Pflegekräfte der Sozialstation Hochzoll und Friedberg zwischen Anpassungsfähigkeit und hoher Anspannung
Friedberg/Augsburg, 23.12.2020 (pca). Sie treffen täglich hochaltrige Menschen in fremden Haushalten und unterschreiten dabei regelmäßig den empfohlenen Mindestabstand von 1,5 m. Es ist sogar ihre Pflicht, sie zu berühren, wenn sie ihrem Auftrag nachkommen wollen. Und bei Bedarf sind sie auch nachts nach 21 Uhr trotz der Ausgangsbeschränkungen auf den Straßen unterwegs. Pflegekräfte der ambulanten Pflegedienste leisten so täglich trotz aller Auflagen und auch Gefährdungen in ihrem Arbeitsalltag ihren medizinisch-pflegerischen Beitrag für das Wohlergehen von Tausenden kranken und insbesondere alten Menschen, die der Hochrisikogruppe angehören. Auch zu Weihnachten und an Sylvester sind sie unterwegs und können nicht wie die meisten zuhause mit ihrer Familie zusammen sein.
Zu ihnen gehören die Pflegefachkräfte Christine Mücke (57) und Silke Thaler (36). Beide arbeiten für die "Sozialstation Augsburg Hochzoll Friedberg und Umgebung Ökumenische Ambulante Pflege gGmbH". Die andauernde Anspannung, auch weil die gewisse Alltags-Gelassenheit wegen der Krise nicht mehr gegeben ist, belastet sie. "Das geht an keinem von uns spurlos vorüber", sagt Mücke. Diese Anspannung spiegelte sich auch ein Stück darin, dass Weihnachten bis vor wenigen Tagen bei ihren Besuchen auch kein Thema gewesen war. Erst jetzt in den letzten Tagen drängte es sich bei den Gesprächen mit ihren Klienten auf.
Durchschnittlich zehn bis 15 Klientinnen und Klienten besuchen die beiden Pflegefachkräfte auf ihren Touren durch Augsburg-Hochzoll und Friedberg. Die meisten von ihnen sind zwischen 80 und 90 Jahre alt. Aber auch nicht wenige über 70jährige sind darunter, vereinzelt auch jüngere, die wegen ihrer Erkrankung wie z. B. Krebs pflegebedürftig sind. Sehr viele von ihnen leben alleine, auch wenn sie im Normalfall regelmäßig von ihren Angehörigen und Kindern besucht werden.
Je nach Pflegevereinbarung versorgen z. B. die Pflegekräfte Hautwunden, geben Insulinspritzen, sorgen dafür, dass die Klientinnen und Klienten die von deren Ärzten verschriebenen Medikamenten einnehmen, achten darauf, dass sie genügend essen, waschen sie, wenn sie selber dazu nicht mehr in der Lage sind, und werfen gleichzeitig ständig auch einen kritischen Blick, ob sich in der Häuslichkeit und im Gesundheitszustand der Klientinnen und Klienten verändert oder nicht.
Der Corona-Virus ist für Thaler und Mücke ein ständiger Begleiter, bei ihren Gesprächen mit ihren Klient*innen und selbstverständlich auch mit ihren Kolleg*innen des Teams der Sozialstation. Zwei Mal in der Woche werden sie getestet. Und wenn Bedarf ist, kann auch ein Kind oder unmittelbarer Angehöriger einer Pflegekraft der Sozialstation mit getestet werden. Und dennoch beobachtet Thaler wie schon zu Beginn der Pandemie gerade unter den hochaltrigen Kunden nach wie vor eine Gelassenheit, die wohl deren Lebenserfahrung geschuldet ist. "Wir haben schon den Krieg überstanden. Warum jetzt nicht auch diese Pandemie?" So deren Worte. Auch wenn sie keine Angst haben, sie halten sich streng an die Corona-Regeln, denn eines wissen sie von früher. Keine Angst zu haben, heißt nicht unvorsichtig zu werden. D.h. die Klienten tragen ihre Mund-Nasen-Schutzmasken. Die Pflegekräfte ihre FFP-2-Masken und die Gummi-Handschuhe, die sie nach jedem Besuch wechseln.
Die Maske zu tragen, daran hätten sich die Pflegekräfte gewöhnt, meint Thaler. Sie erfülle auch ihren Zweck. Man schütze andere und sich selbst. "Der Mensch ist ja anpassungsfähig. Schöner wäre es ohne." Auch deshalb weil die Maske ja einen wichtigen Teil des Gesichts verberge und so der Austausch miteinander stark eingeschränkt werden. "Man sieht ja nur die Augen. Darüber kann man nicht allein richtig kommunizieren." Insbesondere dementiell erkrankte Menschen tun sich deshalb mit dieser Situation schwer.
Thalers Kollegin Mücke sieht darin auch keinen Anlass, von der Masken-Pflicht abzuweichen. "Viel zu viele unterschätzen die Krankheit auch heute noch", sagt sie. "Wir dürfen die Infektionsgefahr zu keiner Zeit und keinem Ort auf die leichte Schulter nehmen." Sie verstand es auch nicht, als sie bei Dienstfahrten, an Schulen vorbei fuhr und dort sehen musste, wie die Schüler dicht an dicht ohne Maske auf dem Pausenhof sich aufhielten. Auch ihre Kollegin Thaler machte sich eigentlich nur im Hinblick auf eine mögliche Infektionsgefahr durch Schulen Sorgen. Sie hat zwei schulpflichtige Kinder. Studien, auf die der SPD-Politiker Karl Lauterbach in einer Fernsehdiskussionsrunde kürzlich bei Maybrit Illner hinwies, wonach eine nicht zu unterschätzende Infektionsgefahr auch von Schulen ausgehe, bestätigen ihre Sorgen.
So halten beide stur an ihren Vorschriften fest. Es gibt keine Zeit, auch nicht Weihnachten oder Sylvester, die Ausnahmen rechtfertigen. Wenn Angehörige der Klient*innen bei der Pflege dabei sein wollen, müssen auch diese "selbstverständlich" Maske tragen und den nötigen Abstand halten. Wenn Kunden sich weigern, Masken zu tragen, und daran trotz Zuredens und weiterer Erläuterungen an ihrer Haltung festhalten, "so können und dürfen wir die Pflegeleistung verweigern." Mücke ist dankbar für diese klare Haltung ihrer Vorgesetzten. "Das bedeutet für uns Sicherheit, aber auch Sicherheit für unsere anderen Klient*innen."
Bis vor wenigen Tagen war Weihnachten bei ihren Besuchen kein Thema. "Das war für sie irgendwie noch weit weg zu sein. Aber jetzt drängt es sich unweigerlich auf." Der Corona-Virus hatte es also auch noch geschafft, bis vor wenigen Tagen das Weihnachtsfest in den Schatten zu stellen. Jetzt aber gelingt es ihm nicht mehr.
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Die beiden Pflegefachkräfte Christine Mücke und Silke Thaler treffen wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen in der ambulanten Pflege hochaltrige Menschen in fremden Haushalten. Ihr täglicher Dienst steht unter der ständigen Belastung der Anti-Corona-Bestimmungen und einer möglichen Selbstgefährdung. Deshalb ihrem Dienst nicht nachzugehen, das kam beiden nie in den Sinn. Foto: Sozialstation Augsburg Hochzoll Friedberg und Umgebung.