Heimleiter Michael Kaiser freut sich über die bunt bemalten Holzschilder vor dem Haupthaus, die anlässlich des Jubiläums entstanden. Lisa Uekötter/Caritas Münster
Die Jungs winken herüber. Michael Kaiser grüßt zurück. Der Heimleiter ist auf seinem Rundgang über das Gelände am Mauritz-Lindenweg. Dort steht das Haupthaus der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz.
Wenn Eltern aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder ausreichend zu versorgen, finden sie hier ein sicheres Zuhause. Und das seit fast zwei Jahrhunderten. In der 175jährigen Geschichte der Einrichtung hat sich vieles verändert, einiges ist geblieben. "Wir geben Kinder nicht so leicht auf", sagt Kaiser. Das habe Priester Eduard Michelis nicht gemacht, als er 1842 das Heim für arme Waisen gründete und auch heute steht das Wohlergehen der über 200 betreuten Kinder-, Jugendlichen und Familien an oberster Stelle.
Heimleiter Michael Kaiser erklimmt den erlebnispädagogischen Kletterfelsen der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz. Lisa Uekötter/Caritas Münster
Vor allem die Übergangsphase sei für die meisten Kinder schwierig. "Von der Mutter getrennt zu werden ist nicht einfach", bekräftigt Kaiser. Er geht gerade an der Kinderkrisenhilfe vorbei, einer Notaufnahmegruppe mit sechs Plätzen. Damals kamen noch hauptsächlich Kinder ins Heim, deren physiologische Versorgung nicht gewährleistet war. Heute sind es überwiegend Kinder psychisch erkrankter Eltern. Dies habe laut Kaiser auch Auswirkungen auf die Kinder: "Wir werden mit Verhaltensweisen konfrontiert, die es so vor 20 Jahren noch nicht gab." Die Kinder seien zum Teil schwerst traumatisiert. In der Einrichtung erhalten sie ein stabiles Umfeld mit geregeltem Tagesablauf. Vor allem verlässliche Beziehungen seien jetzt wichtig, um die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Unterstützt werden die Mädchen und Jungen von spezialisierten Mitarbeitern, denn die Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz hat sich vor neun Jahren bundesweit als erste Einrichtung auf einen neuen Weg begeben. Traumapädagogik ist hier das Stichwort. Über zwei Jahre haben sich alle pädagogischen und therapeutischen Fachkräfte in der Traumapädagogik fortgebildet. Viele Einrichtungen sind diesem Beispiel mittlerweile gefolgt.
Auf seinem Weg zu einer Wohngruppe läuft Michael Kaiser gerade am Kletterfelsen vorbei. Er ist nicht nur bei den Kindern sehr beliebt, sondern wird auch von der Heimleitung gerne bestiegen. Immer dienstags können die Kinder unter Anleitung der Erlebnispädagogen den Felsen erklimmen und so ihre Grenzen austesten oder schon für die Teilnahme an bundesweiten erlebnispädagogischen Wettbewerben trainieren. Aber der Felsen ist nicht das eigentliche Ziel von Kaiser. Er möchte noch weiter zu einer Wohngruppe.
Dort angekommen, berichtet ein kleiner Junge von dem Gemüse, das die Wohngruppe grade anpflanzt und bald essen kann. Auch hier zeigen sich die Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Aus Zwei-Bett- Zimmern sind Ein-Bett-Zimmer geworden und die Gruppengröße ist von zwölf auf sechs bis neun reduziert worden.
Lange bleiben die Kinder meist nicht in den Wohngruppen. Sie entwickeln gemeinsam mit ihren Betreuern eine tragfähige Zukunftsperspektive. Das kann die Weitervermittlung in eine Pflegefamilie, die Rückkehr in die eigene Familie oder der Umzug in eine Außenwohngruppe sein. "Wir haben 87% geplante Entlassungen" freut sich der Heimleiter über den überdurchschnittlich hohen Wert. Er ist mittlerweile am Ende seines Rundganges angekommen.
Die Veränderungen in der Heimerziehung haben auch vor dem Gebäude keinen Halt gemacht. "Wir mussten unser Konzept immer wieder den Bedarfen anpassen", so Kaiser. Aus einem Wohngebäude für wenige Waisenkinder wurde ein Komplex mit differenzierten Angeboten für Mädchen, Jungen und Eltern. Von der Krisenhilfe, die 24 Stunden am Tag erreichbar ist, bis zur Aufnahme ganzer Familien. Schließlich reichte ein Haus nicht mehr aus. Die Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz kaufte, mietete oder baute. Außenwohngruppen verteilen sich in der ganzen Stadt. Zuletzt wurde das "Elvenstück" in der Innenstadt eröffnet. Auch auf Norderney besitzt die Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz ein Ferienhaus. "Die Bilder vom Strandurlaub hängen das ganze Jahr über in den Wohngruppen", berichtet eine Betreuerin. Die nächsten Fotos entstehen dann wohl bei den kommenden Jubiläumsaktionen.
Die Jubiläumsaktionen in 2017 und 2018 im Überblick:
8. bis 9. September 2017 Zeltnacht Outback
22. September 2017 Betriebsfest "Mauritz auf dem Weg"
29. September 2017 Besuch der Friedrichsburg/Begegnung mit der Ordensgeschichte
27. Oktober 2017 Wanderung auf dem Jacobsweg
3. November 2017 Gottesdienst mit internat. Schwestern, Mitarbeitenden, mit Herr Dr. Norbert Köster und Pfarrer Gehrmann
14. Dezember 2017 Weihnachtsfeier
März bis Juni 2018 "Urban Gardening"
Frühjahr 2018 großes Betriebsfest
9. bis 13. Mai 2018 Katholikentag
12. bis 14. Juni 2018 BVkE Bundestag "Kompass Mensch"
Sommer 2018 Sommerfest
069-2016 (lu) 29. August 2017