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"Na dann, hereinspaziert!" Dietrich Holz zieht seinen Schlüsselbund aus der Tasche und öffnet die Tür zu seinen eigenen vier Wänden. Draußen ist es kalt, höchstens zwei Grad Celsius. Umso wärmer und gemütlicher erscheint es hinter der Haustür. Holz lebt hier auf dem Gelände des SKM in Paderborn in einem 15 Quadratmeter kleinen "Tiny House": Ein Bett, ein kleiner Fernseher, ein Kleiderschrank, ein Esstisch, eine Küchenzeile und sogar ein kleines Badezimmer - alles hat hier Platz. "Viel mehr brauche ich auch gar nicht", erklärt er zufrieden: "Ich kann schlafen, die Heizung funktioniert, ich habe Wasser und Strom!"
Noch einen Monat zuvor hatte Dietrich Holz das alles nicht. Nachdem er seinen Job verloren hatte, war er wohnungslos und musste zeitweise auf der Straße schlafen. Beim SKM in Paderborn fand er zunächst Hilfe in der Beratungsstelle für Menschen in sozialen Schwierigkeiten, dann einen Job im Sozialen Kaufhaus und schließlich im Tiny House ein Dach über dem Kopf. "Herr Holz hat von Anfang an Initiative gezeigt. Er wollte etwas verändern und wieder in eine feste Tagesstruktur finden - deshalb war er der perfekte erste Bewohner, als das kleine Haus fertiggebaut war", erklärt Sozialarbeiter und SKM-Geschäftsführer Joachim Veenhof.
Das Tiny House steht seit Ende 2021 auf dem Gelände des SKM. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der sieben diözesanen Fachverbände im Erzbistum Paderborn: Sozialdienst katholischer Männer (SKM), Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), IN VIA, Caritas-Konferenzen, Vinzenz-Konferenzen, Kreuzbund und Malteser Hilfsdienst. Die Idee dazu entstand während einer Sitzung unter dem gemeinsamen Motto "Sieben gegen Einsamkeit". "Zurzeit ist Wohnraum knapp - ganz besonders für bedürftige Menschen. Wir haben nach einer unkomplizierten und flexiblen Idee gesucht, dieses Problem zu entschärfen", erklärt Reinhild Steffens-Schulte, Diözesan-Geschäftsführerin von SkF und SKM. "Allein in Paderborn leben etwa 400 wohnungslose Menschen", ergänzt Joachim Veenhof: "In städtischen Übernachtungsstellen, wo Menschen oft eng auf eng untergebracht sind, kommen einige nicht gut zurecht. Autonome, geschützte Räume, wie die Tiny Houses, erschienen uns da als mögliche Lösung - das wollten wir ausprobieren."
Im Januar 2021 starteten Tischler, Maler und Elektriker des IN VIA Berufsförderzentrums St. Lioba mit dem Bau des ersten Mini-Hauses - komplett finanziert durch Stiftungsgelder. Mit Unterstützung einer Architektin arbeiteten die Handwerker insgesamt zehn Monate an der 6,60 Meter langen und 2,55 Meter breiten Unterkunft aus heimischem Zedernholz. Neben zwischenzeitlichem Materialmangel war auch das Einhalten des Maximalgewichts von 3,5 Tonnen eine Herausforderung: Das war notwendig, damit das auf einem dreiachsigen Anhänger gebaute Haus auch ohne Lkw problemlos von einem Ort zum nächsten gelangen kann. "Diese Flexibilität war uns besonders wichtig", sagt Reinhild Steffens-Schulte. "Das Tiny House ist nicht als Dauerlösung, sondern als niederschwellige Starthilfe auf Zeit gedacht. Es soll im gesamten Erzbistum zum Einsatz kommen können - immer dort, wo es gerade gebraucht wird."
Nach seiner ersten Station beim SKM in Paderborn soll das Haus auf Rädern nach drei Monaten weiter Richtung Lippstadt ziehen. Auch dort soll es einen wohnunglosen Menschen beherbergen. Das Tiny-House-Projekt ist aber nicht auf die Wohnungslosenhilfe beschränkt: "Es ist genauso gut denkbar, dass auch gewaltbedrohte Frauen mit ihren Kindern oder Jugendliche, die soziale Einrichtungen verlassen müssen, hier zeitweise ein Dach über dem Kopf finden", erläutert Reinhild Steffens-Schulte. Es ist allerdings wichtig, dass der Stellplatz immer in Ankopplung an einen Fachverband oder eine Kirchengemeinde gewählt wird: "So können die Bewohner professionell betreut und in ihrer schwierigen Lebenssituation mit Beratungs- oder anderen Hilfeangeboten unterstützt werden." Steht das Tiny House übergangsweise leer, ist auch eine kulturelle Nutzung des Raumes möglich, zum Beispiel für Lesungen von Ehrenamtlichen der Caritas-Konferenzen.
Das Interesse am Haus ist schon jetzt groß. "Wir bekommen viele Anfragen von verschiedenen Trägern aus dem Erzbistum, die potenzielle Bewohner hätten", berichtet Reinhild Steffens-Schulte. Wenn das Projekt weiter gut läuft, können sich die Initiatoren gut vorstellen, es auszuweiten - zum Beispiel mit einer Tiny-House-Siedlung. "Die Pläne liegen in der Schublade. Wir wissen jetzt, wie man es macht und könnten sofort wieder starten", sagt Christoph Klausing, Geschäftsführer von IN VIA St. Lioba. Zunächst sollen aber noch mehr Erfahrungen gesammelt werden.
Für Tiny-House-Bewohner Dietrich Holz gab es dank des Projektes schon jetzt viele gute Erfahrungen. "Meine Kollegen aus dem Sozialkaufhaus haben mir dabei geholfen, hier alles einzurichten. Jetzt habe ich es richtig gemütlich und kann sogar mal Besuch empfangen", berichtet er. Wenn alles gut läuft, könnte Dietrich Holz schon bald in eine kleine Wohnung ziehen. Bis es so weit ist, freut er sich aber schon jetzt jeden Tag darauf, "nach Hause" zu kommen: "Das ist für mich noch immer ein neues, aber sehr schönes Gefühl!