Straßenschule: Nicht jedes Kind kann sich das Schulgeld leistenCaritas international
Viele Kinder und Jugendliche haben in den Wirren des Genozids in Ruanda ihre Eltern verloren oder mussten miterleben, wie Geschwister oder Eltern ermordet wurden. Bei anderen hat die Infektionskrankheit Aids die Familie zerstört und sie auf die Straße getrieben. "Ich ging zurück nach Ruanda und sah, dass mein Elternhaus geplündert war, und die Nachbarn die Felder besetzt hatten. Ich musste mich auf der Straße durchschlagen," erzählt David. Wie die meisten anderen Kinder auf der Straße, begann er in seiner verzweifelten Lage Klebstoff zu schnüffeln. Der giftige Stoff ist die billigste Methode, sich der brutalen Wirklichkeit zu entziehen.
Die Streetworker der Caritas sprechen die Jugendlichen auf der Straße an und laden sie ein, in das Zentrum Abaterambere zu kommen. Viele der Kinder sind traumatisiert und benötigen einen verständnisvollen und warmherzigen Umgang. Die Sozialarbeiter versuchen zunächst, Eltern oder Verwandte ausfindig zu machen und die Kinder in die ursprüngliche Familie zurück zu bringen. Ist dies geglückt, besuchen sie die Familien mehrmals und bereiten sie auf die Kinder vor. In diesen Fällen erhalten die Familien als Starthilfe eine finanzielle Unterstützung. Ist dies nicht möglich, werden die Kinder im Zentrum weiter betreut.
Ursprünglich kümmerten sich die Sozialarbeiter ausschließlich um Jungen. Nachdem vermehrt Mädchen auf der Straße leben, richteten sie 2004 ein Haus für Mädchen ein, in dem sie auch übernachten können.
Das Angebot in den Betreuungszentren bereitet die Kinder auf ihr Leben vor: Neben medizinischer Versorgung und warmen Mahlzeiten können die Kinder an verschiedensten kulturellen, kreativen oder alltagspraktischen Aktivitäten teilnehmen. Dadurch gelingt es den Mitarbeitenden, ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen. Die Jungen und Mädchen stärken ihr Selbstvertrauen durch Sport und Akrobatikkurse. Erfolgreich beteiligt sich das Zentrum an sportlichen Turnieren von Straßenkindern in Kigali.
Sport und Spiel sollen Spaß machen - und das
Selbstvertrauen der Kinder stärkenCaritas international
Auch David zieht viel Selbstbewusstsein aus seinen sportlichen Leistungen als Läufer. Mehrere regionale Wettkämpfe hat er schon gewonnen. Im Jahr 2005 war er sogar zum "Internationalen Friedensmarathon" in die ruandische Hauptstadt Kigali eingeladen und gewann die Goldmedaille in der Klasse der unter 18-Jährigen. David nimmt nun regelmäßig an nationalen Wettkämpfen teil. Als Gewinner mehrerer Wettbewerbe hat er mit dem Preisgeld etwas dazuverdienen können.
Zwei Vertreterinnen wurden zu einer internationalen Sportveranstaltung nach Peking entsandt und waren dort sehr erfolgreich (siehe: Goldmedaillen für Ruhengeri). Für die Jüngeren zahlt die Caritas das Schulgeld und sorgt dafür, dass sie die Schule nicht abbrechen.
Straßenkinder finden Familien
Von den 95 Mädchen im Caritas Zentrgehen 55 wieder zur Schule, 40 haben eine berufliche Ausbildung begonnen. Von den 153 Jungen besuchen 103 wieder eine Schule, 50 Jugendliche haben einen Ausbildungsplatz erhalten. Inzwischen konnten rund 60 junge Menschen ihre Ausbildung mit Erfolg abschließen. Sie werden nun als Schreiner, Automechaniker, Schneiderin oder Frisösin ihren Weg zu einem selbstständigen Auskommen finden.
Im Zentrum "Abaterambere" in Ruhengeri finden jährlich 140 Kinder und Jugendliche ein Zuhause.Sebastian Sunderhaus
Ein weiterer Erfolg ist, dass in den letzten zwei Jahren 58 Jungen und 40 Mädchen in ihre Familien zurückkehren konnten. So konnte jedes dritte Kind, das angesprochen wurde, inzwischen in sein weiteres familiäres Umfeld reintegriert werden.
Zu den Aufgaben der Kinder im Zentrum gehört es, sich um die Baumschule und die Tierzuchten zu kümmern. Die Jungen sind stolze Eigentümer von mehreren Schweinen. Im vergangenen Jahr wurden zehn Schweine verkauft oder für den eigenen Verzehr geschlachtet. Kartoffeln, Kohl, Karotten und anderes Gemüse reichern den Speiseplan des Zentrums an oder werden verkauft. Jochen Maurer, Afrika-Experte bei Caritas international, berichtet aus dem Zentrum: "Einige der Kinder kümmern sich um die Essenszubereitung oder um die Pflanzen in der Baumschule. Ehemalige Straßenkinder, einige von ihnen sind inzwischen verheiratet, arbeiten in den Werkstätten und verdienen sich so ihren Lebensunterhalt."
Für viele Kinder und Jugendliche in Ruhengeri ist das Betreuungszentrum weit mehr als ein Treffpunkt: Es ist Lebensmittelpunkt und eine Chance für eine bessere Zukunft.
August 2011