Er erzählte davon, dass vor gut zwei Jahren eine Unterschriftenaktion gegen die Planungen der Caritas gestartet worden sei und es so manche Angriffe unter der Gürtellinie gegeben habe. In diesen Tagen damals habe der Bischof ihn als Caritas-Geschäftsführer angesprochen und ihm gesagt: "Keine Sorge. Wir stehen zu Ihnen."
Es war dieser Zuspruch, dessen Ergebnis nun in der Friedrich-Ebert-Straße in Göggingen zu sehen "und auch zu erleben ist". "Es spielen hier nun 30 Kinder, die Kinder und Erwachsenen lernen Deutsch, eine Mutter hat gestern ihr erstes Kind hier zur Welt gebracht, und ein 15-jähriger Junge, geflohen vor den Taliban und seit einem gewalttätigen Überfall in Tadschikistan monatelang im Koma gelegen, ist jetzt wieder aufgewacht und ist gesund." Für Dr. Semsch sind das die Wunder, die entstehen, "wenn wir Verantwortung für andere übernehmen und echtes Mitgefühl zeigen und leben, wie es Papst Franziskus von uns fordert." Nicht nur im Haus Noah, sondern auch in Augsburg wie überall "leben wir von guten Beziehungen zu den Menschen."
Bei der Segensfeier kam dies in besonderer Weise zum Ausdruck. Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses Noah, die verschiedenen Ländern entstammen, Muslime und Christen, nahmen an der Segensfeier mit dem Bischof teil. Die Fürbitten und das Vater unser wurden von Amir Khorani, einem Mitarbeiter der Caritas, in Arabisch gesprochen. Ukrainische Musikstudenten gestalteten mit ihren Fagott-Instrumenten den musikalischen Rahmen. Die Bauarbeiter, selbst zu 80 Prozent frühere Flüchtlinge, waren ebenfalls unter den Gästen zu finden. "Sie hatten sich reingehangen, als wäre es ihr eigenes Haus", so Dr. Semsch. Sie hätten es getan, weil sie aus eigener Erfahrung gewusst hätten, was es heißt Flüchtling zu sein. Und der 26-jährige Syrer Ammar Takika, erst eineinhalb Jahre in Deutschland, bedankte sich aus tiefstem Herzen in gutem Deutsch für die Gastfreundschaft, die er und seine Familie im Haus Noah erfahren. Er sei aus seinem Land geflohen, "weil der Krieg größer war als wir."
Bischof Zdarsa erinnerte in seiner Ansprache daran, wie wichtig es ist, das eigene Denken und Tun in den Gesamtzusammenhang der Schöpfung zu stellen. Es sei unzureichend, einen sensiblen Umgang mit der Schöpfung zu fordern und sie zu wahren, "aber nicht die ganze Schöpfung und damit auch den Menschen mit einzubeziehen." Auf die natürlichen Beziehungen zu Umwelt und Natur zu achten werde gerne und schnell gefordert, aber man schaue nicht gerne auf die Menschen, die mit den Folgen des Umgangs mit der Natur zu leben haben. Die Erzählung von der Arche Noah im Alten Testament sei dagegen für ihn eine Erzählung der Ermutigung, denn sie spreche davon, dass Gott seinen Plan für die Menschen und die Welt nicht durch Katastrophen durchbrechen lasse. Sie spreche gleichzeitig von einem Neuanfang und dem Auftrag, "hinauszugehen, sich zu integrieren und sich integrieren zu lassen und so im Leben neu anzufangen." Dabei gehe es nicht um den Zauber des Neuanfangs, sondern um den Segen Gottes dafür, "der uns frei machen soll, damit wir uns selber entfalten, unsere Gaben als unseren Auftrag erkennen und dem Ziel jedes Menschen, nämlich bei Gott zu sein, näher kommen."
Nikolaus Wurzer, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Göggingen-Inningen, freute sich, dass das Grundstück bei der Kuratie St. Johannes Baptist nun einem wesentlichen Auftrag der Kirche, der Caritas nämlich, zur Verfügung stehe. Hier werde das deutlich, wofür die Kirche da sei, nämlich für die Menschen. Dass viele Ehrenamtliche in seiner Pfarrgemeinde sich hier engagierten, freut ihn besonders. So hätten sich schon viele Begegnungen ereignet, wie zum Beispiel beim Johannesfest.
Dass dafür nahezu einzigartige und zukunftsweisende Rahmenbedingungen im Haus Noah geschaffen worden seien, dafür dankte Augsburgs Bürgermeister und Sozialreferent Dr. Stefan Kiefer dem Bischof, der Diözese und der Caritas. Hier werde ernstgenommen, was im Evangelium steht: "Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen." Dabei war Dr. Kiefer wichtig auch deutlich zu machen, dass trotz aller Sorge und aller Maßnahmen für Flüchtlinge die eigenen Armen und Obdachlosen niemals vergessen wurden. "Ich werde es nie zulassen, dass die eine Gruppe gegen die andere ausgespielt wird."
Sein Politiker-Kollege, der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz, auch Mitglied des Caritasrates des Stadtverbandes, erinnerte in seiner Festansprache, dass die "enormen Herausforderungen der Fluchtursachen weiterhin ungelöst sind". Es dürfe dabei keiner tatenlos zusehen und Opfern von Krieg und Terror den Schutz verweigern. "Das ist unsere christliche Pflicht." Er gestand ein, dass der von der Bundesregierung verfolgte Dreiklang von Humanität, Begrenzung und Integration nicht einfach zu verwirklichen sei. "Man redet so leicht davon, dass Menschen ohne Asylrecht wieder abgeschoben werden müssten, wenn aber man auf den einzelnen Fall schaut, sieht das oft komplizierter aus."