Kindertageseinrichtungen: Caritas lud zu Fachtagung über den Umgang mit Vorurteilen
Augsburg, 10.05.2019 (pca). Es dürfte kaum einen Menschen geben, der nicht Vorurteile hat. Um "Vorurteile und Haltung in der KiTA" ging es deshalb aus gutem Grund beim Fachtag, zu dem das Referat Kindertageseinrichtungen des Diözesanverbands für die Diözese Augsburg e.V. ins Haus St. Ulrich, Augsburg, Mitarbeiter/innen von katholischen Kindertageseinrichtungen eingeladen hatte. "Erziehung ist nie frei von Vorurteilen", sagte Mechtild Teuber, Referatsleiterin Kindertagesstätten bei der Caritas einführend. Die Fortbildungsveranstaltung sollte dazu dienen, sich dieser "Vorurteile bewusst zu werden".
Der "katholische Geschmack" in der KiTa
"Woran erkennt man einen katholischen Kindergarten?" fragte Prof. Dr. Georg Langenhorst, Religionspädagoge an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg. Auf den ersten Blick, meinte er, dürfte kaum ein Unterschied zu sehen sein. "Katholische Kindergärten teilen ganz viele Elemente mit denen von anderen Trägern", so Langenhorst. Und doch sei es vielen Eltern wichtig, ihr Kind in einer katholischen Einrichtung aufgehoben zu wissen - auch dann, wenn ihnen in ihrem eigenen Leben das Religiöse nicht so wichtig sei. "Religiöse Erziehung kann nicht schaden", "Meine Kinder sollen wissen, welche Feste man in unserer Kultur feiert", "Wie soll ich meinen Kindern religiös etwas auf den Weg geben, wenn ich es selbst nicht mehr kann?" Solche Elternstimmen brachte Georg Langenhorst als Beispiele. Und doch gebe es ein paar "katholische Geschmacksrichtungen" in einer katholischen KiTA, so der Theologe. Als spezifisch benannte er eine Haltung gegenüber dem Kind, die an die erste Stelle den "Zuspruch" stellt. Die "tiefste Schlüsselerfahrung" im Leben eines Menschen sei , dass ihm der andere das "Ja des Seindürfens" zuspricht. Es sei die Zusage Gottes an den Menschen. "In der Art, wie Sie mit den Kindern umgehen, wie Sie im Team miteinander umgehen", so Langenhorst an seine Zuhörer/innen, könne eine Haltung sichtbar werden, die deutlich macht: "Du bist angesehen. Es ist gut, dass du da bist." In den "Geschichten von Gott", die den Kindern in der KiTa erzählt werden, scheine immer wieder auf, "dass Gott den Menschen und seine Schöpfung angesehen hat".
Die neue "Rechte" und ihre Pädagogik
Einen sozialwissenschaftlich theoretischen Hintergrund zum Rechtsextremismus in Deutschland beschrieb Matthias Lorenz von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern. Anhand von Studien zeigte er auf, dass man unter "Rechtsextremisten " nicht nur Menschen "ganz am Rand" der Gesellschaft sehen müsse. "Rechte Positionen" fänden sich auch in einem nicht unerheblichen Teil (zehn bis zwanzig Prozent) in der Mitte der Gesellschaft. Das "pädagogische Credo" dieser "neuen Rechten" sei eine autoritäre und antidemokratische Erziehung. Etwa in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und dem "Kampf gegen die Frühsexualisierung" sähen diese Kreise das Elternrecht durch den Staat bedroht. Darüber hinaus charakteristisch für rechtsextreme Einstellungen seien Fremdenfeindlichkeit, eine autoritäre Staatlichkeit, ein festes Rollenbild von Mann und Frau, Rassismus - überhaupt, so Lorenz, "der Versuch, die Gesellschaft in ihrer Vielfalt einzugrenzen".
