Hospizverein Krumbach sorgt sich auch um die ehrenamtlichen Hospizhelfer
Krumbach, 05.02.2021 (pca). Der todkranke Krebspatient liegt auf der Palliativ-Station im Krankenhaus. Er schläft noch. Monika Drexler sitzt an ihrem Bett. Die Koordinatorin des Hospizvereins Krumbach ist nicht erkennbar. Sie ist "vermummt" hinter eine Maske mit Sichtschutzhaube, gekleidet in medizinischer Schutzkleidung. So wie es eben die Hygienevorschriften während der Corona-Pandemie vorschreiben. Als der Mann aufwachte, meinte er, keinen Menschen vor sich zu sehen. Er erschrak, zitterte. "Diesen Moment des Erschreckens werde ich nie vergessen", so Drexler. Ihr war sofort klar gewesen, dass sie ihm wie ein Monster aus einer anderen Welt erschienen sein muss.
Drexler ist Koordinatorin der Ökumenischen Hospizinitiative Krumbach und Umgebunge. V. Sie ist dort mit zwei weiteren Kolleginnen und einem Kollegen verantwortlich dafür abzustimmen, wer wen wie in seiner letzten Lebensphase begleitet, wer sich den Besuchsdienst, die Trauerbegleitung, die Begleitung bei Fehl- und Todgeburt übernimmt und wer sich als Demenzbegleiter oder für das regelmäßige Gesprächsangebot des Demenz-Kaffees einbringt. Letzteres ist ein gemeinsames Angebot der Hospizinitiative in Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus Krumbach und der Seniorenfachstelle des Landratsamtes Günzburg. Das umfängliche Angebot kann derzeit nicht mehr wie vor der Pandemie aufrechterhalten werden.
Drexler bedauert dies. "Hospizarbeit ist ein besonderer Dienst der Mitmenschlichkeit für Menschen in einer extremen Situation. Ein Dienst, der von Angesicht zu Angesicht erfolgt, von Mensch zu Mensch, der Nähe braucht, auch weil Zuwendung oft im stillen Dasein geschieht", sagt sie. Die Corona-Pandemie unterläuft diesen Grundsatz. Es ist für die haupt- wie auch ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Hospizvereine nicht einfacher geworden.
Die Verantwortlichen der Krumbacher ökumenischen Hospizinitiative wollten kein Infektionsrisiko auch für die insgesamt mit 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen. "Wir haben sie aus dem aktiven Dienst herausgenommen." Hinzu kam, dass wir vollstationäre Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altenheime oder Einrichten für Menschen mit Behinderungen im ersten Lockdown nicht betreten durften und es, wenn es Infektionen in einer Einrichtung gibt, auch heute nicht tun dürfen. Nur, wenn die sterbende Person zuhause lebte oder Angehörige Begleitung wünschten, "dann konnten wir unserem Dienst nachgehen." Im ersten und zweiten Lockdown, der noch anhält, übernahmen die vier hauptamtlichen Koordinatorinnen Edith Hechtel, Diana Kühnel, Erwin Übelhör und Monika Drexler diesen Dienst.
So klar die Regeln waren, so unsicher gestaltete sich die Situation für viele Betroffene. Die Angehörigen von schwerstkranken und sterbenden Menschen wussten nicht mehr so genau, ob sie sich an den Hospizdienst wenden konnten, auch wenn sie nur für sich selbst Fragen und Probleme klären wollten. Betroffene sind auch die ehrenamtlichen Hospizhelfer. "Sie sind Helden für uns, denn ihr Dienst verlangt Stärke, eine Zuversicht im Leben, psychische Stabilität und auch, dass nicht zu viele eigene Schwierigkeiten und Probleme sie belasten", sagt Drexler.
Inzwischen wissen die Angehörigen, dass sie die Hospizinitiative telefonisch immer erreichen können. Zweimal in der Woche und jederzeit nach Vereinbarung ist auch das Büro besetzt. "Dieses Angebot wird dankbar angenommen, vielleicht sogar etwas mehr als vor der Pandemie. Das hat sich eingerenkt." Auch wohl weil die Frage der Kontaktaufnahme eher nur eine Frage der Informationsvermittlung ist.
Drexler beschäftigt die Sorge um die ehrenamtlichen Mitarbeitenden hingegen viel mehr. "Meine Kolleginnen, Frau Hechtel, Frau Kühnel, Herr Übelhör und ich haben uns bemüht, mit ihnen im Kontakt zu bleiben", Sie haben Briefe geschrieben, auch kleine Aufmerksamkeiten zugeschickt. Das Zeichen sollte sein: "Ihr gehört zu uns, wir vermissen Euch und denken an Euch." Nicht selten greifen die vier Einsatzleitungen auch zum Telefonhörer und reden mit ihnen. "Nicht wenige von ihnen haben ja auch selbst Angst vor einer Infektion. Das beschäftigt sie und treibt sie um", sagt Drexler. Angst könne sich ja auch zu einer Belastungsstörung entwickeln.
Auch die Sorge um die Zukunft der Familie treibt nicht wenige von ihnen um. "Wie soll es weitergehen. Mein Mann ist jetzt in Kurzarbeit. Wie sollen wir noch alles bezahlen können?" Oder: "Die Firma meines Mannes ist jetzt insolvent gegangen." In diesen Gesprächen scheint Drexler - diesen Eindruck erwecken ihre Worte - die Hospizbegleiter auf neue Weise wertschätzen zu lernen. "Sie sind Menschen, die Anteil am Leben nehmen und haben, und gerade aus ihrer oft auch schweren Normalität und Realität - sie schwimmen ja nicht im Geld - immer wieder die Kraft schöpfen, Schwerstkranke, Sterbende und Trauernde zu begleiten und für sie von Angesicht zu Angesicht da zu sein. Sie sind - kurz gesagt - einfach tolle Menschen!"
Wenn sie auf das Jahr 2020 zurückblickt, gesteht sie, dass es ihr etwas beschert habe, was sie viele Jahre nicht hatte, nämlich einen freieren, "leereren" Terminkalender. "Die Ruhe hat mir nicht geschadet", sagt Drexler. Vieles konnte sie dadurch intensiver bedenken, vieles abarbeiten, was liegen geblieben war und sich auch ein Stück weit um sich selbst kümmern.
Diese Ruhe ist kein Schaden für sie. Aber der Verlust von eigentlich mitmenschlicher Selbstverständlichkeit, das wurmt mich und lässt mich nicht los." Noch einmal wird sie konkret. Eine Frau hatte eine Todgeburt. Es war eine schwere Geburt. Ihr Ehemann war dabei. Es sollte wegen der Infektionsschutzbestimmungen das letzte Mal für die lange Zeit der Genesung seiner Ehefrau im Krankenhaus sein, dass er sie besuchen und mit ihr reden durfte. "Er war verzweifelt, er musste so viel Trauer herunterschlucken - allein zuhause mit dem fünfjährigen Sohn. Als ihr totes Baby beerdigt wurde, stand er allein am Grab. Das ist einfach unmenschlich. Das sollte niemand durchmachen müssen."