Dass die 26-jährige mit einer psychischen Behinderung und leichten kognitiven Einschränkung in den Sommerferien auf einem Pferd sitzen kann, verdankt sie einem besonderen sportlichen Angebot der Freckenhorster Werkstätten.
Schon zum sechsten Mal bietet die Einrichtung im Kreis Warendorf neben den anderen Urlaubsprogrammen eine Reitfreizeit auf dem werkstatteigenen Ökohof Lohmann an. Insgesamt 16 Menschen aus den Werkstätten können daran teilnehmen. "Wir waren in den vergangenen Jahren immer recht schnell ausgebucht", erzählt Reitpädagogin Christiane Hester, die das Urlaubsprogramm gemeinsam mit vier pädagogischen Fachkräften und zwei Freiwilligendienstlern durchführt.
Ein klassischer Tag für Kirstin und ihre Mitreitenden beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück in der nahe gelegenen Landvolkshochschule. Dort übernachten die Teilnehmenden während der Freizeit, obwohl die meisten in Freckenhorst und Umgebung wohnen. "So kommt ein gewisses Urlaubsfeeling auf und der Zusammenhalt der Gruppe wird gestärkt", erklärt Christiane Hester.
Am Vormittag geht es dann häufig in die Reithalle des Hofes. Kirstin Bragulla sitzt dann besonders gerne auf ihrem Lieblingspferd, dem Wallach Diano. "Am liebsten im Galopp. Dann wird man ein bißchen durchgeschüttelt", sagt sie mit einem Lächeln. Kirstin reitet dabei nicht ganz ohne Hilfe: Diano wird mit einem Longe genannten langen Verbindungsstück von Christiane Hester geführt. "Ohne Longe reiten ist grundsätzlich möglich. Aber es braucht eine Menge Übung", sagt Hester. Es gibt auch Reitturniere für Menschen mit Behinderungen, bislang hat man sich in Freckenhorst daran aber nicht beteiligt. "Uns geht es zunächst um andere Vorteile des Sports", erklärt Christine Hester.
Diese Vorteile sind zahlreich und beginnen nicht erst im Sattel. Im Klartext: Auch das Putzen und das Führen des Pferdes zum Reitplatz und auf dem Reitplatz gehören selbstverständlich dazu. "So wird fast ganz von selbst das motorische und koordinative Geschick gefördert", ist sich Hester sicher. Außerdem werde das Selbstbewusstsein gestärkt. "Die Teilnehmenden sehen: Ich schaffe das ganz alleine. Das kann auch im Alltag helfen." Schon im Verlaufe der Reitfreizeit würden viele Fortschritte und Entwicklungen beobachtet. Von Tag zu Tag werden die Teilnehmer sicherer in ihren Abläufen und Bewegungen.
Am Nachmittag steht häufig ein Ausritt in den nahe gelegenen Wald auf dem Programm. Da nur fünf Pferde zur Verfügung stehen, ähnelt dieser mehr einem Spaziergang: Christiane Hester und ihre Kolleginnen führen die Pferde samt Reiter, während der Rest der Gruppe mitläuft. Für die Teilnehmenden dennoch ein schönes Erlebnis: "Ich bin am liebsten draußen", sagt auch Kirstin Bragulla. Für sie bleibt die Reitfreizeit etwas ganz Besonderes: "Ich bin einfach viel lockerer und nicht mehr so angespannt."
Diese Erfolge sehen auch Christiane Hester und ihre Kolleginnen. Ob der Gesichtausdruck eines Teilnehmers beim ersten Galopp oder das Lächeln, wenn Pferd und Reiter in den Wald einbiegen: "Es sind einfach so viele Glücksmomente, die wir hier erleben dürfen. Da weiß man, warum man hier dabei ist", sagt Christiane Hester.