruck, wie die Begleitung von Menschen am Ende ihres Lebens in katholischen Einrichtungen aussehen soll. Der Titel "Was soll ich dir tun?" macht die Haltung deutlich: Nicht die Helfenden wissen, was für den Sterbenden gut ist, sondern der Sterbende sagt es den Helfern.
Ein erzbischöflicher Fonds zur Förderung einer christlichen Hospiz- und Palliativkultur im Erzbistum München und Freising sorgt dafür, dass die mit dem Projekt begonnene Arbeit weitergehen kann. 300.000 Euro stehen jedes Jahr für Förderung, Weiterentwicklung und Verstetigung der christlichen Hospiz- und Palliativkultur zur Verfügung. "Der Umgang mit sterbenden Menschen ist der Maßstab für eine humanitäre Kultur", sagte Kardinal Reinhard Marx bei der Abschlussveranstaltung des Projekts. Mit diesem Fonds erhalte die Sorge der Kirche und ihrer Caritas für schwer kranke und sterbende Menschen eine beispielgebende Prägung.
Für die Fortbildungsangebote für Pflegekräfte ist das Caritas-Institut für Bildung und Entwicklung zuständig. Aber auch Schulungen und Fortbildungen für Seelsorger(innen), Hospizhelfer(innen) oder Angehörige können aus den Mitteln des Fonds finanziert werden.
Beispiele aus der Praxis zeigen, wie Schwerstkranke, Sterbende und ihre Angehörigen durch das Projekt unterstützt werden. Monika Pscheidl ist Seelsorgerin im Franziskuswerk Schönbrunn, einer großen Behinderteneinrichtung in der Nähe von München, und Mitglied im Caritas-Ethikrat in München. In Schönbrunn leben über 700 Menschen mit geistiger Behinderung. Viele bleiben auch im Alter und sterben dort. Die Pastoralreferentin hat intensiv in dem Hospizprojekt von Caritas und Erzbistum München und Freising mitgearbeitet und das bisherige Netzwerk zu einem umfassenderen Palliativteam weiterentwickelt. Jetzt sind neben dem Fachdienst Pflege, einer Psychologin und einer Schwester auch Ärzte, der Elisabeth-Hospiz-Verein, Palliativ-Care-Fachkräfte und der Fachdienst Physiotherapie mit im Boot.
Menschen mit Behinderung beim Sterben zu begleiten sei für sie immer wieder überraschend und sie lerne für ihr eigenes Leben, sagt Pscheidl.
Er lebte noch einige Jahre und genoss jeden Tag
"Ich weiß nicht, warum das Leben so schön ist!" Mit diesen Worten empfing sie Simon Anders einige Monate vor seinem Tod. Der Mann hatte sein ganzes Leben schwerstmehrfachbehindert im Rollstuhl verbracht und bekam zudem noch Kehlkopfkrebs. Dieser wurde erst entdeckt, als es schon zu spät für eine Therapie war. Nach ärztlichen Aussagen hätte er nur mehr einige Monate zu leben gehabt. Aber Simon Anders überraschte alle. Er lebte noch einige Jahre und genoss jeden Tag. Als die Krankheit ihn zunehmend schwächte, wurden im Team die medizinischen und pflegerischen Maßnahmen besprochen. Die Seelsorgerin besuchte ihn regelmäßig. Er sei sich seines Zustands bewusst gewesen und sie habe oft mit ihm darüber gesprochen, sagt sie. Manchmal zündete sie eine Kerze an, betete mit ihm und sang ihm sein Lieblingslied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" vor. Sein Glaube habe ihn getragen, ihn mit Freude erfüllt und ihm Kraft gegeben. Von den Ärzten und Pflegekräften wurde er in seinen letzten Tagen gut versorgt und von Mitarbeiter(inne)n und Freunden liebevoll betreut. Am Morgen seines letzten Tages machte Pscheidl eine kleine "Spürübung" mit ihm: "Du darfst dich in die Hände Gottes fallen lassen. Er trägt dich." Am Abend sei dies dann geschehen.
Jeder Mensch stirbt anders
"Sterben Menschen mit geistiger Behinderung anders?", fragte sich Monika Pscheidl im Laufe des Projekts, in dem sie als Begleiterin intensiv eingebunden war. Die langjährige Erfahrung in der Sterbebegleitung hat Monika Pscheidl gelehrt, dass jeder Mensch - ob behindert oder nicht - anders stirbt, die meisten so, wie es ihrem Leben und ihrer Persönlichkeit entspricht. Die Erfahrung teilt Pscheidl mit vielen Pflegekräften, Seelsorger(inne)n und Verantwortlichen in den Einrichtungen, die an dem Projekt teilgenommen haben. Für Petra Gräfe, Pflegefachkraft im St.-Anna-Altenheim in Thansau bei Rosenheim, hat das Projekt vor allem dazu geführt, dass das Thema Sterben "nicht mehr weggeschoben wird". Pflegekräfte und Seelsorger(innen) hätten gelernt, Sterbende besser zu begleiten und die Bewohner(innen), Angehörigen und ehrenamtlichen Mitarbeiter(innen) in den Prozess einzubinden. Bei vielen alten Menschen gebe es Signale, dass sie sich auf ihren letzten Weg begeben. Diese gelte es wahrzunehmen und sensibel darauf einzugehen. "Wir verwöhnen unsere Bewohner dann richtig, zum Beispiel mit einem Glas Sekt oder Bier", sagt Gräfe. Am wichtigsten sei aber die Zeit für Gespräche, für Nähe. Auch die Angehörigen seien sehr dankbar, wenn man "sie an die Hand" nehme, um den Abschied gut zu gestalten.
Noch mögliche Teilhabe am Familienleben unterstützen
In guter Weise Abschied nehmen und eine verbesserte Schmerztherapie sind die wichtigsten Elemente der palliativen Begleitung in der ambulanten Pflege der Caritas-Sozialstationen. Oft ist es dort das Schicksal eines jüngeren Tumorpatienten, das alle im Team besonders berührt. "Durch die Beteiligung am Projekt konnte ein besseres Netzwerk zu Ärzten mit Erfahrung in Schmerztherapie, zu den Seelsorgern in den Pfarreien und zu ehrenamtlichen Mitarbeitenden geknüpft werden," sagt Marie Hauptfleisch, die vor kurzem als stellvertretende Pflegedienstleiterin in der Caritas-Sozialstation in Mühldorf in Ruhestand ging. Neben einer Schmerz- und Symptomlinderung ist es bei jüngeren Patient(inn)en wichtig, deren Kinder und Eltern einzubeziehen, die Betreuung der Kinder zu organisieren oder die noch mögliche Teilhabe am Familienleben zu unterstützen. In der ambulanten Versorgung ist der persönliche Kontakt von Patient und Angehörigen zur Pflegeschwester von besonderer Bedeutung. Bei Bedarf wird eine 24-Stunden-Bereitschaft eingerichtet und Notfallpläne werden erstellt. "Da kommt man sich sehr nahe, und gerade der Tod von jungen Menschen kann für Pflegekräfte sehr belastend sein", sagt Hauptfleisch. Aber auch das versucht das Palliativteam gemeinsam aufzuarbeiten und niemanden alleinzulassen.
Anmerkung
1. Die "Leitlinien für die Christliche Hospiz- und Palliativkultur" können unter www.caritas-nah-am-naechsten.de/media/media0099220.pdf heruntergeladen oder gedruckte Exemplare unter pressestelle@caritasmuenchen.de bestellt werden.