"Langfristig wird die Leichte Sprache nur dann akzeptiert werden, wenn die Gesellschaft für die besondere Situation von Menschen mit Lernschwierigkeiten sensibilisiert wird und wenn die Texte in Leichter Sprache keine irreführende Verunglimpfung der Sprache abbilden", schreibt sie in einer Stellungnahme zur Kritik an dem Wahlbrief. "Leichte Sprache muss nicht nur gut gemacht sein, wir brauchen auch mehr Aufklärung und Informationen zu dieser Sprachform".
Borucker bedauert die unterschiedliche Anwendung und entsprechend sich verändernde Qualität von Übersetzungen von sogenannten Normaltexten in die Leichte Sprache. Das Netzwerk Leichte Sprache e. V. arbeite deshalb derzeit an einer standardisierten Ausbildung, welche die Übersetzer/innen sowie die Prüfer/innen für ihre Textbearbeitung in Leichter Sprache fit machen soll. "Eine Qualitätsmarke für "Gute Leichte Sprache" wird schon heute vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. vergeben für Organisationen und Büros, welche die Regeln für Leichte Sprache sinnvoll und erfahren anwenden." Die Qualitätsmarke stehe dabei gleichzeitig für die inklusive Zusammenarbeit mit Prüfer/innen für Leichte Sprache, ein Prozess, der die Zielgruppe einbindet und die Verständlichkeit der Texte in den Mittelpunkt rückt.
Die Sprache, die in dem Wahlbrief in Schleswig-Holstein offensichtlich verwendet wurde, wirke dem ursprünglichen Sinn der Leichten Sprache entgegen. Sinn und Zweck der Leichten Sprache sei, Inhalte von komplexen und schwierigen Texten zu vereinfachen und dadurch das Lesen und das Textverständnis zu erleichtern. Bei Worttrennungen wie etwa "Land-Tag" kann die Aussage falsch verstanden werden und in die Irre führen, in diesem Fall zu der Bedeutung ‚ein Tag auf dem Land‘, wie zurecht kritisiert werde.
Borucker erinnert deshalb an die Regeln zu Wörtern, Satzbau und Gestaltung der Leichten Sprache. Eine der Regeln sieht die Trennung von langen Wörtern vor, die von Menschen mit eingeschränkter Lesekompetenz schwer zu erfassen sind. Dies ist hilfreich bei Wörtern, die durch die Trennung nicht sinnentfremdet werden z.B. bei Bett-Wäsche, Straßen-Verkehr oder Brillen-Gläser. Die einzelnen Hauptwörter werden hierbei durch die sogenannte Wortbilderkennung schnell erfasst und führen zu flüssigerem Lesen und besserem Verarbeiten der Textinhalte. "Diese Regel sollte jedoch wohlüberlegt verwendet und nicht generell auf alle längeren Wörter angewandt werden. Irreführung oder Akzeptanzprobleme gegenüber der Leichten Sprache sind dann die Folge."
An Texten in Leichter Sprache arbeiten immer - "zumindest sollte es so sein" - zwei Personengruppen: Übersetzer/innen und Prüfer/innen für Leichte Sprache. Übersetzer/innen sind Personen ohne Einschränkungen, Prüfer/innen sind Nutzer der Leichten Sprache. "Beide Akteure im Verfassen und Anpassen der Leichten Sprache sollten geschult sein, um das Regelwerk und dessen sinnvolle Anwendung im Kontext der Gesellschaft entsprechend anwenden zu können."
Die Ausbildung sei jedoch freiwillig. Die Übersetzer/innen und Prüfer/innen haben also entweder keine oder sehr unterschiedliche Qualifikationen für die Leichte Sprache. Deshalb arbeite das Netzwerk Leichte Sprache e. V. derzeit an einer standardisierten Ausbildung.
Damit Texte in Leichter Sprache keine irreführende Verunglimpfung der Sprache abbilden, setzen sich bereits Sprachwissenschaftler/innen, Verlage, Pädagogen und Pädagoginnen und Menschen mit Lernschwierigkeiten mit dieser Problematik sehr intensiv auseinander. Sie arbeiten alle mit dem Wissen daran, dass die Idee der Leichten Sprache sehr sinnvoll und zielführend ist, "die Umsetzung jedoch noch der Anpassung und Verbesserung bedarf", so Borucker.