Augsburg / Kempten, 25.06.2020 (pca). Seit dem Corona-Lockdown im März sind nun zum 15. Juni erstmals wieder Reisen innerhalb der EU weitestgehend erlaubt. Viele Migrant*innen und Geflüchtete möchten unbedingt zurück in ihre Heimatländer reisen, doch können viele nicht von dieser Lockerung im europäischen Raum profitieren, da ihre Heimat außerhalb Europas liegt. Fabian Doser, 28 Jahre alt, arbeitet in der Zentralen Rückkehrberatung Südbayern in Kempten und unterstützt Klient*innen, die schon vor Corona zurück in ihr Heimatland wollten. Doch die Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich erschwert.
Fabian Doser arbeitet seit 2012 für die Caritas. Soziale Arbeit und besonders die Arbeit mit Geflüchteten und Asylsuchenden interessiert ihn dabei besonders. Nach dem Bachelorabschluss in Sozialmanagement hatte er mehrere Stellen in der Integrationsarbeit inne: Beratung in Flüchtlingsunterkünften, Planung von Integrationszentren, Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer - all das gehörte bis 2019 zu seinen Tätigkeitsbereichen. Schließlich wechselte er im Oktober 2019 nach Kempten in die Zentrale Rückkehrberatung Südbayern - ein Projekt verschiedener (Wohlfahrts-)Verbände. Doch was genau ist eigentlich eine Rückkehrberatung und wie hat sich Dosers Arbeit aufgrund des Corona-Lockdowns verändert?
"Viele Leute haben noch nie von dem Begriff ‚Rückkehrberatung‘ oder ‚Freiwillige Ausreise‘ gehört.", lacht Doser. "Es ist so: Eine geflüchtete Person stellt einen Asylantrag. Wird dieser abgelehnt, kann er oder sie dagegen klagen. Wenn das erfolglos ist, ist die Person ausreisepflichtig. Dann hat der Migrant oder die Migrantin die Möglichkeit, freiwillig auszureisen. Kommt die Person dem nicht nach, wird er oder sie abgeschoben. Aber natürlich gibt es darüber hinaus auch Geflüchtete, die aus familiären oder persönlichen Gründen wieder freiwillig zurück in die Heimat möchten, und dafür Unterstützung benötigen. Die berate ich auch. Zudem helfe ich dabei, die Rückreise zu planen und beantrage Fördermittel für die Klient*innen.", erklärt Doser seine Arbeit.
Rückreisegründe sind oft sehr vielfältig
Ein Problem ist, dass die Menschen unglaublich viel auf sich nehmen, um nach Europa zu kommen. Sie verlassen ihre Familien, legen beschwerliche, gefährliche Reisen hinter sich und kommen schließlich in einer völlig fremden Umgebung an. Oft ist die Motivation dann niedrig, um wieder zurückzukehren. "Meine Aufgabe ist es dann, die Leute über Unterstützungsmöglichkeiten in ihrer Heimat aufzuklären und ihre individuelle Situation zu besprechen. Denn wenn jemand ausreisepflichtig ist, drohen Konsequenzen, wenn man dieser Pflicht nicht nachkommt. Eine Abschiebung wäre ein erneutes Trauma. Darüber spreche ich mit den Menschen und zeige Perspektiven auf. Eine freiwillige Ausreise ist zudem auch viel unauffälliger als eine offizielle Abschiebung und man kann einen gewissen Einfluss nehmen.", erzählt Doser. Ihm war es wichtig, Migrant*innen, Flüchtlinge und Asylsuchende, die oft tragische Momente erlebt haben, aufrichtig zu beraten und ihr Vertrauen zu gewinnen. "Deshalb wollte ich bei einem unabhängigen Träger arbeiten. Bei der Zentralen Rückkehrzentrale Südbayern arbeiten mehrere Verbände zusammen. So stellt die ZRB Südbayern auch eine Alternative zu staatlichen Behörden dar, die ebenfalls mit Rückkehrberatung beauftragt sind.", sagt Doser.
Wie hat Corona die Situation verändert?
Doser erzählt, dass bei einer Ausreise oft andere Gründe als das Aufenthaltsrecht dahinterstecken. "Klar gibt es die, die ausreisen müssen. Aber manche haben einen Krankheits- oder Todesfall in der Familie. Sie wollten schon vor Corona ausreisen. Ein Klient hätte sogar am Tag des Lockdowns seinen Rückflug gehabt. Nun - daraus ist bis heute nichts geworden. Darunter leidet der Klient sehr." Da der Großteil im Flugzeug zurückfliegt und der internationale Flugverkehr ja weiterhin eingeschränkt ist, müssen viele von Dosers Klient*innen weiter ausharren. Das bedeutet, dass Doser aktuell hauptsächlich beratend tätig ist und seinen Klient*innen auch emotional eine Stütze ist. "Schlimm ist, dass viele meiner Klient*innen schon mental den Entschluss gefasst haben, nach Hause zurückzukehren. Nun werden sie hier ‚aufgehalten‘. Das kann psychisch sehr belastend sein.", so Doser. Außerdem hat er auch Kontakt zu Klient*innen, die bereits ausgereist sind, nun aber auf Unterstützungszahlungen warten. "Gerade kommt es hier leider oft zu Verzögerungen, da die Hilfsorganisationen vor Ort oder die Banken zur Bargeldauszahlung natürlich auch von den jeweiligen Lockdowns betroffen sind. Das ist besonders tragisch, denn zusätzlich sind die jeweiligen Arbeitsmärkte angespannt und es ist schwierig, Jobs zu finden.", gibt Doser zu bedenken.
Wenn Ausreisen aus der EU wieder verstärkt möglich sein werden, wird ein weiteres Problem sein, wie die jeweiligen Länder eine Quarantäne handhaben. Müssen alle Einreisenden dann in Quarantäne? Wird dies dann eine staatliche Quarantäne am Flughafen auf eigene Kosten sein? "In diesem Fall würden meine Klient*innen ihre gesamten Unterstützungsgelder allein dafür ausgeben und hätten für einen Neuanfang in der Heimat kein Geld mehr.", sagt Doser. Wie Fabian Dosers Aussagen bestätigen, hat Corona demnach auch im Bereich der Rückkehrberatung zu zahlreichen Herausforderungen geführt. Mehr denn je sind von den Berater*innen Flexibilität, Einfühlungsvermögen und schnelle Reaktionen auf die ohnehin dynamischen Veränderungen in diesem Tätigkeitsbereich verlangt. (Karin Pill)