Die Königsdisziplin "Haltung"
Wer "in Schubladen" denkt, schnell sein Urteil fällt, macht es sich einfach. Doch wird er damit auch den Mitmenschen und der Situation gerecht? "Wie gut, dass mich niemand denken hören kann!", hatten Sabina Smajic und Sabine Erb ihr Referat beim Fachtag überschrieben. Sie berichteten von einem vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) angestoßenen dreijährigen Projekt namens "Kivobe - Kindern vorurteilsbewusst begegnen" in ausgewählten KiTas. Sabina Smajic ist Projektleiterin, Sabine Erb leitet eine KiTa in Emmering, die am Projekt beteiligt ist. Die beiden Referentinnen zeigten beim Fachtag den Kolleginnen auf, welche Schritte im Mitarbeiterteam gegangen werden können, um sich zu sensibilisieren für die eigenen Vorurteile und Diskriminierungen und dafür, welche Auswirkungen diese für die pädagogische Praxis haben können. An die erste Stelle, um diese "Schubladen zu öffnen", stellten sie die Selbstreflexion mit Fragen wie: "Welche Vorurteile habe ich selbst? Warum habe ich sie?" Weiter ausgreifend seien Fragen wie: "Was hat mir in meinem Leben Halt gegeben, mir Wurzeln gegeben und Flügel verliehen?" Im KiTa-Team könne miteinander erarbeitet werden, welche Werte sie verbinden. Für eine praktische Umsetzung in den pädagogischen Alltag regten Sabina Smajic und Sabine Erb an, eine "offene, frei interpretierbare" Lernumgebung zu schaffen, die die Vielfalt der Menschen und Lebensweisen abbildet - angefangen damit, dass es beim Malen Buntstifte mit verschiedenen Hautfarben gibt. Bei einem kritischen Blick auf die Bilderbücher in der KiTa können sich beispielsweise festgeschriebene Rollenbilder und Klischées zeigen. Sabine Erb: "Muss es immer der Vater sein, der am Steuer des Autos sitzt? Oder es steht die Mutter in der Küche?" Hilfreich im Team könne es auch sein, hier die eigenen Vorbehalte etwa gegenüber anderen Lebens- oder Familienformen anzusprechen. Für all diese Schritte, den Vorurteilen in der KiTa zu begegnen, empfahlen die beiden Referentinnen den Teams ein Gesamtkonzept. Es könne sich lohnen, denn: "Die Arbeit an den eigenen Haltungen ist die Königsdisziplin."
Engstirnigkeit überwinden
"Wann haben Sie das letzte Mal über jemanden gelästert?" Ein Lachen ging durch die Zuhörer/innen. Denn es war klar, dass das bei manchen höchstens ein paar Stunden her sein könnte. Dr. phil. Christian Boeser-Schnebel von der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Universität Augsburg zeigte in seinem Vortrag bei der Fachtagung auf, wie man Andersdenkenden begegnen und mit ihnen ohne Feindseligkeit streiten kann. "Engstirnig" so meinte er, "da denken wir zunächst nur, dass das die anderen sind". An Beispielen aus dem KiTa-Alltag - etwa wenn Eltern sich vehement für eine bestimmte Ernährung ihrer Kinder einsetzten - zeigte Boeser-Schnebel auf, welche Wege es geben kann, bei konträren Positionen "Maß und Mitte" zu finden. "Die Wahrheit liegt immer irgendwo in der Mitte." Engstirnigkeit entstehe immer dann, wenn der eine seine eigene Meinung als "absolut" setzt. Dann erhärten sich Fronten. "Das wird dann unbarmherzig und starr". Der Referent riet zu einer Haltung, zum einen die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, zum anderen auch offen zu sein für das andere. Darin könne sogar das Positive im Lästern liegen. Als Strategien gegen die Engstirnigkeit nannte er beispielsweise: Den anderen nach den Gründen seiner Position fragen; einander bei extrem starken Emotionen einige Minuten Zeit geben, um sich wieder abzukühlen; und im Fall, dass einer vor Publikum eine "rote Linie" überschreitet, sich klar davon distanzieren. Ziel müsse es sein, "mit dem anderen gemeinsam seine Engstirnigkeit und auch die eigene überwinden".