Ein fester Arbeitsplatz. In vielen Fällen stören auch keine gesundheitlichen Belastungen. Doch wo all das nicht mehr stimmt, kann dies sehr schnell dazu führen, dass man das verliert, was das Grundbedürfnis eines jeden Menschen ist: Eine Wohnung. Und klar ist auch: Wenn man die Wohnung verliert, fangen erst die Probleme so richtig an. Aber es gibt eine Chance vorbeugend zu handeln.
Die Wohnraumprävention der Ökumenischen Wohnungslosenhilfe des Caritasverbandes für die Region Günzburg und Neu-Ulm e.V. und des Diakonischen Werks Neu-Ulm e.V. berät deshalb Mieter und Vermieter im Landkreis Neu-Ulm an den Standorten Neu-Ulm, Senden und Illertissen.
Heike Bayer, Leitung der Ökumenischen Wohnungslosenhilfe und Erwin Thoma, Sozialarbeiter in der Wohnraumprävention von Caritas und Diakonie, könnten über ihre Arbeit Bücher schreiben. Eines würden sie dabei aber nicht tun. Bayer und Thoma erheben keine Vorwürfe gegen Wohnbaugesellschaften oder privaten Wohnungseigentümer. „Wenn jemand nicht mehr seine Miete zahlt, und das über einen längeren Zeitraum hinweg, oder dauerhaft den Hausfrieden stört, da wird eine Räumungsklage verständlich.“
Thoma ist schon seit über 20 Jahren in der Allgemeinen Sozialberatung der Caritas aktiv und seit 2014 in der Wohnraumprävention tätig. Er weiß, dass dem leichter geholfen werden kann, wer rechtzeitig kommt und seine Probleme auf den Tisch legt. Das gilt auch bei Problemen mit dem Vermieter. Thoma erzählt von einem Beispiel. Ein alleinstehender Mann zahlte seine Miete nicht mehr. Erfreulicher Weise wandte sich die Wohnbaugesellschaft nicht an ihren Anwalt, sondern an die Wohnraumprävention. Und dann tat Thoma, was ein guter Sozialarbeiter macht. Er suchte den Mann auf. „Er war recht krank. Er litt unter einem Calcium-Mangel, wie ich dann erfuhr“, erzählte er. Wegen rheumatischer Beschwerden sei der Mann „körperlich gebrechlich“ gewesen. Hinzu kam seine Arbeitslosigkeit. Er bezog Arbeitslosengeld (ALG) I. Doch das lag unter dem Niveau des ALG II.
Thoma konnte helfen. Er klärte die Fragen mit dem zuständigen Jobcenter ab, ob er ALG II oder gar wegen seiner Erkrankungen die Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten könne. Inzwischen zahlt der Mann wieder regelmäßig seine Miete. Auch der Strom wird wieder bezahlt. „Und wenn erneut Schwierigkeiten auftauchen, gibt man mir Bescheid, so dass ich wieder nachschauen kann“, sagt Thoma. Der Mann ist zufrieden, er muss keine Angst mehr um seine Wohnung haben. Auch die Wohnbaugesellschaft ist zufrieden.
Bayer erzählt von einer alleinstehenden schwangeren Frau. Diese „anderen Umstände“ waren nicht das eigentliche Problem. Sprachliche Defizite, daran geknüpft auch Bildungsdefizite, machten es ihr schwer auf dem Arbeitsmarkt. Eine längere Arbeitslosigkeit führte bei ihr zu psychischen Störungen und Einschränkungen, die zu weiteren falschen Entscheidungen führten. Schulden türmten sich auf. „Hier galt es einiges zu klären und mit ihr gemeinsam die einzelnen Schritte anzupacken.“
Andere wissen nicht, dass ein Weitergewährungsantrag für das Arbeitslosengeld II mit den darin enthaltenen Zahlungsleisten für Miete, Heizung und Strom zu stellen ist. „Das muss man alle sechs Monate tun“, klärt Thoma auf. Andere nehmen einen Kredit auf und bedenken dabei nicht, dass wegen der Rückzahlungsraten das Geld für Miete, Heizung und Strom nicht mehr ausreicht. „Mit dem Stopfen des einen Loches, reißen sie ein weiteres noch weiter auf“, so Thoma. „Allzu oft rutschen sie in eine Chaosspirale, wo ein Problem das andere ergibt“, sagt Bayer. Ein Fall war ganz anderer Art. Eine beginnende Demenz war die Ursache dafür, dass die Mietzahlungen ausblieben.
