Da haben Suchtberater bestimmt wenig zu tun, so die immer noch anzutreffende Meinung. "Das habe ich anfangs auch gedacht" erinnert sich Thorsten Rahner, der zuvor in der Suchtberatung der Ruhrgebietsstadt Hagen tätig war. Doch schnell musste er erkennen, dass es im östlichen Münsterland in Sachen Drogen und Sucht leider mehr als genug zu tun gibt. Mittlerweile leitet er in Warendorf die Sucht- und Drogenberatung "quadro", die im Kreis Warendorf vier Beratungsstellen der Caritas und des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) unter einem Dach vereint.
Das größte Problem, egal ob Stadt oder Land, ist und bleibt dabei flüssig und hochprozentig: Nach wie vor kommen die meisten Menschen in die Beratungsstellen, weil sie ein Problem mit übermäßigem Alkoholkonsum haben. "Zu viel getrunken wird immer", bringt es der Ahlener Caritas-Berater Hermann Wetterkamp auf den Punkt. Erst mit einigem Abstand folgen illegale Drogen wie Cannabis oder Amphetamine. Die Gründe für Alkoholsucht sind immer verschieden: Stress im Job, Probleme mit dem Partner oder psychische Ursachen sind nur Beispiele von vielen.
Vor allem der gestiegene Druck im Arbeitsleben hat zu einer Veränderung des Suchtverhaltens geführt. Erst kürzlich sorgte eine Studie der DAK für Aufsehen. Die Zahl der Deutschen, die im Job auf Medikamente zur Leistungssteigerung zurückgreifen, hat deutlich zugenommen. Auch bei den Klienten von Rahner, Wetterkamp und ihrem Beckumer Kollegen Gerhard Fleischhauer ist diese Motivation spürbar. "Manche kommen auf Parties mit Amphetaminen in Kontakt und nehmen sie dann auch im Job", berichtet Fleischhauer. Die Droge wirkt euphorisierend und kann ein längeres Durchhalten im Job ermöglichen.
Doch die Folgen für die eigene Gesundheit und das persönliche Umfeld sind gravierend. Im Falle der Amphetamine kann es zu Psychosen kommen, Alkoholsucht führt zu Erkrankungen der Leber, die häufig tödlich verlaufen. Viele Süchtige können im Beruf nicht mehr den Schein wahren, verlieren ihre Jobs und müssen sich auf kriminellem Weg Geld zur Finanzierung ihrer Sucht beschaffen. Wenn auch noch der Partner mit der Trennung droht, kommen die Menschen in die quadro-Beratungsstellen.
"Der Leidensdruck wird für sie einfach zu groß", hat Thorsten Rahner beobachtet. Viele Partner versuchen zwar lange, die Süchtigen zu unterstützen: "Sie entschuldigen den Ehemann beim Arbeitgeber oder versuchen Alkohol aus dem Umfeld fernzuhalten", erzählt Rahner von solchen sogenannten "Co-Abhängigen". Doch selbst dem verständnisvollsten Angehörigen wird es irgendwann zu viel, Beziehungen stehen auf der Kippe.
In den Beratungsstellen wird zunächst geschaut, wie der weitere Ablauf aussehen kann. "Je nach Lage der Dinge kann eine stationäre oder eine ambulante Reha sinnvoll sein", erklärt Hermann Wetterkamp. Das quadro-Team ist auf die ambulante Form der Reha spezialisiert. Das bedeutet vor allem, das viel gesprochen wird. Natürlich mit den Süchtigen selbst, aber auch mit den Angehörigen. "Da gibt es verschiedene Formen. Allen voran natürlich die klassischen Einzel- und Gruppengespräche", erklärt Thorsten Rahner. Darüber hinaus bietet "quadro" Präventionsprojekte an, die vor allem von Schulen, zunehmend aber auch von Betrieben angefragt werden.
Für einen nachhaltigen Weg aus der Sucht brauchen die Menschen in der Regel viel Zeit, die ihnen vor allem in den Selbsthilfegruppen gegeben wird. Dass dieses Modell des Gruppengespräches auch von den Suchtkranken als hilfreich angesehen wird, zeigt ein Beispiel von Gerhard Fleischhauer. "Es gibt Selbsthilfegruppen, die sich aus unseren ambulanten Reha-Maßnahmen entwickelt haben", erzählt er. Aus eigenem Antrieb heraus würden sich die ehemaligen Klienten immer noch regelmäßig treffen. "Dass die das selbst initiieren, macht uns schon ein bisschen stolz", freut sich Fleischhauer.
Ein großes Aber bleibt jedoch: "Es gibt immer wieder Menschen, denen wir einfach nicht helfen können", sagt Thorsten Rahner. Alle drei können von Klienten berichten, die immer wieder rückfällig wurden und ihre Sucht schließlich mit dem Leben bezahlen mussten. "Es ist schwer das zu akzeptieren, aber es gehört zu unserem Job leider dazu."
032-2015 (jks) 10. April 2015
Kontakt zu quadro: Thorsten Rahner
E-Mail: rahner@skm-warendorf.de
Website: www.qua-dro.de