Es klappt, wenn vor Ort alle zusammenarbeiten
Im Dezember 2007 fiel der Startschuss für die "Rheingauer Caritas Tische" (RCT). Nur drei Monate zuvor tagte eine Runde aus Vertretern der kommunalen Politik, der Kirchen und der Wohlfahrtsverbände. Dabei wurde an den Caritasverband Wiesbaden-Rheingau-Taunus eindringlich die Idee herangetragen, eine Lebensmittelausgabe für bedürftige Menschen in der Region einzurichten.
Inzwischen ist der Betrieb der RCT eingespielt. In den vier Ausgabestellen in der ländlich geprägten Region mit einem Radius von rund 40 Kilometern werden jeweils einmal pro Woche Lebensmittel verteilt. Die Ausgabestelle in Geisenheim, die als Einzige über ein Kühlhaus verfügt, fungiert dabei als Dreh- und Angelpunkt. Hier werden die gespendeten Waren aus den Supermärkten und Geschäften mehrmals pro Woche angeliefert, vorsortiert und gelagert. Am jeweiligen Ausgabetag werden sie an die anderen Ausgabestellen verteilt und Reste wieder zurückgebracht.
Die RCT arbeiten nach dem Prinzip der Tafeln. Sie sind allerdings nicht dem Bundesverband Tafel beigetreten, der Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist - für den Caritasverband ein Grund, die Mitgliedschaft abzulehnen, da ein Wohlfahrtsverband nicht Mitglied eines anderen werden sollte. Zudem widersprachen einige der Grundsätze des Tafelvereins den Interessen des Caritasverbandes. Beispielsweise ist vorgeschrieben, dass in der Bezeichnung des Projekts immer ein Ortsname enthalten sein muss. Dem Landstrich Rheingau fühlen sich alle dort Ansässigen zugehörig, andererseits würde sich ein Geisenheimer aber kaum einer Rüdesheimer Tafel verbunden fühlen. Die Lösung wäre die Gründung von vier verschiedenen Tafeln gewesen, was aber den Verwaltungsaufwand für das Projekt erheblich erhöht hätte. Ein Entgegenkommen in dieser und anderen Fragen wurde von Vertretern des Tafelvereins kategorisch abgelehnt.
Die RCT geben Lebensmittel an Personen aus, die mit dem Eineinhalbfachen des Regelsatzes von Arbeitslosengeld II auskommen müssen. So können auch Menschen mit geringfügigen Einkünften oder kleinen Renten erreicht werden. Im Jahr 2009 wurden im Durchschnitt 130 Bedarfsgemeinschaften mit 300 Personen, darunter 100 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre, pro Woche in den vier Ausgabestellen bedient. Das entspricht etwa zehn Prozent der bedürftigen Menschen in der Region.
Bei Bedarf um Hausaufgabenhilfe kümmern
Voraussetzung für den Einkauf in den RCT ist ein Berechtigungsausweis, den die Mitarbeiter(innen) der Beratungsdienste im Caritaszentrum Geisenheim nach einer möglichst unbürokratischen Prüfung der Einkommensverhältnisse ausstellen können. Das bedeutet auch, dass alle Kund(inn)en persönlich Kontakt aufnehmen müssen. Dabei kann bei Bedarf auch bei anderen Problemen geholfen oder weitervermittelt werden. Der Berater der Allgemeinen Sozial- und Lebensberatung ist gleichzeitig auch Projektleiter der RCT. Durch den regelmäßigen Kontakt mit Kund(inn)en und Ehrenamtlichen kann er unmittelbar reagieren und zum Beispiel Hausaufgabenhilfe oder andere Angebote vermitteln.
Spenden machen den größten Teil der Finanzierung der RCT aus. Bei Bedarf werden Eigenmittel des Caritasverbandes zugeschossen. Die Kund(inn)en zahlen pro Lebensmittelausgabe einen Euro. Verglichen mit dem Gesamtvolumen handelt es sich dabei um einen eher geringen Einnahmeposten. Das Spendenaufkommen belief sich im Jahr 2009 auf 12.500 Euro. Zusätzlich wurden 15 Patenschaften für Kund(inn)en übernommen. Ein Patenschaftsprogramm wurde Mitte 2009 aus der Taufe gehoben. Es soll für mehr Transparenz sorgen. Pat(inn)en übernehmen die Betriebskosten in Höhe von jährlich 60 Euro, die für einen Kunden anfallen. Ein persönlicher Kontakt zu einem Kunden wird nicht hergestellt. Mit 15 Patenschaften bleibt derzeit der Erfolg dieser Aktion noch hinter den Erwartungen zurück.
Der Lieferwagen kostet 4000 Euro im Jahr
Auf der Ausgabenseite steht beispielsweise der Unterhalt für einen Lieferwagen. Im Jahr 2009 schlugen dafür fast 4000 Euro zu Buche. Fast ebenso viel hat in dem Jahr die Entsorgung des Biomülls gekostet. Ein Posten, der in dieser Höhe zu Beginn nicht zu erwarten war und der daraus resultiert, dass die RCT in der Hauptsache mit frischen, leicht verderblichen Lebensmitteln beliefert werden. Insgesamt beliefen sich die laufenden Kosten im Jahr 2009 auf über 20.000 Euro. Miete für die Räumlichkeiten der Ausgabestellen fällt nicht an, da sie kostenlos von einer Kirchengemeinde beziehungsweise der Kommune zur Verfügung gestellt werden. Nicht eingerechnet sind zwei Angestellte der Caritas, die mit insgesamt zwanzig Wochenstunden am Projekt beteiligt sind sowie zwei Mitarbeitende in Arbeitsgelegenheiten. Der Löwenanteil der Arbeit, das Abholen, Sortieren und Ausgeben der Lebensmittel sowie viele andere Aufgaben werden seit Beginn von knapp 80 Ehrenamtlichen zuverlässig erledigt.
Gerade für ein Projekt wie die RCT, das auf Spenden und die Mitarbeit von Ehrenamtlichen angewiesen ist, ist die positive Verankerung im Bewusstsein der Region sehr wichtig. Inzwischen können die RCT auf eine Reihe von Veranstaltungen von Privatpersonen, Kirchengemeinden und Vereinen zugunsten der Tafeln zurückblicken. Dies zeigt, dass die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit weitgehend positiv ist. Ein aus Persönlichkeiten der Kommunalpolitik und der regionalen Wirtschaft zusammengesetzter Beirat, der sich offensiv um die RCT bemüht, hat sich in dieser Hinsicht als ein Mittel mit Zugkraft erwiesen. Altbischof Franz Kamphaus hat die Schirmherrschaft übernommen.
Wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Kirchengemeiden vor Ort mit ihren Netzwerken. Sie stehen unterstützend zur Seite und stellen kostenlos Räumlichkeiten für Feste für die Ehrenamtlichen sowie für Schulungen.