Beruflicher Neustart mit Ü40: „Ich hatte da auch Angst und Respekt vor“
Bis 2023 ist Bianka Klanke Auszubildende bei der Düsseldorfer Caritas.Caritasverband Düsseldorf
Über fünfzehn Jahre verkaufte Bianka Klanke gehobene Mode in der Düsseldorfer Innenstadt. Für die gebürtige Norddeutsche hatte das irgendwann nicht mehr viel mit ihrer eigenen Lebensrealität zu tun: "Ich selbst trage keine Jeanshosen für 300 Euro. Beim Verkaufen kam ich mir zudem oft blöd vor, besonders wenn Kundinnen ein komplettes Monatsgehalt von mir ausgegeben haben." Nach der Kündigung aufgrund der wirtschaftlichen Lage im März 2020 stand für Bianka Klanke eines fest: "Ich wollte nicht mehr in einen Beruf zurück, in dem es nur um Oberflächlichkeiten geht, sondern etwas Sinnvolles machen - anderen Menschen helfen."
Ein Beruf ohne Oberflächlichkeiten
Über zehn Jahre arbeitete Bianka Klanke in der Mode-Branche.Bianka Klanke
"Willst du diesen Job bis zur Rente machen?" Diese Frage stellte sich Bianka Klanke bereits seit 2016 immer wieder und dachte über einen Neuanfang in anderen Berufsfeldern nach. Jedoch blieb die zweifache Mutter zunächst im Einzelhandel - sie hatte eine feste Stelle mit geregeltem Einkommen. Dann kam die Corona-Pandemie, der Lockdown und schließlich die Kündigung. Im April 2020, drei Wochen nach der Kündigung, entschied sich Klanke für eine Ausbildung in der Pflege. "Wenn ich nicht gekündigt worden wäre, hätte ich diesen Schritt nicht gewagt. Da hätte ich zu viel Angst gehabt."
Lebenserfahrung als Vorteil
Als Auszubildende der generalistischen Pflegeausbildung lernt Bianka Klanke Menschen aller Altersstufen zu pflegen. Mit der Wahl des St. Hubertusstifts als ihren Ausbildungsbetrieb setzt sie jedoch ihren Schwerpunkt in der Altenpflege. Für Sarah Begerl, Wohnbereichsleiterin im St. Hubertusstift, ist das ein gut gewählter Fokus: "Es macht einfach Spaß, Frau Klanke zuzuschauen: Die Art und Weise, wie sie mit den Bewohnern umgeht, ist einfach natürlich." Die 34-jährige Pflegefachkraft ist seit über neun Jahren Wohnbereichsleitung bei der Caritas und findet: "Alter spielt keine Rolle." Jedoch merke sie Unterschiede zu den jüngeren Auszubildenden: "Frau Klanke denkt nicht nur an die körperliche, sondern auch an die ganzheitliche Pflege." Dazu gehören der Kontakt zu Ärzten, Gespräche mit den Bewohner_innen und die schriftliche Dokumentation. Auch sei die 49-jährige eigenständiger und selbstbewusster, als es Sarah Begerl sonst von Pflegeschüler_innen gewohnt ist: "Ein Vorteil ist sicherlich die Lebenserfahrung. Sie kann sich besser in die Bewohner hineinversetzen, weil sie selbst Mutter ist und aufgrund ihres Alters bereits Erfahrungen mit Verlust gemacht hat."
Seit 2020 macht Bianka Klanke ihre Ausbildung im St. Hubertusstift in Düsseldorf.Caritasverband Düsseldorf
Weiterbildung wird gefördert
Rückenwind für ihren Neuanfang erhält Bianka Klanke, eigentlich gelernte Werbekauffrau, vom Jobcenter. Denn als Arbeitssuchende, die länger als zehn Jahre nicht mehr in ihrem gelernten Beruf gearbeitet hat, steht ihr Unterstützung für eine berufliche Weiterbildung zu. So erhält die Düsseldorferin bis zum Ende ihrer Ausbildung einen sogenannten Bildungsgutschein: Dieser bezuschusst ihr Ausbildungsgehalt und anfallende Zusatzkosten wie Fahrtkosten. Die beste Lösung für Bianka Klanke und ihre 16-jährige Tochter: "Denn nur mit einem Lehrlingsgehalt würden wir es nicht schaffen", so Klanke. Laut der Bundesagentur für Arbeit nahmen im Jahr 2018 rund 317.000 Menschen an dieser Förderung teil.
Zurück in die Schule
In der Ausbildung spielen auch die Organisation und Dokumentation der Pflege eine Rolle.Caritasverband Düsseldorf
Neben dem praktischen Einsatz im Altenzentrum gehört Theorieunterricht in der Berufsschule zum Ausbildungsalltag von Frau Klanke. Im Vorfeld hatte die Düsseldorferin Respekt vor dem Schulstoff, denn weder in der Schule noch im abgebrochenen Germanistikstudium lernte sie besonders gerne. Ihre Befürchtungen bestätigten sich aber nicht: Nach den ersten zwei Monaten Schule weiß sie, dass sie mit dem Lernen einfach früh anfangen muss und ihr ein Lernplan hilft. Da merkt sie einen Unterschied zu ihren jüngeren Mitschüler_innen, die den neuen Stoff schneller verinnerlichen. "Das Lernen klappt mit dem Alter einfach langsamer", resümiert Klanke. In ihrer Klasse sind die meisten Auszubildenden um die 20 Jahre alt. Das ist laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auch bundesweit der Fall - im Schnitt waren Auszubildende 2018 19,9 Jahre. Für Bianka Klanke ist der Altersunterschied jedoch nicht schlimm: "Das hält einen im Kopf schön jung." Laut dem Datenreport 2020 des BIBB sitzen in den wenigsten deutschen Berufsschulklassen sogenannte "Senior-Azubis": Von den 521.901 Frauen und Männern, die 2018 in Deutschland einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, waren 0,3 Prozent über 40 Jahre.
Bis zur Rente
Um bei den hohen körperlichen Anforderungen fit zu bleiben, macht Bianka Klanke ein bis zwei Mal die Woche Yoga.Caritasverband Düsseldorf
Als Bianka Klanke noch für inhabergeführte Läden und Werbeagenturen arbeitete, machte sich die Auszubildende kaum Gedanken über feste Urlaubs- oder Arbeitstage: "Eigentlich habe ich immer gearbeitet." Deswegen wollte sie ihre Ausbildung bei einem bekannten Arbeitgeber wie der Caritas machen, "wo alles gesichert ist und das Geld am 29. auf dem Konto". Wenn nichts dazwischenkommt, bleibt Bianka Klanke nach ihrer Ausbildung im Hubertusstift und bis zu ihrer Rente bei der Düsseldorfer Caritas.
"In der Pflege unterstütze ich jemanden bei essenziellen Dingen - wasche Haare oder frage, wie der Tag war" - dafür wird Bianka Klanke von den Heimbewohner_innen geschätzt. Das bedeutet der Auszubildenden mehr, als wenn jemand in ihrem alten Beruf zu ihr sagte: "Da hast du mir aber ein schönes Oberteil verkauft!" Für die Düsseldorferin steht fest, dass sie ihren Neustart in der Altenpflege nicht bereuen wird.