Er nahm es, bevor er sich wieder in eine lautere Gesellschaft begab, trank ein Bier, und wurde schließlich erst recht so unruhig, dass er kaum noch mit dem Auto heimfahren konnte. Hätte der Arzt ihn, den psychisch Erkrankten, nicht besser über die Wirkung dieses Medikaments aufklären müssen?
Um Erfahrungen und Fragen wie diese ging es beim ersten "Trialogischen Gespräch", zu dem der Sozialpsychiatrische Dienst des Caritasverbands für die Diözese Augsburg in seine Räume in Günzburg eingeladen hatte. Es war der Auftakt für insgesamt vier solcher Begegnungen, in Zusammenarbeit mit der Selbsterfahrenengruppe Günzburg und dem Bezirkskrankenhaus Günzburg. Die Gesprächsrunden bieten einen Raum dafür, dass sich sowohl Menschen mit einer psychischen Erkrankung, als auch Angehörige, professionelle Helfer und Interessierte miteinander austauschen können. Das Thema war diesmal "Psychopharmaka". Moderiert wurde die Runde von Simone Hiller und Wolfgang Mohr vom Sozialpsychiatrischen Dienst Günzburg sowie Arno Gutmair, Genesungsbegleiter im Bezirkskrankenhaus Günzburg.
Aus den Schilderungen von Betroffenen wurde deutlich, wie schwer es oft ist, allein schon wegen einer unklaren Diagnose, das richtige Medikament zu finden. Da ist ein Mensch, der von seinen Mitmenschen wahrgenommen wird als "einer, der aus der Rolle fällt, der sehr philosophisch, der sehr individuell ist". Ist das schizophren, oder hat er autistische Züge? Einige Monate war er in der Klinik, und danach auch zuhause in psychiatrischer Behandlung. Der Arzt hatte ihm ein Medikament verordnet, "das seine Gedanken filtern würde". Davon hatte der junge Mensch nichts gemerkt. Heute weiß er, dass er "hoch sensibel" ist, etwa besonders empfänglich für das, was unterschwellig an zwischenmenschlichen Emotionen abläuft. Eigentlich keine Krankheit, sondern eine besondere Gabe? "So ist es", sagt er, der inzwischen eine andere, positive Sicht auf sich selbst gewonnen hat.
Einig waren sich die Betroffenen darin, dass Psychopharmaka grundsätzlich hilfreich sein können. "Ich danke Gott dafür, dass wir seit einigen Jahrzehnten so etwas haben", meint ein medizinischer Mitarbeiter, der selbst eine psychische Erkrankung hat. Gleichwohl bestünden Ängste. "Welche Nebenwirkungen haben sie, machen sie süchtig?", beschreibt eine Patientin ihre anfänglichen Vorbehalte. Eine Angehörige wirft ein, dass Patienten vom Arzt oft etwas wollen, "das gleich wirkt" und dass dies oft nicht möglich ist.
Wie können solche Erfahrungen aus der Gesprächsrunde für andere nutzbar gemacht werden, fragte Wolfgang Mohr. Er gab als Anregung mit, sich dessen bewusst zu werden: "Mit welcher Frage gehe ich zum Arzt? Was will ich von ihm?" Übereinstimmung gab es in der Runde auch darin, dass Pillen allein nicht helfen. Vielmehr bedürfe es darüber hinaus eines genaueren, mitfühlenden Hinschauens auf mögliche Ursachen einer psychischen Erkrankung. Gerade hierfür sehen sich die sich die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes in der Günzburger Zankerstrasse 1a als Ansprechpartner. "Das ist unser ureigenster Auftrag der Beratungsstelle", so der Psychologe Mohr.
INFO:
Die Reihe "Trialogische Gespräche" wird fortgesetzt am 12. Mai, mit dem Thema "Zwang in der Psychiatrie". Am 2. Juni geht es um das Thema "Stigma "unheilbar krank", am 7. Juli um die "Sozialpsychiatrische Versorgung". Die Gespräche finden von jeweils 18 Uhr bis 19.30 Uhr in den Räumen des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Günzburg, Zankerstraße 1a, statt.
Menschen, die an einem Beratungsgespräch Interesse haben, können unter der Telefonnummer 08221-32150 einen Termin vereinbaren.