Niemand soll ausgeschlossen werden, auch jene nicht, die auf Hilfe angewiesen sind, ob jung oder alt, krank, behindert oder mit geringen finanziellen Ressourcen. Drei Jahre hatte dafür die Caritas in seinem Plan vorgesehen. Ende dieses März 2016 geht das Projekt seinem Ende entgegen.
Die Aktion Mensch hatte das Projekt als Sozialraum- und Inklusionsprojekt begrüßt, auch der Freistaat Bayern zeigte großes Interesse wie auch der Landkreis Augsburg sowie der Verein Begegnungsland Lech-Wertach e. V.. Sie unterstützten das Projekt finanziell und ideell. Das Institut für Humangeographie und Geo-Informatik der Universität Augsburg schuf mit einer Bürgerbefragung zentrale Grundlagen für eine detaillierte soziographische Analyse. Die Soziologin Professorin Dr. Annette Plankensteiner begleitete aus ihrem fachlichen Blickwinkel das Projekt und wertet die Ergebnisse für ein Buch aus, das noch in diesem Jahr im Lambertus-Verlag erscheinen wird. So stellt sich ganz natürlich die Frage nach dem, was das Projekt gebracht hat.
Vieles ist entstanden durch bürgerschaftliches Engagement, durch Menschen in Graben, denen das Für- wie auch Miteinander schlichtweg am Herzen lag. "Es betrifft uns ja auch selber", bekam man immer wieder zu hören. Vieles gibt es nun in Graben, was es zuvor nicht gab. Dazu gehört die Info-Broschüre, die alle Adressen und Infos enthält, die die "Gräbinger" für sich als wichtig erkannt hatten. Es gibt nun den Fahrerservice und den wöchentlichen Einkaufsmarkt am Rathausplatz. Der Asylhelferkreis entfaltete sehr schnell ein umfassendes und nachhaltiges Hilfenetzwerk, weil sie durch ihr verschiedentliches Engagement voneinander wussten, auch wo man "anklingeln" muss, wenn man eine spezielle Hilfe brauchte. Die Gemeinde machte sich nach einer "Ortsbegehung" interessierter Bürgerinnen und Bürger daran, unnötige Barrieren zu beseitigen. Bauträger lernten, dass es keineswegs falsch ist, neue Bauprojekte barrierefrei zu gestalten und einen Lift mit einzuplanen. Graben ist heute nicht ohne Grund ein sozial viel lebendigerer Ort als noch vor wenigen Jahren.
Viele, die sich engagieren, hatten eine große Angst, dass alles, was in der Zwischenzeit geschaffen worden war, mit Projektende wieder "den Bach heruntergeht", "sich verläuft und dann wir wieder dort stehen, wo wir vor dem Projekt waren." Doch die Angst braucht man nicht zu haben. Die Gemeinde Graben hat die "Sachbearbeitung Soziales" in die Geschäftsordnung übernommen und damit fest in der Kommunalverwaltung verankert. Karina Pade, die schon die ganzen Jahre als Verwaltungsangestellte im Projekt mitgearbeitet hatte, wird diese Aufgabe übernehmen. Im neu gegründeten Sozialbeirat des Gemeinderates sind nicht nur die gewählten Gemeinderäte vertreten, sondern auch die Jugendreferentin, die Seniorenbeauftragte, die Senioren-Clubs, die Behindertenbeauftragte, die beiden Kirchen, der Helferpool, der Asylhelferkreis wie auch die Themengruppe. Diese hatte sich damit auseinandergesetzt, was die BürgerInnen Grabens benötigen. Sie wurde inzwischen in "Arbeitsgemeinschaft Wir - Daheim in Graben und Lechfeld" umbenannt. Zudem soll der Verein "Bürgergemeinschaft Lechfeld" ins Leben gerufen werden. Bürgermeister Scharf hat sich darüber hinaus mit Erfolg darum bemüht, Einigkeit unter fünf Lechfeld-Gemeinden darüber herbeiführen, dass das Begegnungsland Lech-Wertach einen Antrag auf Förderung eines weiteren 3-Jahres-Projektes einreicht, um das in Graben Erreichte auf die anderen Gemeinden erweitern zu können.
Bürgermeister Scharf machte in Gesprächen immer wieder deutlich, was für ihn der entscheidende Impuls des Projektes ist. "Wir haben neu zu denken gelernt, unsere Blickwinkel verändert und uns für Neues geöffnet." Doch wer hat all dieses neue Denken bewirkt? Manche, die sich ehrenamtlich engagieren, sagen, "wir waren es". Andere meinen "Nein, Vera Lachenmaier war es, die uns dazu gebracht hat."
Die Pädagogin Vera Lachenmaier war vom Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V. engagiert worden, um vor Ort das Sozialraum- und Inklusionsprojekt "Wir - DAHEIM in Graben!" ins Leben zu übersetzen. Sie will keineswegs ihre Rolle unter den Schatten stellen. "Ja, ich habe moderiert, Ideen aufgegriffen, zurückgeworfen, ermutigt, begleitet, beraten und immer wieder das Gespräch gesucht, um herauszufinden, wo die Probleme liegen und wo es Möglichkeiten gibt, Ideen und Angebote auszubauen. Ich wollte Impulse geben, auch immer wieder Orientierung anbieten." Aber sie sagt auch: "Ohne die Ehrenamtlichen, die sich nicht nur einbrachten, sondern auch klar sagten, was sie sich vorstellen und was sie wollen, wäre das Projekt niemals aus der Wiege herausgekommen." Dass die Ehrenamtliche dabei blieben und nicht aufgaben, führt Lachenmaier auf die entscheidende Grundüberzeugung des Projektes "Wir - Daheim in Graben!" zurück: "Die Menschen hier vor Ort sind die besten Experten in ihrer eigenen Sache." Man konnte Lachenmaier sehr wohl die Frage stellen, ob sie etwas als wichtig einschätzte, doch es kam immer wieder die Frage zurück: "Ist es denn Ihnen wichtig?"
Was ihnen wichtig war, das sprachen die Bürgerinnen und Bürger aus. Doch eine Unsicherheit begleitete sie anfänglich. Sehen das auch die Verantwortlichen in der Gemeinde so? Bürgermeister Scharf wusste um die Schätze, die er da in seiner Gemeinde hatte. Die Ehrenamtlichen spürten seine Wertschätzung und merkten bald, dass das, was sie aussprachen, auch in die Tat umgesetzt wird. Die Bürgerinnen und Bürger erlebten, dass das, für was sie sich einsetzten, "selbstwirksam" wurde.
So waren und sind sie auch heute noch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Lachenmaier hatte dabei immer darauf Wert gelegt, dass die Verantwortung, die man bereit ist zu übernehmen, nicht bei den Grenzen der eigenen Zuständigkeit aufhört. "Die Gräbinger wurden deshalb auch so lebendig, weil sie diese Grenzen nicht als Grenzen, sondern als offene Türen zu Neuem verstehen lernten." Das allerdings gelingt nur, wenn man eine offene Kommunikationskultur pflegt. "Und das hat uns Frau Lachenmaier immer wieder beigebracht", sagt Pade.