Der Caritasverband für die Diözese Speyer wird die sieben „Warenkorb“-Kaufhäuser in der Pfalz und im Saarpfalzkreis Ende Januar schließen. Das teilte der Verband heute bei einer Pressekonferenz in Speyer mit. Die Schließung ist eine Konsequenz aus der Entscheidung der Bundesregierung, die Fördermittel zur Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen massiv einzuschränken. Die Kürzung trifft arbeitslose Menschen, aber auch die Anbieter der Qualifizierungsmaßnahmen.
Von der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen, fährt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die finanziellen Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik seit etwa zwei Jahren stark zurück. Das spüren vor allem die Jobcenter. Deren Budget für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen wurde im vergangenen Jahr um 25 Prozent und in diesem Jahr noch einmal um 17 Prozent reduziert. Im Zuge der so genannten „Instrumentenreform“, die zum Ende dieses Jahr ihre volle Wirkung entfaltet, konzentrieren die Jobcenter ihre Unterstützung auf den Teil der Arbeitslosen, die den Anforderungen des Arbeitsmarktes schon weitgehend entsprechen. Hingegen wird die Unterstützung von Arbeitssuchenden, die weniger leistungsfähig sind und mehrere Vermittlungshemmnisse wie zum Beispiel fehlende Sprachkenntnisse oder gesundheitliche Probleme haben und infolgedessen schon längere Zeit arbeitslos sind, nach dem Willen der Bundesregierung deutlich eingeschränkt.
„Damit haben die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr. Das Ziel der Integration in das Arbeitsleben rückt für diese Menschen in weite Ferne“, kritisierte Domkapitular Karl-Ludwig Hundemer, der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Speyer, den Kurs der Bundesregierung. In der politischen Diskussion vor Einführung der „Instrumentenreform“ haben der Caritasverband und viele andere Verbände und Organisationen, darunter auch der Deutsche Städtetag, eindringlich vor den negativen Folgewirkungen gewarnt. So hat der Caritasverband für die Diözese Speyer bereits vor einem Jahr alle Bundestagsabgeordneten aus der Pfalz und dem Saarpfalzkreis persönlich angeschrieben und sie aufgefordert, der „Instrumentenreform“ der Bundesregierung ihre Zustimmung zu verweigern.
Keine Konkurrenz zu Secondhand-Geschäften
Die Kritik der Verbände führte zu kleineren Korrekturen, doch die Grundausrichtung blieb bestehen. Die Folgen zeigen sich jetzt, nach Ablauf der Übergangsfrist. „Das Konzept der Warenkorb-Kaufhäuser basierte auf der Förderung der Qualifizierungsmaßnahmen durch die Jobcenter. Nur aufgrund dieser Förderung konnten die Warenkorb-Kaufhäuser über viele Jahre wirtschaftlich tragfähig betrieben werden“, erklärt Caritasdirektor Vinzenz du Bellier. Die Verkaufserlöse deckten in der Vergangenheit etwa zwei Drittel der Finanzierung ab. Das restliche Drittel kam aus Fördergeldern der Jobcenter, des Europäischen Sozialfonds und der Landesarbeitsministerien.
Im vergangenen Jahr haben mehr als 260 arbeitslose Frauen und Männer an Qualifizierungsmaßnahmen in den Warenkorb-Kaufhäusern teilgenommen. Das Qualifizierungsprogramm setzte sich aus vielfältigen Aufgaben zusammen, zum Beispiel dem Aufbessern von gebrauchten Kleidern und Möbelstücken oder der Mitwirkung am Verkauf. 16 Prozent der Teilnehmer fanden anschließend eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt.
„Ohne die Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose wären die Warenkorb-Kaufhäuser ganz normale Secondhand-Geschäfte“, machte du Bellier deutlich. Hier gelte jedoch die politische Leitlinie, dass gemeinnützige Wohlfahrtsverbände wie der Caritasverband in diesem Bereich nicht in eine wirtschaftliche Konkurrenz zu gewerblichen Anbietern treten dürfen. Das Gebot der Wettbewerbsneutralität hätte der Caritasverband nur erfüllen können, indem er den Zugang zu den Warenkorb-Kaufhäusern auf die Empfänger von Sozialleistungen beschränkt. „Das Modell eines Einkaufens mit Bedürftigkeitsnachweis steht jedoch im Widerspruch zu dem Grundanliegen, dass der Einkauf in einem Sozialkaufhaus keine stigmatisierende Wirkung haben darf.“ Die einzelnen Warenkorb-Kaufhäuser sind bisher von durchschnittlich 185 Kunden pro Tag aufgesucht worden. An allen sieben Warenkorb-Standorten gibt es jedoch alternative Einkaufsmöglichkeiten für gebrauchte Kleider, Möbel und Haushaltsgegenstände.
