Caritas-Ulrichswerkstätten Aichach - Politiker stehen Beschäftigten Rede und Antwort
"Wer entscheiden darf, soll auch informiert sein", darin war sich der Werkstatt-Rat der Caritas-Ulrichswerkstätten in Aichach einig. Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2019 dürfen psychisch kranke und behinderte Menschen nicht pauschal von Wahlen ausgeschlossen werden. Im Blick auf die anstehenden Kommunalwahlen waren deshalb Politiker unterschiedlicher Couleur zu einem Podium in die Werkstätten eingeladen, um den dort Beschäftigten Auskunft zu geben, wofür sie stehen. Den Fragen stellten sich u.a. Klaus Metzger, Landrat von Aichach-Friedberg (CSU), der Aichacher Bürgermeister Klaus Habermann (SPD), der Aindlinger Bürgermeister und Bezirkstagsabgeordnete Tomas Zinnecker (CSU), der Bürgermeister von Sielenbach Martin Echter, Berta Arzberger und Constanze von Tucher (beide ÖDP), Dr. Renate Magoley (Freie Wähler), Marion Bruells (Die Grünen), Karl-Heinz Faller (FDP), Sissi Veit-Wiedemann als ehemaliges Mitglied des schwäbischen Bezirkstages (CSU) sowie Josef Koppold als Behindertenbeauftragter des Landkreises Aichach-Friedberg.
Am brennendsten interessierte diese Menschen mit besonderem Förderbedarf, ob Werkstätten wie die ihre angesichts der Bestrebungen nach mehr Inklusion überhaupt noch Zukunft haben. Landrat Metzger versicherte, wie wichtig es ihm sei, dass Menschen mit Förderbedarf "die Möglichkeit haben, auszuwählen, nach dem zu suchen, was für sie das Beste ist". Klar positionierte sich auch Tomas Zinnecker: "Der Bezirkstag steht voll hinter den Werkstätten. Sie sind hier so gut gefördert! Das hier ist durch nichts zu ersetzen, und das soll auch so bleiben." Die Werkstätten seien für viele der richtige Platz, so auch Marion Bruells (Grüne), genauso gut könne für andere Menschen mit Behinderung ein Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft passender sein. In diesem Fall plädierte Bruells dafür, dass diesen Menschen zunächst jemand, der sie begleitet, zur Seite gestellt wird. Auch die Arbeitgeber, die einen Menschen mit Handycap einstellen, sollten noch mehr unterstützt werden. In der Diskussion, nicht nur auf dem Podium, sondern auch mit dem sehr aufmerksamen und engagierten Publikum zeigte sich, wie wichtig den Beschäftigten ihre Arbeit ist und dass sich diese Wertschätzung auch auf dem Gehaltszettel - der Maßstab ist der Mindestlohn - wiederfindet.
Angesprochen wurden auch andere, für den Zuhörerkreis wichtige Themen: Etwa, dass es noch gewaltig an guten, regelmäßigen Nahverkehrsverbindungen hake, die die Orte im Landkreis untereinander gut verbinden. Deshalb sei es schwierig, Außenarbeitsplätze für Menschen mit Behinderung anzubieten, die in der Regel ja nicht einfach ein Auto nehmen können.
Nicht nur Sachthemen wie z.B. die Sorge um die Umwelt oder Anforderungen der Barrierefreiheit auf den Gehwegen und öffentlichen Plätzen in den Kommunen, auch Persönliches wollten die Beschäftigten von den Politikern/innen hören. So erfuhren sie, dass der Arbeitstag eines Landrats oder Bürgermeisters meist bis spät in den Abend geht, und dass sie die Höhe des Gelds, das sie verdienen, nicht einfach selbst bestimmen können. Für Heiterkeit sorgte die Frage: "Warum weichen Politiker bei Antworten oft aus und sagen nicht, dass sie’s einfach nicht wissen?" Bürgermeister KIaus Habermann räumte ein, dass es oft wirklich nicht einfach sei, die vielen Aspekte eines Themas auf einen Punkt zu bringen. Als eine gute Übung, sich klar und deutlich in einfacher Sprache auszudrücken, stellte sich bei dieser Diskussion die Rolle von Christine Borucker heraus. Die Leiterin der Caritas-Beratungsstellen für Unterstützte Kommunikation schritt mittels "roter Karte" immer dann ein und forderte eine "Leichte Sprache", wenn es wieder einmal zu ungenau und komplex wurde. Nicht nur einmal musste sie den Rednern sagen: "Das waren jetzt viele Antworten auf eine Frage."