251 „Fälle“ bearbeiteten die Mitarbeitenden der Wohnraumprävention in 2014. In 2015 werden es mehr sein. Da sind sich Bayer und Thoma auch ohne eine Endauswertung der Statistik sicher. Nicht mit eingerechnet sind kurze Beratungsgespräche für Personen, die ihr Problem von sich aus anpacken, aber Informationen brauchen. Diese 251 Fälle aber erforderten mehr. „Wir verlassen uns nicht auf das Telefon. Wir suchen die Menschen auf und prüfen nach, was los ist.“ So Thoma. „Oft wissen wir schon beim Betreten des Wohnhauses, dass etwas nicht stimmt. Aus den Briefkästen schauen bereits die Briefe hervor. Wenn man amtliche Schreiben an ihrem Kuvert erkennt, weiß man, dass es eigentlich bereits brennt."
Die Ratsuchenden stammten aus Neu-Ulm, Senden, Illertissen, Vöhringen, Weißenhorn, Elchingen, Buch, Altendstadt, Nersingen, Pfaffenhofen, Roggenburg, Bellenberg. Die Klienten werden über andere Beratungsstellen vermittelt, auch durch das Jobcenter. Auch Vermieter und Wohnbaugesellschaften greifen inzwischen sehr gerne auf die Wohnraumprävention von Diakonie und Caritas zurück. Anlass dafür sind Mietschulden, die eigentlich eine Wohnungskündigung oder gar eine Räumungsklage bzw. eine Zwangsräumung nach sich ziehen können.
„Es ist eine sehr zeitintensive Arbeit“, sagt Bayer. „Und jeder Fall ist wieder anders“, ergänzt Thoma. Als Sozialarbeiter setzen sie sich für die Betroffenen ein. „Da vertreten wir schon auch mal andere Positionen als das Jobcenter. „Aber trotz unterschiedlicher Positionen können wir immer sachlich diskutieren und eine Lösung vereinbaren“, lobt Bayer die Zusammenarbeit. Das liegt wohl auch am gemeinsamen Interesse. Kann die Wohnung behalten werden, entstehen keine weiteren Kosten und Belastungen für den öffentlichen Haushalt. Auch spart man sich das Geld für eine Räumungsklage. Bayer sagt deshalb wohl zu Recht: „Wir haben Erfolge und zwar keine kleinen.“
INFO:
Der Landkreis fördert zwei Vollzeitstellen die derzeit mit 4 Mitarbeitenden besetzt sind. Stadt und Landkreis Neu-Ulm, bzw. deren verantwortliche Politiker wissen um die Probleme, die der Wohnraummangel mit sich bringen kann. Sie wollen deshalb nicht noch weitere soziale Verschärfungen. Als Diakonie und Caritas ihr ökumenisches Projekt „Wohnraumprävention“ 2013 ins Leben riefen, stand die Politik deshalb schnell an ihrer Seite und übernahmen die Personalkosten für das Projekt. „Eine seltene Einmütigkeit“, sagt Mathias Abel, Geschäftsführer des Caritasverbandes.
Pressemitteilung
„Wir verlassen uns nicht auf das Telefon“
Erschienen am:
23.12.2015
Herausgeber:
Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V.
Auf dem Kreuz 41
86152 Augsburg
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Beschreibung