Ehrenamtliche Sprachmittlung – von der Übersetzung zum Lotsen
"Wir haben das Glück, dass sich viele Ehrenamtliche mit verschiedensten Sprachkenntnissen bei uns engagieren", erklärt Karin Effenberger, Ehrenamtskoordinatorin der Caritas für die ländlich geprägten Kommunen Rodgau, Seligenstadt und Mainhausen im Kreis Offenbach. Seit dem Jahr 2015 arbeitet die Flüchtlingsberatung der Caritas systematisch mit Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern zusammen. Oft handelt es sich dabei um Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund, die ausreichend Deutsch sprechen und über fundierte Fremdsprachenkenntnisse in mindestens einer Sprache verfügen. Darunter sind häufig auch Menschen mit eigener Fluchterfahrung, die ihre Erfahrungen und Kenntnisse anderen Neuankommenden weitergeben wollen.
Sprachmittelnde der Caritas Offenbach begleiten Geflüchtete z.B. zu Ämtern, Fachärzten oder Wohnungsbesichtigungen. Besonders wichtig ist ihr Einsatz bei den Schulungen, die die Caritas-Flüchtlingsberatung für Geflüchtete aus verschiedenen Herkunftsländern zu Themen wie Brandschutz, Erste Hilfe, Haushaltsführung oder Asyl- und Sozialrecht organisiert. Hier leisten die Sprachmittelnden mehr als eine wörtliche Übersetzung der Inhalte - sie erläutern diese dem Publikum auf der Grundlage des gemeinsamen kulturellen Hintergrundes.
Ob sich Personen für den Einsatz als Sprachmittlerin oder Sprachmittler eignen, hängt sowohl von deren persönlichen Eigenschaften ab wie auch von der Situation, in der die Sprachmittlung benötigt wird: Faktoren wie ethnische Herkunft, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung können in bestimmten Situationen zu Spannungen und Misstrauen zwischen Klientin oder Klient auf der einen Seite und der sprachmittelnden Person auf der anderen Seite führen. Generell sollten Sprachmittelnde ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Offenheit, Zuverlässigkeit und Organisationstalent aufbringen und eng mit der Flüchtlingsberatung kooperieren.
Qualifizieren und Standards vermitteln
Um Sprachmittelnde auf ihre Rolle gut vorzubereiten, werden sie von den Hauptamtlichen der Offenbacher Flüchtlingsberatung in Einzelgesprächen angeleitet. Wesentliche Aspekte des in diesen Gesprächen vermittelnden Rollenleitbilds sind die Schweigepflicht und die Neutralität von Sprachmit- telnden sowie die Vollständigkeit in der Vermittlung des Gesagten. Zusätzlich zur mündlichen Vermittlung dieser Standards unterschreiben die Sprachmittelnden eine Datenschutz- und Schweige- pflichtvereinbarung. Darüber hinaus werden sie je nach Einsatz auch über die Aufgaben der hauptamtlichen Akteure wie etwa der Flüchtlingsberatung, der Migrationsberatung, der Ausländerbehörde etc. informiert, um bei der Sprachmittlungstätigkeit über die nötigen Hintergrundinformationen zu verfügen.
Wichtig sind eine engmaschige Begleitung der ehrenamtlichen Sprachmittelnden sowie eine enge Anbindung ihrer Tätigkeit an die zuständige Flüchtlingsberatungsstelle. Dies dient unter anderem dazu, die Ehrenamtlichen dabei zu unterstützen, sich wenn nötig gegenüber Klientinnen oder Klienten abzugrenzen. Gerade wenn Ehrenamtliche mit den von ihnen begleiteten Geflüchteten kulturelle Hintergründe oder Fluchterfahrungen teilen, können unter Umständen übertriebene Erwartungen auf Seiten der Klienten oder Klientinnen entstehen - was dann beispielsweise dazu führen kann, dass diese ihr ehrenamtliches Gegenüber in der Hoffnung auf weitere Unterstützung immer wie- der um die Herausgabe privater Kontaktdaten bitten. Zudem können Irritationen und Mehrarbeit für alle Beteiligten entstehen, wenn Sprachmittelnde ohne Absprache mit der Flüchtlingsberatung bei Behörden und anderen Stellen aktiv werden.
