Die Sehnsucht nach der wahren Liebe steckt in jedem Menschen – ob er eine autistische Störung hat oder nicht. Der Partner soll einfühlsam und verlässlich sein, liebevoll und treu. Die beiden sollen einander so annehmen, wie sie sind. Bei aller Gemeinsamkeit gibt es doch einige Besonderheiten, auf die zu achten ist, damit Familie und Partnerschaft von Menschen mit Autismus gelingen kann. Dies wurde bei einer Podiumsdiskussion mit den Referenten der Tagung „Autismus im Erwachsenenalter“ des Kompetenzzentrums Autismus Schwaben Nord vom Diözesancaritasverband Augsburg deutlich. „Alle haben die gleichen Wünsche nach Liebe“, sagte der Psychologe Matthias Huber, der selbst betroffen vom Asperger-Syndrom ist. Bei einem autistischen Menschen jedoch könne es sein, dass er diese Wünsche nicht so ausdrücken kann. Was bedeutet es, verliebt zu sein? Geht man da ins Kino? Muss man danach noch was trinken gehen? Wenn ich heute Ja sage, muss ich dann immer Ja sagen? Bin ich da nicht sozial erschöpft? All diese Fragen können, so Huber, auf einen autistischen Menschen einstürzen.
Therapeutin Susanne Maróthy-Keller, die Erwachsene mit Autismus in ihrer Praxis begleitet, wies darauf
hin, wie wichtig für ihre Klienten Rückzugsmöglichkeiten sind. Sie erzählte von einer 36-Jährigen, für die es ein Bedürfnis war, jeden Abend für eine halbe Stunde alleine spazieren gehen zu dürfen. Deutlich wurde in dieser Runde auch, wie hilfreich es für die Paare sein könne, dass sie sich ihre eigenen Regeln setzen. „Sie geben ein Gleis vor, damit die Beziehung nicht aus den Fugen gerät“, meinte Dr. Franziska Gaese, Fachärztin für Psychologie und Psychotherapie. Es sollten jedoch nicht zu viele Ausnahmen von den Regeln gemacht werden. Das schließe jedoch nicht aus, dass die Regeln immer wieder einmal überprüft und neu angesprochen werden.
Klarheit sei auch in der Kommunikation der Partner von besonderer Bedeutung. „Menschen mit Autismus sind sehr klar in dem, was sie sagen“, wies Matthias Huber hin, „sie reden nicht um sieben Ecken herum“. Was für manche befremdlich klingen könnte, etwa dass ein Mensch mit Autismus viel von seinem Spezialinteresse erzähle, könne bedeuten, dass er, so Huber, „nur dem davon erzählt, den er mag“.
Eine große Rolle in der Partnerschaft von Menschen mit Autismus spielt die Zeit – vor allem die Zeit für Erholung. Darauf wies Susanne Maróthy-Keller hin. Eng damit verbunden sei die soziale Wahrnehmung, die Achtsamkeit gegenüber sich selbst, aber auch gegenüber den Bedürfnissen des anderen. Viele Menschen mit Autismus könnten dies nicht so verbalisieren, meinte Maróthy-Keller. Auch hier brauche es Zeit, um aneinander zu reifen und zu lernen, einander ehrlich zu sagen, welche Bedürfnisse man habe.
Träume, Visionen von der wahren Liebe, das eint Menschen mit oder ohne Autismus. Christian Huber: „Kängurus fotografieren, irgendwohin fliegen, diesen Kuchen essen“, natürlich hätten auch autistische Menschen solche Träume. Schwieriger jedoch sei es für sie zu wissen, wie solche Träume umzusetzen sind. „Da braucht es oft mal mehr Zeit, um sich da hineinzudenken“, so Huber. Am Beispiel eines jungen Paares, beide Autisten, zeigte Franziska Gaese auf, dass man sich oft von den klassischen Vorstellungen vom Verliebt sein lösen müsse. Verbindend sei bei diesem Paar das gemeinsame Interesse gewesen: Der eine Partner schreibt Geschichten, der andere illustriert sie.