© Patricia Mangelsdorff
Mörstadt, 26. Juni 2020. In den zwei Wohngemeinschaften im Haus St. Martha in Mörstadt leben derzeit insgesamt 16 an Demenz erkrankte Menschen. Nun haben sie fünf neue im Taunus geborene Mitbewohner: die Alpakas Anouk, Enzo, Leo, Mailo und Filo für die "tiergestützte Therapie". Möglich wurde dies durch Spender*innen, die die Patenschaft für je eines der Tiere übernommen haben. Am 26. Juni bedankten sich Direktoren und Mitarbeitende des Caritasverbandes Worms mit einer sommerlichen Feier im Garten von St. Martha.
"Alpakas sind im Pflegesatz nicht vorgesehen. Deshalb brauchen wir Menschen wie Sie!" Mit diesen Worten dankte Lars Diemer, Leiter des Bereichs Alter und Pflege beim Caritasverband Worms, den Spender*innen. Nun könnte man fragen: Wieso sollten denn die Kassen die Anschaffung der ursprünglich aus den Anden stammenden Tiere finanzieren? Ist es nicht purer Luxus, sie in der Altenhilfe einzusetzen?
Lebendigkeit und Teilhabe wecken
Christina Pfannmüller, hauswirtschaftliche Leiterin aller sieben Caritas-Wohngemeinschaften, ist da vehement anderer Meinung. Seit Jahrzehnten mit dementen Menschen vertraut, weiß sie genau, wie tief sie in sich versinken und sich verschließen können. Und sie weiß auch, was es braucht, um ihre Lebendigkeit und Teilhabe zu wecken: "Mit Kindern und Tieren blühen demente Menschen auf. Dann sind sie voll da." Caritasdirektor Georg Diederich in seinen Dankesworten: "Manchmal braucht es einen Schlüssel, um Menschen aufzuschließen. Und solch ein Schlüssel können Alpakas sein."
In der Fachwelt heißt das "tiergestützte Therapie" und ist inzwischen weit verbreitet, z.B. in der Neurologie und Psychotherapie. Hinter dem trockenen Begriff verbirgt sich das Wissen, dass die Beziehung zu Tieren bei an Körper oder Seele erkrankten Menschen eine heilende oder zumindest lindernde Wirkung haben kann. Im Wormser Senioren- und Pflegezentrum Burkhardhaus hat der Caritasverband seit langem sehr gute Erfahrungen mit dem ausgebildeten Therapiehund "Benji".
Tanja Zahn, Leiterin von St. Martha: "Tiere sprechen nicht, aber mit ihrer Nähe und Empathie erreichen sie an Demenz erkrankte Menschen sehr schnell. Wir haben hier gleich nebenan Pferde auf der Koppel und in unmittelbarer Nachbarschaft freilaufende Hühner. Die Tiere bei unseren gemeinsamen Spaziergängen zu beobachten tut unseren Mieterinnen und Mietern immens gut. Dass wir jetzt mit den Alpakas auch noch richtige Therapietiere haben, finde ich großartig!"
Friedlich und genügsam
Warum Alpakas so besonders gut für diesen Einsatz geeignet sind, erklärten Corina Wilding, die als Alpakabeauftragte von St. Martha den therapeutischen Einsatz und die Pflege der Tiere übernehmen wird, und Dekanatsreferentin und ehrenamtliche Mitarbeiterin Carolin Bollinger: Ihr Wesen sei ruhig, friedlich und zurückhaltend und auf Grund ihrer Körpergröße sei auch mit Rollstuhlfahrer*innen Augenkontakt möglich. Die Tiere sind relativ neu in unseren Breiten und es gibt keine schlechten Erfahrungen, die man als bedrohlich für Menschen werten könnte. "Falls doch mal eines der Tiere treten sollte, weil es sich z.B. bedrängt fühlt, tut das kaum weh - sie haben sehr weiche Hufe." Was übrigens eine Teilnehmerin der Feier bestätigen konnte. Ein weiterer Vorteil: Aufgrund ihrer Herkunft seien die Tiere sehr genügsam. Einen offenen Stall mit ganzjährigem Weidezugang bräuchten sie und ausschließlich Wasser, Heu, Gras und Mineralsalze als Nahrung. Grünes Gras sei schon "wie Kuchen" für sie.
Schon jetzt sei das gemeinsame Beobachten der Tiere fester Alltagsbestandteil der Mieterinnen und Mieter und motiviere sie dazu, sich auf den Weg aus dem Haus und zur an den Garten angrenzenden Alpakaweide zu machen. Nach der Eingewöhnungs- und Vorbereitungszeit für die Tiere könnten die Bewohner*innen an ihrer täglichen Pflege und Fütterung teilnehmen, geführte Wanderungen mit ihnen unternehmen und sie durch verschiedene Hindernisse führen: alles enorm hilfreiche Übungen für dementiell Erkrankte - wie auch das Verarbeiten der Wolle beim Stricken oder Filzen. Darüber hinaus sollen auch Senior*innen aus anderen Einrichtungen des Caritasverbandes Kontakt mit den Tieren haben. Auch mit dem benachbarten Kindergarten ist eine Zusammenarbeit geplant.
Großzügige Spenderinnen und Spender
All das hatte Lars Diemer im Blick, als er zu Jahresbeginn in einem Aufruf um Spenden für Alpakas warb. Nicht im Blick haben konnte er die große Resonanz: Statt der angestrebten drei konnte der Caritasverband fünf Tiere anschaffen. Bis auf einen Spender waren alle am 26. Juni vertreten: Msgr. Leo Veith, Brigitte Ahrens-Frieß mit Dr. Wolfgang Klein, die bald scheidende Präsidentin und der zukünftige Präsident des Rotary Clubs Worms-Nibelungen, Frank Belzer, Vorstand der Sparkasse-Worms-Alzey-Ried mit Steffen Burdack, dort Leiter des Vorstandsbüros, und Jochen Massoth mit seiner Familie aus Worms.
Nicht bei der Spendenfeier dabei sein konnten die Mieter*innen von St. Martha, um sie nicht dem Ansteckungsrisiko durch den Coronavirus auszusetzen. Aber hätten die Alpakas noch mehr menschliche Aufmerksamkeit vertragen, als sie ohnehin schon hatten? Denn alle Anwesenden, ob Inhaber hoher Ämter oder mitgebrachte Kinder und Enkel, erlagen ihrer Anziehungskraft. Als es für die Tiere zurück auf ihre Weide ging, folgte ihnen ein großer Teil der Gäste wie von einem Magneten gezogen und Kaffee und Kuchen mussten erstmal warten.
Weitere Informationen zur Einrichtung
In den Wohngemeinschaften des Caritasverbandes Worms e.V. leben Seniorinnen und Senioren zusammen. Unterstützt von Fachkräften gestalten sie ihren Alltag gemäß ihren persönlichen Bedürfnissen - gemeinsam oder für sich, aktiv oder in Ruhe. So können sie so selbstbestimmt wie möglich leben und gleichzeitig so umfassend betreut oder gepflegt werden, wie es ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation entspricht.
Von den insgesamt sieben (auf vier Häuser verteilten) Wohngemeinschaften des Caritasverbandes Worms e.V. sind vier, zwei in St. Nikolaus in Worms und zwei in St. Martha in Mörstadt, speziell auf die Bedürfnisse dementiell erkrankter Menschen abgestimmt. In St. Martha wird zusätzlich zu den WGs noch eine Tagespflege angeboten werden. Zur Zeit dienen die Räume noch bei Bedarf der Quarantäne - etwa, wenn jemand aus dem Krankenhaus nach Hause kommt.