Caritasdirektor fordert fließende Übergänge der Hilfesysteme und mehr Informationsaustausch untereinander - Berater*innen von SKF und SKM beobachten Entwicklung mit Sorge - Tag der Wohnungslosen am 11.09.
Augsburg, 09 September 2021. Armut hat auch ein junges Gesicht. Die Zahl der jungen Wohnungslosen ist in den vergangenen Jahren auch im Raum Augsburg gestiegen. Von den rund 1.000 Wohnungslosen, die der SKM Augsburg im Jahr betreut, sind rd inzwischen rund 200, die zwischen 20 und 25 Jahren alt sind. "Es sind über die letzten Jahre immer mehr geworden", so Knut Bliesener vom SKM. Auch Bärbel Marbach-Kliem vom SKF Augsburg muss leider feststellen, dass der Anteil der jungen Frauen ab 18 bis 26 Jahren deutlich zugenommen hat. Waren es früher immer sechs bis sieben Prozent von durchschnittlich 350 Frauen im Jahr, so sind es nun 20 bis 22 Prozent, also rund 70 junge Frauen.
Marbach-Kliem und Bliesener bestätigen damit die Beobachtung des Deutschen Caritasverbandes und des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes. "Junge Menschen machen bis zu einem Fünftel aller Wohnungslosen aus." Beide wollen anlässlich des Tages der Wohnungslosen am 11. September 2021 auf diese besondere soziale Problematik hinweisen.
Augsburgs Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg macht diese Entwicklung Sorgen.
"Wir brauchen zwischen den Hilfesystemen - Jugend-, Wohnungslosen- und Sozialhilfe - fließende Übergänge. Wir brauchen hier einen frühzeitigen Informationsaustausch, ein Übergangsmanagement, und mehr Zusammenarbeit der Vertreter der Hilfesysteme mit den in der sozialen Arbeit Tätigen", fordert er. "Ich bin deshalb besonders dankbar dafür, dass sich SKM, SKF und der Stadtjugendring gemeinsam des Themas angenommen haben und sich auch ständig darüber austauschen und miteinander abstimmen." SKM Augsburg e. V., Katholischer Verband für soziale Dienste, wie auch der SKF, der Sozialdienst katholischer Frauen in Augsburg sind als Fachverbände Mitglied im Caritasverband für die Diözese Augsburg.
Ob diese Zusammenarbeit wirklich die jungen Frauen erreichen würde, die gänzlich aus den Hilfesystemen herausgefallen sind, da kann Marbach-Kliem vom SKF keine eindeutige Antwort geben. Sie leitet die Fachstelle "InBeLa - Beratungsstelle für Frauen in besonderen Wohnungslagen". "Die jungen Frauen, die oftmals bei uns unmittelbar nach ihrem 18. Geburtstag bei uns aufschlagen, lehnen anfänglich leider nicht selten jegliche pädagogische Hilfe oder eine weitere Maßnahme der Jugendhilfe ab."
Per Gesetz fielen sie mit dem 18. Geburtstag aus den Jugendhilfemaßnahmen heraus. Sie mussten aus
den entsprechenden Wohnheimen, Jugend-Pensionen oder Jugend-Wohngemeinschaften ausziehen. Der kleinere Anteil von ihnen musste oder wollte das Elternhaus verlassen. Ein Großteil der Betroffenen lebt als Couch-Hopper. D.h. sie kommen bei unterschiedlichen Freunden und Bekannten unter. Sie ziehen diese Form des Wohnens dem Übergangswohnheim vor. "Sie tauchen dann für ein paar Wochen ab und dann wieder mit einem Wust an Chaos bei uns wieder auf." Die SKF-Fachstelle versucht dann dadurch zu helfen, indem sie beispielsweise bei der Antragstellung auf einen Personalausweis oder aber auf Hartz-IV-Leistungen beim Jobcenter unterstützen. "Doch leider werden Termine nicht regelmäßig eingehalten, sodass sich die Stabilisierung der Situation herauszögert."
Das von der SKF-Fachstelle angebotene pädagogische "Rundum-Paket" werde in der Anfangsphase zumeist abgelehnt, so Marbach. Es bedürfe deshalb eines sehr sensiblen Vorgehens, um Zugang zu den jungen Frauen zu bekommen. Die meisten von ihnen haben alle möglichen Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen hinter sich gebracht. Ihre Biographien sind teilweise dramatisch. "Sie möchten sich nicht erneut Vorschriften und Regeln unterwerfen, möchten endlich ‚frei‘ sein und ihr Leben eigenständig gestalten".
Die pädagogischen Fachkräfte von InBeLa möchten sie darin gerne unterstützen. "Doch können wir leider nur sehr schwer andocken. Wir finden anfänglich wenig Zugang zu ihnen", bedauert sie. "Das ist eine Tragik, auch weil jüngere wohnungslose Frauen um ein Vielfaches gefährdeter sind als junge Männer."
Knut Bliesener vom SKM Augsburg bedauert, dass stadtweit die Versorgung für junge wohnungslose
Menschen der Entwicklung hinterherhinkt. "Gott sei Dank gibt es in Augsburg einen Arbeitskreis der Stadt, der sich dieses Themas annimmt." Der SKM arbeite dort eng mit dem Stadtjugendring und dem SKF zusammen. Beim SKM tauchten die jungen Männer ab einem Lebensalter von 20 Jahren auf. "Sie fallen nicht auf, man sieht sie nicht im Park, weil sie als ‚Couch hoppers‘ immer wieder bei Freunden oder Bekannten unterkommen."
Gespräche mit ihnen offenbaren dann die vielfältigen Probleme der jungen Männer. Sie seien aus ihrem Elternhaus rausgeschmissen worden, sie seien arbeitslos. Da offenbare sich dann eine schlechte Schulausbildung, die dazu führte, dass sie keinen Ausbildungsberuf erlernten. Dann ihr Leben mit Hilfe des Jobcenters auf die Reihe zu bringen, "ist dann auch alles andere als einfach", so Bliesener. Die Hartz-IV-Gesetze nehmen die Eltern von jungen Erwachsenen bis zu deren 25. Geburtstag in die Pflicht. Ist das nicht möglich, müssen diese jungen Menschen umso mehr ihre Mitwirkungspflicht deutlich unter Beweis stellen. "Doch das geht bei ihnen oft schief. Sie erfüllen die Erfordernisse des Jobcenters nicht." Sie fallen aus dem Leistungsbezug heraus. Eine Verbesserung ihrer Lebenssituation rückt damit erneut in weite Ferne. Auch Knut Bliesener bedauert, dass es so schwierig ist, diesen jungen Leuten weiterhelfen zu können. "Es gibt leider nicht viele Möglichkeiten."