Wegweiser, Brückenbauer, Lückenschließer
Migrantenorganisationen haben viele Aufgaben und sind unverzichtbare Akteure der Integrationsarbeit vor Ort
Selbstorganisationen und Initiativen von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind vielfach erste Anlaufstellen für Neuzugewanderte, Informationsbörsen und Wegweiser im Einwanderungsland sowie Übersetzer nicht nur in sprachlicher Hinsicht. Sie unterstützen, sind Vermittler von Sprache und Kultur, sind Multiplikatoren und bilden eine Brücke zwischen Herkunftsland und Einwanderungsgesellschaft. Häufig beteiligen sie sich an sozialen und kulturellen Aktivitäten in ihrem Wohnumfeld und machen die bestehende Vielfalt von modernen Stadtgesellschaften deutlich. Zudem sind sie Interessenvertreter ihrer Communitys. Anerkennung als selbstverständliche Partner Das Land Nordrhein-Westfalen erkennt die Bedeutung von MO mit dem seit 2012 bestehenden Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration an. Einen Schwerpunkt stellt die Qualifizierung und Vernetzung von MO dar. Auch die Arbeit der seit 2007 ebenfalls vom Land unterstützten Integrationsagenturen steht für eine praktische Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Zugewanderten in Kommunen, Stadtteilen und Quartieren und bildet einen wichtigen Baustein. Integrationsagenturen erkunden systematisch Einsatzfelder für Ehrenamtliche und Multiplikator(inn)en, sie erschließen Potenziale von Migrantenselbstorganisationen und motivieren, aktivieren und qualifizieren Ehrenamtliche, Multiplikator(inn)en und Migrantenselbstorganisationen für die Integrationsarbeit. Integrationsagenturen organisieren und begleiten zudem den Einsatz von Ehrenamtlichen.
Integrationsagentur der Caritas sieht Fortschritte und weiteren Handlungsbedarf für mehr Teilhabe
Diesen Aufgabenkanon erfüllt auch die Integrationsagentur des Caritasverbandes Köln. Sie fördert und initiiert Angebote für eine wirksame Integration in den Stadtteilen, arbeitet eng mit Institutionen, Vereinen, Initiativen und Aktiven zusammen. Die Integrationsagentur der Caritas unterstützt Einrichtungen und Institutionen dabei, zugewanderte Menschen zu erreichen, sie zu informieren und zu versorgen. Sie qualifiziert und entwickelt zudem das bürgerschaftliche Engagement von Zugewanderten für Zugewanderte und hilft dort, wo es im Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft zu Problemen kommt. Sie fördert und unterstützt die Eigeninitiative von MO, informiert und sensibilisiert zum Thema Diskriminierung. Schließlich führt sie Bildungs- und Gruppenangebote zu verschiedenen Schwerpunkten durch und arbeitet in enger Kooperation mit den vielfältigen sozialen Akteuren.
Zielstellung ist die Förderung des gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen verschiedener Nationalitäten, Kulturen, Ethnien und Religionen im kommunalen Kontext. Trotz ihrer komplementären Strukturen und Kompetenzen sind MO bislang nicht durchgängig in politische Entscheidungsprozesse auf kommunaler sowie Landes- und Bundesebene eingebunden. Hier besteht trotz eindeutiger Fortschritte weiterhin Handlungsbedarf. In einer Demokratie ist es wichtig, dass allen gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit geboten wird, ihre Sichtweisen in den politischen Diskurs einzubringen und dafür zu sorgen, dass ihre Interessen Berücksichtigung finden. Problematisch wird es, wenn breite Bevölkerungsschichten vom politischen Willensbildungsprozess ausgeschlossen bleiben, bestimmten Gruppen der formale Zugang zur politischen Ebene verwehrt ist, da sie bestimmte rechtliche Voraussetzungen nicht erfüllen. Ein weiterer Grund für geringere Teilhabemöglichkeiten liegt darin, dass Gruppen oder Personen nicht ausreichend über Wissen und Erfahrungen verfügen, um sich in den politischen Diskurs angemessen einbringen zu können.
Politische Bildung als Ausdruck politischer Teilhabe
Mit dem Projekt "Gemeinsam Zukunft gestalten" schafft die Kölner Caritas-Integrationsagentur Voraussetzungen, MO im politischen Diskurs und im politischen Handeln zu stärken, Kontakte zu lokalen politischen Interessenvertreter(inne)n zu knüpfen und Vernetzungen aufzubauen. Dazu führt die Integrationsagentur MO, Initiativen und Multiplikator(inn)en in insgesamt zehn Workshops an eine aktive politische Teilhabe heran und macht ihre Selbstkompetenz, Potenziale und Interessen im politischen Kontext sichtbar. Dabei wird politische Bildung nicht ausschließlich als Vermittlung politischen Sachwissens verstanden. Vielmehr ist sie auch Auftakt zu einer aktiven politischen Beteiligung und zur Äußerung politischer Interessen.
Das ist kein neuer Weg. Seit Jahren engagiert sich die Kölner Caritas-Integrationsagentur in der Förderung und Kooperation von und mit MO und blickt erfolgreich auf verschiedene Projekte mit Qualifizierungs- und Vernetzungsschwerpunkten zurück. In deren Folge hat sich ein Netzwerk aus etwa 15 MO etablieren können. Austausch, Diskurs und Vernetzung der Organisationen und Initiativen untereinander werden gefördert. Auch ein Pool an Sprach- und Kulturmittler(inne)n, die fachlich begleitet und qualifiziert werden und bei Bedarf von Einrichtungen und Institutionen angefragt werden können, ist aus dieser Zusammenarbeit hervorgegangen.
Gemeinsam Zukunft gestalten
Im Projekt bilden die Vertretung der Interessen von Zugewanderten auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, die Beteiligungsmöglichkeiten, sozialen Strukturen sowie die Vernetzung in der Kommune, die Zuwanderungs- und Asylpolitik in Deutschland und in Europa, Diskriminierung, Antidiskriminierungsrecht und Interventionsmöglichkeiten die thematische Klammer - verbunden mit der Offenheit, je nach den Bedarfen der MO und Multiplikator(inn)en auf aktuelle politisch und sozial bedeutsame Entwicklungen einzugehen. Der erste Workshop fand in diesem Jahr im April unter großem Interesse statt. Die SPD-Kandidatin vom Mittelrhein für die Europawahl, Claudia Walther, referierte zu dieser entscheidenden politischen Weichenstellung am 26. Mai. Mitte Mai gab es den nächsten Workshop zur Fluchtpolitik, eingeladen war (zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieses Heftes) der Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe, Peter Ruhenstroth-Bauer. Dorothee Bodewein Leitung Leistungsbereich Integration und Beratung Caritasverband für die Stadt Köln e.V.