Der Caritasverband sieht im Blick auf das Entstehen von immer mehr Sozialkaufhäusern, Tafeln und Suppenküchen in Deutschland Licht und Schatten dicht beieinander. Zum einen bedeuten sie eine Lebenserleichterung für Menschen, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen. Zum anderen stehen sie für einen Rückfall in die Zeit vor der Einführung der sozialen Sicherungssysteme. „Ein Leben frei von Armut ist immer auch eine Frage der Menschenwürde und ein grundlegendes Bürgerrecht in unserer Gesellschaft“, betonte Hundemer und warnte vor der Gefahr, dass die sozialen Grundsicherungsrechte unter Hinweis auf kostenlose oder günstige Versorgungsmöglichkeiten wie Sozialkaufhäuser und Tafeln immer mehr ausgehöhlt werden könnten.
Schlussverkauf im Januar
Ab 01.11.2012 werden von den Warenkorb-Kaufhäusern keine Sachspenden mehr angenommen. Die vorhandenen Waren sollen bis zur Schließung (je nach Standort zum 31.12.2012 bzw. 31.01.2013) verkauft werden. Im Januar ist ein Schlussverkauf geplant. Für die mehr als 100 Frauen und Männer, die derzeit an Qualifizierungsmaßnahmen in den Warenkorb-Kaufhäusern teilnehmen, hat die bevorstehende Schließung keine direkte Auswirkung. Ihre Qualifizierungsmaßnahmen enden regulär zum 31. Dezember.
Mit den 28 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Warenkorb-Kaufhäuser wird der Caritasverband Gespräche führen. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen endet das Beschäftigungsverhältnis regulär zum vereinbarten Zeitpunkt. Den 18 unbefristet angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird der Caritasverband möglichst alternative Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten. Der Verband ist auch zu Gesprächen über sozialverträgliche Konditionen für eine vorzeitige Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse bereit. In den Warenkorb-Kaufhäusern wirken auch zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer mit. „Ihnen gilt der besondere Dank des Caritasverbandes für das über viele Jahre kontinuierlich eingebrachte Engagement“, unterstrich Domkapitular Karl-Ludwig Hundemer.
Bei den Verkaufsräumen der Warenkorb-Kaufhäuser an den einzelnen Standorten handelt es sich um gemietete Immobilien. Der Caritasverband wird im Gespräch mit den Kommunen nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten suchen. Zudem wird die Möglichkeit geprüft, die Mietverhältnisse vorzeitig aufzulösen. Um einen Leerstand der Räume zu vermeiden, kommt auch eine Untervermietung in Betracht.
Hervorgegangen aus einer Initiative der Christlichen Arbeiterjugend
Die Warenkorb-Kaufhäuser waren aus einer Initiative der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) Westpfalz-Saar hervorgegangen. Das erste Sozialkaufhaus wurde im Jahr 2000 in Kaiserslautern eröffnet. Im Jahr 2004 übernahm der Caritasverband für die Diözese Speyer die Trägerschaft der Sozialkaufhäuser, die von da an unter dem Begriff „Warenkorb“ geführt wurden. Heute gibt es insgesamt sieben Warenkorb-Kaufhäuser im Bistum Speyer. Die Standorte sind Kaiserslautern, Speyer, Neustadt, Primasens, St. Ingbert, Ludwigshafen und Germersheim.
Da die Hilfe für arbeitslose Menschen für den Caritasverband nach wie vor einen hohen Stellenwert hat, soll nun die Möglichkeit geprüft werden, die Grundidee des Warenkorbs in anderer Form zu verwirklichen. Dazu wird der Caritasverband alternative Konzepte und Organisationsformen in den Blick nehmen.
Weitere Informationen zu den Warenkorb-Kaufhäusern:
www.caritas-speyer.de/59300.html
Kontakt:
Caritasverband für die Diözese Speyer
Obere Langgasse 2
67346 Speyer
Telefon 06232 / 209-0