Suchtfachambulanz der Caritas in Augsburg berichtet über Rückfälle und macht sich große Sorgen um Betroffene
Augsburg, 08.05.2020 (pca). Die Gefahr, dass suchtkranke Frauen und Männer verstärkt konsumieren und "trockene" Klienten rückfällig werden könnten, wächst. "Immer wieder erzählen uns Betroffene am Telefon, dass sie wieder auf ihr Suchtmittel zurückgreifen", sagt Edith Girstenbrei-Wittling. "Auch Angehörige berichten uns davon, dass sich zuhause die familiäre Situation zuspitzen würde. Sie bitten uns um Hilfe." Die Leiterin der Suchtfachambulanz der Caritas in Augsburg stellt auch fest, dass die Telefonberatung nicht für alle Ratsuchenden hilfreich ist. Ihre Schlussfolgerung: "Unsere Beratungsstelle für suchtkranke Menschen muss wieder die Möglichkeit erhalten, Betroffene von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Wir brauchen eine gewisse Normalität für unsere Arbeit, um unsere ganzen Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten entfalten zu können. Wir müssen suchtkranke Menschen wieder mit der nötigen Qualität behandeln können. Die Hygiene- und Abstandsvorschriften können auch wir einhalten."
Auch nach sechs Wochen zeigt sich, dass ein Teil der Klientinnen und Klienten am Telefon gut begleitet werden können. Darüber hatte der Caritasverband für die Diözese Augsburg in der Anfangsphase des Lockdown berichtet. Jede Woche tauscht sich das Team von 10 Beraterinnen und Beratern über die Erfahrungen aus den täglich 25 bis 30 Telefonberatungen und aus der Online-Beratung untereinander aus. Es zeigt sich nun, so Girstenbrei-Wittling, "dass Klientinnen und Klienten zunehmend unter der Situation leiden".
"Die Corona-Pandemie mit allen ihren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen bedeutet für jeden von uns eine besondere Stresssituation. Für suchtkranke Menschen mit schwierigen Alltagsbedingungen und hohen psychischen Belastungen ist die Situation noch schwieriger auszuhalten und zu bewältigen. Der Stress-Level ist schneller überzogen," so Girstenbrei-Wittling. Durch den Lockdown würden zum einen die Probleme von suchtkranken Menschen verstärkt und gleichzeitig fehlen die Möglichkeiten, dem Suchtdruck auszuweichen, indem man beispielsweise andere Örtlichkeiten aufsucht, Freunde trifft oder in die Selbsthilfegruppe geht. Auch Angehörige leiden, in vielen betroffenen Familien verschärfte sich die Problematik, da man sich kaum mehr aus dem Weg gehen kann.
Girstenbrei-Wittling und ihrem Team bereiten diese Entwicklungen große Sorgen. Da gehe es ja nicht nur um einen einmaligen Rausch. "So ein Absturz ist immer komplex und birgt das Risiko von großen gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden." Die Situation kann je nach Fortschritt der Erkrankung auch lebensbedrohlich werden. Das Selbstmordrisiko Betroffener steigt, weil ihr scheinbares Versagen sie selbst in tiefste psychische Krisen stürzt. Ein erneuter Anlauf, aus dem Loch herauszukommen, zu entgiften oder den Konsum zu reduzieren, erfordert von den Betroffenen einen großen Kraftakt. Um Hilfe in Anspruch nehmen zu können brauchen sie auch eine Perspektive, die sich lohnt.
Die Leiterin der Suchtfachambulanz des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes ist deshalb froh über die angekündigten zaghaften Erleichterungen für die Menschen in Bayern. "Es ist richtig und notwendig, dass das Leben wieder langsam etwas hochgefahren wird und wieder persönliche Beratungen möglich sind." Sie wünscht sich ebenso, dass bald wieder Gruppensitzungen stattfinden können.
"Aus der Krise konnten wir aber auch lernen", so Girstenbrei-Wittling. "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der Telefonberatung gemacht und möchten deshalb diese Form auch zukünftig offensiver nutzen." Sie plädiert für eine Mischform aus persönlicher, telefonischer bzw. digitaler Beratung und Gruppenarbeit.