Hilfen zum heimisch werden
Im Jahr 2015 und 2016 konnte die Flüchtlingsberatung des Caritasverbandes in Rodgau, Seligenstadt und Mainhausen ihren ehrenamtlichen Sprachmittlungspool auch dank des Engagements geflüchteter Menschen zu einem Netzwerk qualifizierter Sprachmittlerinnen und Sprachmittler ausbauen und dadurch flexibel auf unterschiedliche Bedarfe der Geflüchteten reagieren. Im Jahr 2017 wurde dies schwieriger: Viele der Ehrenamtlichen mit Fluchthintergrund fanden einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz und hatten folglich kaum noch Zeit, um als Sprachmittelnde zur Verfügung zu stehen. Zugleich ging auch der Bedarf an Sprachmittlung deutlich zurück, da viele Geflüchtete aufgrund einer Vielzahl von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Sprachkursangeboten ihre Deutschkenntnisse verbessert hatten.
Die Integrationserfolge seitens der Ehrenamtlichen wie auch der Klientinnen und Klienten legten nahe, die Konzepte zur Stärkung von Teilhabe und Integration anzupassen: In Kooperation mit den Städten Rodgau und Seligenstadt begann die Caritas-Flüchtlingsberatung, ehrenamtliche Sprachmittelnde und weitere Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund zu Integrationslotsinnen und Integrationslotsen weiterzubilden. Diese sollen Geflüchtete dabei unterstützen, sich vor Ort schneller zurechtzufinden, Kontakte zu knüpfen und heimisch zu werden. Erfahrene Sprachmittelnde und Menschen mit eigenen Migrationserfahrungen bringen aufgrund ihrer sprachlichen Fähigkeiten und interkulturellen Erfahrungen dafür beste Voraussetzungen mit: Sie finden oft einfacher Zugang zur Lebenswelt der Geflüchteten und sind zugleich selbst bereits in ihrer Region heimisch geworden.
Um diese Kompetenzen optimal nutzen zu können, werden die Ehrenamtlichen im Rahmen eines dreimonatigen Schulungsprogramms für ihre Tätigkeit qualifiziert. In acht Modulen werden sie von qualifizierten Referentinnen und Referenten zu den Themen "Grundlagen des Ehrenamtes", "Kulturelle Dimensionen", "Interkulturelle Kompetenz", "Rechtliches Basiswissen", "Bildungs- und Erziehungssystem in Deutschland", "Sozialraumorientierung", "Kommunikation und Gesprächsführung" sowie "Sicheres Verhalten in Krisen" geschult.
Die Ehrenamtskoordinatorin Karin Effenberger zieht aus dem Projekt ein sehr positives Fazit: Von der Tätigkeit der Sprachmittelnden und der Integrationslotsinnen und -lotsen profitieren nicht nur die Geflüchteten, sondern auch die Ehrenamtlichen selbst. Sie können ihre Deutschkenntnisse verbessern, Kontakte knüpfen und eine Vielzahl eigener Kompetenzen und Ressourcen entdecken und diese weiter ausbauen. Die aktive Partizipation im Ehrenamt geht oft mit Anerkennung und Wertschätzung einher und stößt Prozesse der Zugehörigkeit und der Identifikation an. Für die Caritas im Kreis Offenbach ist es deshalb in den nächsten Jahren ein wichtiges Ziel, weiterhin Ehrenamtliche zu Sprachmittelnden so- wie zu Integrationslotsinnen und -lotsen auszubilden.
Die Koordination der Integrationslotsinnen-und lotsen wird über das Projekt "Koordinierung, Qualifizierung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements für Flüchtlinge" von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und dem WIR -Landesprogramm in Hessen gefördert.