„Dementiell erkrankte Menschen verdienen dennoch einen liebevollen Umgang in ihrer Welt, auch wenn sie nicht unsere ist“, fordert Augsburgs Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg. Am Samstag widmete sich deshalb die Hospizfachtagung des Diözesan-Caritasverbandes der Frage, wie sich die Einrichtungen, Dienste und Mitarbeitenden am besten darauf einstellen können.
Der Umgang mit dementiell erkrankten Menschen hängt von zwei zentralen Aspekten ab, von der richtigen medizinischen Analyse und dem richtigen Umgang mit den von Demenz betroffenen Menschen. Darauf hob Dr. med. Christoph Fuchs, Oberarzt für Akutgeriatrie und Frührehabilitation am Klinikum Neuperlach bei München und Gründungsmitglied des SAPV-Teams des Christophorus Hospizvereins München in seinem zentralen Vortrag ab. „Demenz“, so unterstrich er, sei „nur eine Form des Alterns“. Man dürfe diese Erkrankung nicht skandalisieren, denn viele auch der stark wachsenden Zahl der über 90-jährigen und sogar über 100-jährigen „altern hervorragend“. Und dass bei einem alten Menschen auch die geistigen Fähigkeiten nachlassen können, sei „absolut normal“. „Wir müssen uns dagegen wehren, Demenz zu skandalisieren“, forderte er. Dabei spricht Dr. Fuchs aus eigener Erfahrung, denn seine Mutter hatte Demenz.
Der erfahrene Arzt sprach sich deshalb dafür aus, mit Demenz professionell umzugehen und deshalb genau nachzuprüfen, was er wirklich hat, worunter er wirklich leidet und was man bei schwer dementiell erkrankten Menschen in seiner Spätphase auch an wirklicher Hilfe noch leisten kann. Ein „Delir“, eine Bewusstseinsstörung, die mit einer Orientierungsstörung und Agitiertheit eingeht, müsse nicht automatisch auf Demenz zurückzuführen zu sein, sondern könne ihre Ursache in Alkoholentzug, Flüssigkeitsmangel und/oder Elektrolytstörungen haben.
Dr. Fuchs erzählte auch von einer Frau, die binnen einer Woche nach Einlieferung in ein Pflegeheim völlig verwirrt war. Die Pflegekräfte hätten sich strikt daran gehalten, was die Ärzte der alten Frau an Medikamenten verordnet hatten. Die Frau hatte sie aber zuhause nicht in vollemUmfang genommen. „Die Übermedikamentierung im Pflegeheim führte zu dieser Verwirrtheit“, erzählte Dr. Fuchs. „Welche Medikamente sind also wirklich wichtig?“
Unruhe, unabhängig davon ob eine Demenzerkrankung vorliegt oder nicht, könne ganz banale Ursachen haben. Dazu gehören eine volle Blase, Durst, eine schlechte Lage oder Sauerstoffmangel. Einen Katheter bei einer alten Frau zu legen, die im vergangenen Krieg Opfer einer Vergewaltigung geworden war und unter diesem Trauma immer noch leidt, könne ebenfalls einen Delir auslösen, insbesondere dann, wenn sie wegen der dementiellen Erkrankung dies nicht mehr aussprechen kann.
Die Alzheimer-Form der Demenz zieht sich durchschnittlich acht bis zehn Jahre hin. Gute fünf Jahre hätte man Zeit mit dem Betroffenen zu reden und zu bereden, auch wenn erste geistige Einschränkungen auftreten. „Es besteht also viel Zeit dazu!“, unterstrich Dr. Fuchs. Zahlen wie von einem Berliner Altenheim, wonach 40 Prozent der Pflegeheimbewohner keinen Besuch in einem Jahr hätten, würden hingegen nur zeigen, „wie fahrlässig wir in unserer vermeintlich christlich geprägten Gesellschaft mit unseren alten Menschen umgehen.“
Auch wenn Dr. Fuchs selbst in einem Krankenhaus arbeitet, so warnte er ausdrücklich davor, Demente in ein Krankenhaus zu stecken, auch wenn es nur für eine Woche sei. „Dort haben sie keine feste Bezugsperson.“ Aber genau das bräuchten sie. „Ortswechsel für Demente sind ein Desaster.“ Des Weiteren empfahl er eine übersichtliche Raumgestaltung, einen strukturieren Tagesablauf und klare Orientierungshilfen wie Kalender und Uhren. „Geben Sie vertraute Gegenstände mit und sorgen Sie für eine natürliche Beschäftigung.“
Entscheidend sei bei allem, dass alles, was man tue, „sich an den emotionalen Bedürfnissen orientiert“, so der Münchner Arzt. „Das hat nachweislich positive Effekte auf die Lebenssituation der dementiell erkrankten Menschen.“ Nicht das Leben mit einer dementiell Erkrankung ist unerträglich, die Umstände wie auch der Umgang mit ihnen mache vieles unerträglich.
Den Hospizbegleiter wie auch Palliative-Care-Fachkräften legte er es deshalb ans Herz, ihre ureigentliche hospizliche und palliative Kompetenz, die Zuwendung zum Menschen auch im Sterben hochzuhalten und zu pflegen. „Menschliche Zuwendung senkt nämlich den Einsatz von Psychopharmaka!“ „Achten Sie auf den Einzelnen in seiner Situation und in seiner Bedingtheit, denn es gibt keine Patentrezepte und es gibt nicht DIE Demenz-Care.“