Digitalisierung ist ein Kulturwandel – das ist harte Arbeit!
Dr. Susanne Pauser. Vorständin Personal und DigitalesDCV / Gordon Welters
Wie weit ist die Caritas auf dem Weg der Digitalisierung?
Pauser: Die Frage lässt sich schwer pauschal beantworten. Es passiert im Verband in dieser Hinsicht an sehr vielen Stellen sehr viel. Einiges ist mit bloßem Auge zu sehen: die ersten Roboter, die in der Pflege eingesetzt werden; die steigende Zahl an digitalen Angeboten, die wir Klient_innen zur Verfügung stellen; das Civic Data Lab, das im November 2023 an den Start gegangen ist… Vieles passiert im Hintergrund und betrifft Arbeitsprozesse und Abläufe. Das ist nicht weniger wichtig. Insgesamt gilt: Es ist herausfordernd, in der sich sehr schnell digitalisierenden Welt Schritt zu halten. Denn gemeinsame Digitalvorhaben vertragen sich schwer mit unserer subsidiären verbandlichen Kultur.
Ist die Digitalisierung wirklich nur dann zu meistern, wenn alle gemeinsam vorangehen?
Aus meiner Sicht ja. Digitale Aufgaben und Möglichkeiten wie zum Beispiel der Einsatz von bestimmten Werkzeugen sind organisatorisch und finanziell zu groß für einzelne Verbandsmitglieder und können nur gemeinsam gestemmt werden. Und somit ist die digitale Transformation ein Thema der Verbandsentwicklung.
Wie meinen Sie das?
Wir müssen uns fragen, ob wir das Vertrauen und den Mut haben, enger und vernetzter zusammenzuarbeiten, Standards einzuführen. Denn wo es für alle geltende Standards gibt, geht ein Stück Eigenständigkeit verloren. Digitalisierung ist weitaus mehr als eine Frage von Tools und IT-Ausstattung. Digitalisierung ist eine Kulturfrage. Und Kulturveränderungen sind harte Arbeit!
Digitale Prozesse und Tools können uns helfen, bessere Unterstützungsangebote für die Menschen zu entwickeln. Kann auch unsere politische Arbeit davon profitieren?
Absolut! Die Caritas ist der größte Wohlfahrtsverband in Deutschland und somit ein Seismograph der Entwicklungen im Sozialen, von der Pflege zur Jugendhilfe über die Suchtberatung und vieles mehr. Unsere Ansprechpartnerinnen und -partner in der Politik vermuten zurecht bei uns eine hohe Kompetenz und Aussagekraft. Sie erwarten, dass wir unsere Positionen und Forderungen mit Daten untermauern - auch Medien haben diese Erwartung. Aktuelle, aussagekräftige Daten sind für unsere Legitimität und letztendlich für unsere Lobbyarbeit unheimlich wichtig.
Was hat das für Implikationen?
Auch da ist ein Kulturwandel notwendig. Diese Daten müssen nach gemeinsamen Standards und systematisch erhoben werden, damit man damit etwas anfangen kann. Im Moment sind wir weit davon entfernt. Beim DCV beschäftigt sich ein kleines Team genau mit diesem Thema. Es muss Vorrang haben, wenn wir glaubwürdig bleiben wollen.
Dr. Susanne Pauser hat zum 1. März 2023 ihre Stelle als Vorständin Personal und Digitales im Deutschen Caritasverband angetreten. Zuvor hatte sie vorwiegend in der Versicherungswirtschaft Leitungspositionen im Bereich Personal inne. In ihren ersten Monaten im Amt hat Dr. Pauser viele Caritas-Standorte besucht. Neben ihren Thesen zur Digitalisierung hatte sie immer eine Botschaft zum Thema Personal im Gepäck: Das drängende Problem des Personalmangels werden wir nicht mit aufwendigen Recruiting-Kampagnen lösen, sondern müssen uns zunehmend über eine Einschränkung unserer Angebote und Leistungen Gedanken machen.