Die Erfahrung von lebensbedrohlichen Situationen auf ihren Fluchtwegen durch Wüstengegenden wie die Sahara oder in hochseeuntauglichen übervollen Booten über das Mittelmeer hat sich ebenso ins Gedächtnis geschrieben. Viele kommen mit diesen traumatisierenden Erlebnissen zurecht, viele andere aber nicht. "Wie viele es bei uns in Donauwörth sind, weiß ich nicht. Aber dass unter den rund 400 Flüchtlingen auch einige traumatisiert sind, davon müssen wir ausgehen." Madeleine Strasdat bietet deshalb Stabilisierungsgruppen in Donauwörth für traumatisierte Flüchtlinge an. Am Montag und am Freitag arbeitet sie für das "HIFF-Projekt", dem Hilfsnetzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e. V.
Die Sozialpädagogin arbeitet derzeit bereits mit einer Familie aus dem arabischen Raum in einer Stabilisierungsgruppe zusammen. Doch Strasdat will mehr Flüchtlinge ansprechen. Doch das ist schwieriger als man vielleicht meinen mag. Bei der Erstuntersuchung der Flüchtlinge bei der Ankunft werden psychische Probleme nicht erfasst. Strasdat meint: "Die Flüchtlinge stecken noch mitten in dem Stresserlebnis der Flucht. All ihr Streben war darauf ausgerichtet, funktionsfähig zu bleiben. Traumatisierungen brechen deshalb in dieser Phase noch nicht hervor." Erst wenn Flüchtlinge zur Ruhe kämen, stabilisierende Faktoren wie eine klare Tagesstruktur durch Arbeit oder ein stabiles soziales bzw. familiäres Umfeld fehlen, dann würde die seelische Verwundung, die Traumatisierung, spürbar werden.
Dass Flüchtlinge nicht von sich aus darauf kommen, dass sie externe Hilfe brauchen, liege, so die Mitarbeiterin der Caritas, auch an ihrer kulturellen Prägung. In ihren Heimatländern würden psychisch erkrankte Menschen weggesperrt und entmündigt. "Davor haben sie Angst." Hinzu komme ein gesetzliches Problem. Traumatisierte Flüchtlinge dürften erst dann an dem Angebot einer Stabilisierungsgruppe teilnehmen, wenn sie als Flüchtlinge anerkannt bzw. zumindest im Rahmen des subsidiären Schutzes den Status als "geduldet" erhalten haben "Dann dürfen sie arbeiten. Und wenn sie einen Arbeitsplatz haben, können sie an Wochentagen nicht an dem Angebot teilnehmen", so Strasdats Erfahrung.
Umso wichtiger sind deshalb in ihren Augen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Diese pflegen den ständigen Kontakt mit den Flüchtlingen, besuchen sie, geben Sprachunterricht, begleiten sie zu Behördengängen oder zu Arztbesuchen. "Sie sind die Menschen, die am nächsten dran sind an den Menschen." Deshalb hat Strasdat nun erneut Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingshilfe zu einer Informationsveranstaltung über das schwere Thema Traumatisierung eingeladen. Strasdats verfolgt dabei zwei Ziele. Die Helferinnen und Helfer sollen zunächst über das Stabilisierungsangebot des HIFF-Projektes Bescheid wissen und bei Bedarf Flüchtlinge darauf hinweisen. "Und wer weiß, wie sich eine Traumatisierung äußert, der kann sich am besten auch davor schützen, durch einen traumatisierten Flüchtling selbst mit-traumatisiert zu werden."
Eine Traumatisierung zeige sich durch mehrere Symptome. Wutausbrüche oder aggressives Verhalten, Konzentrationsschwierigkeiten, ein ständiges Gefährdungsgefühl, Schlaflosigkeit, Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Kälteempfinden, aber auch Stottern und Sprachlosigkeit gehören zu den Symptomen der Übererregung. Hinzu kommen sogenannte "Flashbacks", wenn durch bestimmte Bilder und/oder Geräusche körperliche Empfindungen wieder wach werden. Andere Merkmale können sein, dass traumatisierte Menschen "emotional taub" werden, sich völlig zurückziehen, "sprachlos" werden, sich in Tagträumereien verlieren, um die schlimmen Erlebnisse zu verdrängen, oder weil sie unter Angststörungen leiden. "Jedes Symptom ist auch dem nicht-traumatisierten Menschen nicht ungekannt", sagt Strasdat. "Bedenklich, krankhaft wird es, wenn es ein Ausmaß annimmt, dass es das Leben dauerhaft beeinträchtigt."
In der Stabilisierungsgruppe können traumatisierte Flüchtlinge in zehn bis 15 Gruppenstunden lernen, was eine Traumatisierung ist und wie sie sich zeigt. Durch dieses Wissen gestärkt, können sie sich Entspannungsübungen aneignen und dadurch lernen, wie sie sich selbst wieder stabilisieren und dadurch ihr Leben immer wieder neu "re-orientieren" können. Ziel dabei sei es, durch diese Übungen "Selbstwirksamkeit" für sich wieder zu erleben und dadurch auch für sich selbst neu Verantwortung übernehmen zu können. Dadurch wachse wieder die "Eigen-Funktionalität".
Den Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingsarbeit will Strasdat noch drei Ratschläge mitgeben. "Sprechen Sie Traumatisierungen niemals aktiv von sich aus an. Denn Sie wissen nicht, ob Sie ihr Gegenüber dabei re-traumatisieren. Sie dürfen es aber zulassen, wenn der Flüchtling darüber sprechen will. Und wenn er es tut, lassen Sie es nur dann und nur soweit zu, wenn es Ihnen nicht schadet. Lassen Sie es nicht zu viel werden." Strasdat bot viele Informationen. Bedauerlich war nur, dass nur vier Frauen das Informationsangebot nutzten.