Sucht kennt keine Altersgrenzen
Wie können Altenhilfe und Suchthilfe gemeinsam dazu beitragen, dass ältere Menschen mit Substanzproblemen vermehrt die erforderliche Hilfe und Unterstützung erhalten und ihre Lebensqualität gefördert wird? Diese Frage wurde auf dem Fachtag "Unabhängig im Alter – Suchtprobleme gemeinsam lösen" diskutiert. Ziel der Veranstaltung war es, Altenhilfe und Suchthilfe einen fachübergreifenden Austausch zum Thema "Alter und Sucht" zu ermöglichen.
Suchtprobleme gemeinsam lösen
Zunächst stellte ein Pflegewissenschaftler Daten zu Alkohol und Medikamenten vor, beschrieb Besonderheiten der Zielgruppe(n) sowie die Versorgungssituation und Erfordernisse in Bezug auf Kooperation und Vernetzung von Suchthilfe und Altenhilfe. Er wies auf die hohe Relevanz des Themas Sucht im Alter hin: 15 Prozent der über 60-Jährigen haben einen riskanten Alkoholkonsum, 10 bis 20 Prozent der Männer und 1 bis 10 Prozent der Frauen missbrauchen Alkohol, 3,1 Prozent der Männer und 0,5 bis 1 Prozent der älteren Frauen sind abhängig (etwa 400.000), 14 Prozent der Heimbewohner weisen eine Alkoholdiagnose auf (etwa 70.000).
Abhängigkeit und Missbrauch von Alkohol und Benzodiazepinen (BZD) sind aber bisher kaum ein Thema in der Altenpflege. In der Fachliteratur findet man wenige Hinweise, Fortbildungsangebote sind selten, Assessments sind kaum bekannt. Fachliche Kompetenzen, die bei Alkohol, BZD und Tabakabhängigkeit benötigt werden, sind beispielsweise Assessments, Motivierende Gesprächsführung, Kurzinterventionen, (ethische) Fallbesprechungen und niedrigschwellige Angebote sowie der Umgang mit Ablehnung und Aggression. Das wichtigste Ziel ist nicht die Abstinenz, sondern die Abhängigkeit zu erkennen und den Kontakt zu den betroffenen Menschen zu halten. Darüber hinaus ist es wichtig, Angehörige, Betreuer(innen), Selbsthilfe, Beratungsstellen, Ärzte und Ärztinnen und Pflege zusammenzubringen und den Kenntnisstand zwischen Alten- und Suchthilfe auszugleichen.
Blick in die Praxis
Unter dem Titel "Blick in die Praxis" wurden dann zwei Praxisbeispiele vorgestellt. Aus Regensburg wurde ein Fortbildungsangebot der Suchthilfe für die Altenhilfe vorgestellt sowie der Prozess zur Entwicklung von Standards im Umgang mit Suchtproblemen in der Altenhilfe, welche in die Qualitätshandbücher der Altenhilfeeinrichtungen übernommen werden sollen. Weitere Ergebnisse des Projekts waren Einstellungs- und Verhaltensänderungen bei den Mitarbeiter(inne)n sowie eine verbesserte Kooperation zwischen Pflegepersonal und mit Ärzten/Ärztinnen. Im Freiburger Projekt wurde eine Sprechstunde in einer Einrichtung der offenen Altenhilfe eingerichtet, eine telefonische Sprechstunde sowie ein altersspezifisches Gruppenangebot. Darüber hinaus wurden Vorträge in der offenen Altenhilfe gehalten. In der Bewertung des Projektes wurde berichtet, dass es gelungen ist, das Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren, eine Zunahme der Klientel in der Suchtberatung zu verzeichnen war, und ein Gruppe 60plus nachhaltig als Regelangebot installiert werden konnte.
Im Anschluss an die Beiträge gab es Arbeitsgruppen zur Vertiefung der einzelnen Themen (deren Ergebnisse finden Sie unten zum Download).
Die Rückmeldungen zu dem Fachtag waren sehr positiv. Gewürdigt wurden insbesondere der fachbereichsübergreifende Austausch und die Praxisorientierung der Vorträge. Die Förderung und Unterstützung des Austausches zwischen Altenhilfe und Suchthilfe wird ein wichtiges Ziel in der Weiterarbeit bleiben.