„Ich stehe sehr unter Strom“
Könnten Sie Ihre Situation schildern?
Ich stehe sehr unter Strom. Meine Mutter hat Pflegestufe I. Sie vergisst Dinge und baut körperlich ab. Zudem hat sie durch eine Diabetes-Erkrankung nur noch 20 Prozent Sehkraft. Zum Arzt müssen wir sie begleiten, sogar, wenn sie sich auf die Terrasse setzen will.
Und was ist mit dem "Rest" der Familie?
Ein Sohn ist jetzt gerade in die Schule gekommen, der andere hat die Schule gewechselt. Zum Glück kümmert sich mein Mann sehr viel um die Kinder. Das ist möglich, weil er im Schichtdienst arbeitet.
Sie selbst arbeiten auch?
Als kaufmännische Angestellte. Das geht nur, weil mein Chef sehr flexibel und tolerant ist. In den Ferien kann ich sagen, ich komme nur nachmittags oder tausche die Arbeitstage - wie es eben passt.
Wird es auch mal richtig eng?
Ja. Meine Mutter musste einmal plötzlich ins Krankenhaus, während ich einen wichtigen Geschäftstermin hatte. Mein Chef hat mir die Entscheidung abgenommen und gesagt, ich hätte den Kopf ohnehin nicht frei, ich solle zu meiner Mutter fahren. Auch die Kollegen sind verständnisvoll.
Wie wirkt sich die Belastung aus?
Ich kann mir manchmal Dinge nicht merken. Meine Gelassenheit habe ich verloren. Einfach mal entspannt irgendwo zu sitzen und einen Kaffee zu trinken - das gibt es nicht. Auch mit den Kindern heißt es immer: Schnell, wir müssen los, zieht euch an, macht euch fertig. Der Stress überträgt sich manchmal auch auf meine Söhne.
Da hilft die beste Planung nichts, oder?
Vieles lässt sich nicht planen. Heute bitte ich meine Mutter, mir eine Einkaufsliste zu schreiben, morgen fällt ihr ein, was sie vergessen hat. Oder während des Elternsprechtages in der Schule ruft der Notdienst an, dass sie gestürzt ist.
Ist ein Altenpflegeheim kein Thema?
Doch, schon. Vor allem, weil ich das Gefühl habe: Unsere Mutter vereinsamt. Ich habe wenig Zeit, ihr zuzuhören. Zwischendurch sagt sie: Vielleicht gehe ich doch ins Heim. Aber in der Regel will sie keine Veränderung. Nicht einmal, dass wir das Badezimmer barrierefrei umbauen.
Bleibt für Sie denn noch Zeit?
Im Sport war ich jetzt schon sechs Wochen nicht mehr. Aber alle 14 Tage treffe ich mich zum Frühstück mit einer Freundin. Außerdem kann ich mich bei der Arbeit entspannen: Da ist das Leben planbar.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mehr Zeit. Weniger Druck. Und wenn mehr Geld da wäre, könnte ich mir zum Beispiel über Ferien-Kinderbetreuung auch etwas Entlastung schaffen. Aber ich bin gerne für meine Mutter da - sie hat mir viel geholfen und das gebe ich jetzt zurück.