Die Verhaftung weniger einzelner Syrer, bevor sie ihren Anschlag in Düsseldorf ausüben konnten, trägt ihren Teil dazu bei. Syrische Flüchtlinge werben nun um Verständnis für sich und ihre Situation.
In der Nähe von Marktoberdorf leben Syrer und Afghanen in einer dezentralen Unterkunft. Wie der Ort heißt, ist unerheblich. Der Ort wird verschwiegen, kommt es doch zu häufig und zu regelmäßig in Deutschland zu Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Syrer und Afghanen sind junge Männer. Sie entsprechen somit der Mehrheit der Flüchtlinge. Für viele Deutsche stellt sich damit logischer Weise die Frage, warum denn nur Männer kämen, die doch eigentlich am ehesten widrige Lebensumstände zuhause überleben könnten. Mohamed Al Mousa (25) aus Aleppo in Syrien antwortet darauf nur kurz: "In Syrien wäre ich als Soldat in Assads Armee eingezogen worden. Ich hätte auf Freunde und Brüder schießen müssen. Das wollte ich nicht." Und er fügt hinzu: "Ich würde am liebsten in Syrien leben. Aber wir haben dort Krieg, einen schrecklichen Bürgerkrieg." Der Krieg hat den jungen Syrer nicht nur die Heimat geraubt, auch seine Zukunft. Bereits dreieinhalb Jahre hatte er Betriebswirtschaftslehre studiert. Er war kurz vor den Abschlussprüfungen. Nun wartet er in der Unterkunft - auf eine klärende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und auf das Ende des Krieges.
Mohamed Al Mousa ist sich mit seinem Landsmann Abdullah Draa (20), der aus dem gleichen Grund geflohen war, in einem Punkt einig. Und darin stimmen die anderen zehn Bewohner den beiden zu. "Wir wollen hier nicht ewig bleiben. Wenn wieder Frieden in unserem Land herrscht, dann gehen wir auch wieder zurück." Al Mousa versteht deshalb so manche Ängste von Deutschen nicht. Für sie als Syrer ist ihr Heimatland eigentlich "viel schöner" als Deutschland. Dort haben sie sich wohl gefühlt, waren zuhause bei ihrer Familie, ihren Geschwistern und Freunden. "Aber Assad hat alles kaputt gemacht."
Auch wenn sie nicht perfekt Deutsch sprechen, sie wissen sehr wohl, dass es eine Stimmung in Deutschland gibt, die Angst schürt vor gewalttätigen Übergriffen von muslimischen Männern auf deutsche Frauen, auch vor einer Islamisierung der deutschen Gesellschaft. Mohamed Al Mousa sagt dazu nur: "Sie brauchen keine Angst vor uns haben. Wir tun nichts. Die Deutschen helfen uns so sehr. Etwas gegen sie zu tun, sei deshalb schon falsch. Und außerdem haben wir in Aleppo mit Christen friedlich zusammengelebt." Fast verzweifelt klingt er ob so vieler falscher Vorwürfe gegen Flüchtlinge.
Thomas Fichtl, Flüchtlingsberater der Caritas, kann die Ängste vor Asylbewerbern teilweise nachvollziehen. "Es ist eine Angst vor etwas Fremden." Und er fügt hinzu: "Wer jedoch die Asylbewerber persönlich kennen lernt, kann sie besser einschätzen und verliert die eine oder andere Unsicherheit gegenüber ihnen. Ja, es gibt begründete Fälle zur Vorsicht, wie es der geplante Terroranschlag in Düsseldorf zeigt. Umso mehr ist es jedoch wichtig, die Asylbewerber zu kennen und zu wissen, wer vor Ort in den Asylbewerberunterkünften lebt."
Fichtl besucht die Flüchtlinge regelmäßig. Er spricht mit ihnen über ihre Fragen und Probleme. Er hilft ihnen auch all die behördlichen Verfahren und Erfordernisse zu verstehen und Formulare auszufüllen. Die Gespräche laufen nicht wie in deutschen Amtsstuben an. Das hat nicht nur damit zu tun, dass er in die Unterkunft kommt. "Ich erlebe hier eine Gastfreundschaft, die mich fasziniert. Ich werde immer zu einer Tasse Kaffee oder Tee eingeladen", erzählt er. "Gastfreundschaft ist bei den Syrern und Afghanen ein sehr hoher kultureller Wert." Fichtl weiß, "diese Gastfreundschaft beschenkt uns, wir können davon lernen."
Der Flüchtlingsberater kennt auch das Problem der Flüchtlinge mit den deutschen Vorschriften wie z.B. der Müllsortierung. "Aber der Bürgermeister hat das so einfach und toll hingekriegt, dass ich begeistert bin und es hier in der Unterkunft eigentlich keine Probleme mehr gibt." Die Lösung war ganz einfach: Der Bürgermeister ließ die Flüchtlinge ein paar Tage im Wertstoffhof mitarbeiten. Dann hatten die Flüchtlinge alles verstanden.
Fichtl ist froh und mit den Flüchtlingen sehr dankbar für alle die Ehrenamtlichen, die helfen und sich einbringen, damit die Flüchtlinge das erleben, was sie in ihrer Heimat nicht mehr erleben durften. Sie fühlen sich angenommen, sicher und an die Hand genommen. Ehrenamtliche engagieren sich beispielsweise im Deutschunterricht, übernehmen Fahrten zum Beispiel zum Landratsamt.
Mohamed al Mousa ist angetan ob so vieler Hilfe. Auch seine Mitbewohner. Doch mit einem großen Problem hadern sie. "Wir sind gesund, wir können und wollen arbeiten, wir wollen lernen und arbeiten, damit die Deutschen nicht für uns zahlen müssen.
Aber in Deutschland dauert alles so lange mit den Verfahren." Seinem Gesicht kann man ablesen, dass bei allen Worten der Hoffnung und Zuversicht die Besorgnis wächst, nicht nur in Syrien ein Leben in der Heimat verloren zu haben, sondern zu viel ungenützte Lebenszeit in Deutschland. Und da klingt bei ihm ein Gedanke an, der eigentlich eine klare Antwort verlangt, aber aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht gegeben werden kann: "Was schadet es den Deutschen, wenn ich hier etwas lernen und hier arbeiten kann und ich dann mit diesem Wissen und diesen Erfahrungen nach Syrien zurückkehre, oder wenn dies nicht möglich ist, ich hier bleibe und mich dann hier entsprechend einbringen kann?"