Ein starkes Team – auf dem Spielfeld und im Leben
Getrennt von Frau und Kindern
S. kam im Herbst 2015 als Geflüchteter nach Deutschland. Nach seinem Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung erfolgte Anfang 2016 die Verteilung nach Osnabrück. Die Ehefrau und die fünf Kinder von S. lebten noch im Heimatland Irak. "Wir haben geglaubt, dass meine Familie schnell auf sicherem Weg zu mir nach Osnabrück kommen kann. Ich habe jeden Tag auf die Post vom Bundesamt gewartet. Das Warten und die Angst um meine Familie waren so schlimm für mich", erzählt S. von seiner ersten Zeit in Deutschland. Der Mann hat sehr unter der Trennung gelitten. Sein jüngster Sohn war gerade ein Jahr alt, als der Vater den Irak verlassen musste.
Es dauerte 18 Monate, bis S. den positiven Bescheid vom Bundesamt für Migration und Flücht-linge (BAMF) in den Händen hielt und wusste, dass seine Familie nach Deutschland nachreisen darf - zumindest theoretisch. Doch auch das Nachzugsverfahren brachte immer wieder neue Hürden und Rückschläge mit sich, sodass weitere 22 Monate vergingen, bis Frau und Kinder tatsächlich in Deutschland gelandet sind. Diese Zeit war für S. geprägt von Trennungsschmerz, Angst und Zweifel: "Manchmal habe ich gedacht, dass ich meine Familie nie wieder sehe."
Einer für alle und alle für einen
Rückhalt und Unterstützung erhielt S. in diesem Zeitraum von seinen Teamkollegen aus der Handball- und Fußballmannschaft, in denen er bei zwei Vereinen in der Stadt trainiert und gespielt hat. Insbesondere die emotionale Unterstützung und Abwechslung taten dem Familienvater gut. Diese mannschaftliche Geschlossenheit war es auch schließlich, die den Traum der Familienzusammenführung ganz praktisch Wirklichkeit hat werden lassen. Nachdem alle behördlichen Angelegenheiten geklärt waren und Ehefrau und Kinder endlich die Visa für die Ein-reise nach Deutschland in den Händen hielten, sammelten die Teamkollegen Geld, damit S. Flugtickets für seine Familie bezahlen konnte.
Ein Wiedersehen nach mehr als 3 Jahren
Nach circa 3,5 Jahren Trennung war dann der große Tag gekommen. Die Familie von S. landete am späten Abend am Flughafen Köln/Bonn. Für die Mannschaften war es selbstverständlich, dass sie die Abholung der Familie privat organisieren und mit S. zum Airport fahren. Glück, Erleichterung und Freude kannten im Moment des Wiedersehens keine Grenzen. Doch damit nicht genug. Ein Mitspieler lud die gesamte Familie von S. für die ersten Tage und Nächte in das Haus seiner Familie ein. Denn bis zur Einreise lebte S. in einer Wohngemeinschaft (WG) in einer städtischen Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber und Geflüchtete. "Wir haben W., S. und die Kinder aufgenommen, weil uns alle anderen Optionen nicht kindgerecht erschienen und wir Mutter und Kindern ein freundliches Ankommen in der ihnen fremden Kultur ermöglichen wollten. Es war eine großartige Erfahrung, Teil der FC Concordia Helfergruppe zu sein", sagen Anja Hinrich, Tammo und Steffen zu ihren Beweggründen, der fremden Familie in ihren eigenen vier Wänden Zeit und Raum zum Ankommen zu geben.
Ein neues Zuhause für S. und seine Familie
Die WG in der Gemeinschaftsunterkunft wurde nun umfunktioniert zur neuen Bleibe von S. und seiner Familie. Und auch hier zeigte sich wieder, wie gut das Team nicht nur auf dem Platz funktioniert: Mannschaftskollegen schauten sich die Wohnung an und hielten fest, was an Renovierung und Reinigung bis zum Einzug der Familie noch zu tun ist. Außerdem sammelten sie privat Möbel, Elektrogeräte, Hausrat, Kuscheltiere und Kleidung für die Familie ihres Mitspielers. Termine bei Behörden wurden vereinbart, Anträge vorbereitet und erste Erkundungen der Stadt unternommen.
Nun lebt die Familie glücklich in einer kleinen, aber gemütlichen Wohnung – in Sicherheit, alle zusammen. Keine Frage, dass die Familie gleich das erste Wochenende in Deutschland genutzt hat, um den Ehemann und Papa beim Handball und Fußball anzufeuern und die tollen Teamkameraden kennenzulernen.
Autor: Thorsten Bäcker, Sozialarbeiter und Nonprofit-Manager im Bereich Flüchtlingssozialarbeit beim Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Osnabrück
Thorsten Bäcker hat S. Ende 2016 kennengelernt, als er seine neue Stelle als Flüchtlingssozialarbeiter beim Caritasverband Osnabrück angetreten hat. In enger Kooperation mit der Stadt Osnabrück bietet die Caritas Beratung und Begleitung für geflüchtete Menschen an, die in einer städtischen Unterkunft wohnen. "Die Arbeit mit S. war von Anfang an sehr intensiv. Seine Angst um die Familie und seine Verzweiflung haben mich tief berührt, sein Kampfgeist und seine Integrationsbemühungen in dieser schwierigen Zeit beeindruckt. Nun die Familie kennenzulernen macht auch mich sehr froh und ist das Highlight meiner Zeit bei der Caritas."
Der Sozialarbeiter unterstützt nun bei Behördenangelegenheiten, bei der Suche nach Schul- und Kindergartenplätzen oder der Anschaffung von Fahrrädern für die Kinder. "Am Anfang jedes Termins erkundige ich mich aber, wie S. und seine Teams am Wochenende auf dem Handball- und Fußballfeld abgeschnitten haben."
Weitere Informationen und Kontakt zur Flüchtlingssozialarbeit beim Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Osnabrück: https://www.caritas-os.de/os/beratungsstelle-osnabrueck/fluechtlingssozialarbeit/fluechtlingssozialarbeit