Trainerin Mary Arnold mit den teilnehmenden Jugendlichen, die in den Wohngruppen der Münze wohnen. Julia Lörcks
Mary hat an diesem Morgen scheinbar keinen leichten Job. Es ist Samstagmorgen, kurz nach 10 Uhr, und erst nach und nach trudeln die Jungs und Mädels ein. 14 bis 18 Jahre alte Bewohner:inner der Münze. Manche kennen sich, manche nicht. Die meisten schauen gelangweilt auf den Boden. Michael* zum Beispiel. Er steht nahezu teilnahmslos und in sich gekehrt im Mehrzweckraum der Tagesgruppe. Nur eine halbe Stunde später ist der Junge, der seinen grauen Kapuzenpullover tief ins Gesicht trägt, kaum wiederzuerkennen. Michael lacht, er macht begeistert mit - beim Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskursus für die Münze-Kinder. Trainerin Mary Arnold, das kann man sagen, hat es von Anfang an verstanden, die Jugendlichen auf eine direkte und empathische Art und Weise anzusprechen.
Bei der Selbstbehauptung und Verteidigung kommt es auch auf die Mimik und Gestik an. Das demonstrierte Mary Arnold den Jugendlichen sehr gutJulia Lörcks/Caritasverband Kleve e.V.
Der Gewaltpräventionskursus ist ein Baustein des Kinderrechte-Programms, das die teilstationäre und stationäre Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfeeinrichtung "Die Münze" seit nunmehr zwei Jahren durchläuft. "Kinderrechte gelten nicht nur am Internationen Tag der Kinderrechte, der jährlich am 20. November gefeiert wird. Sie gelten an allen Tagen. Um unseren Bewohnern und Bewohnerinnen das zu vermitteln, haben wir uns nach dem Kunstprojekt im Jahr 2023 diesmal für eine aktive Auseinandersetzung mit dem Recht auf Schutz vor Gewalt entschieden", sagt auch Annette Groenewald, pädagogische Leitung. Genauer gesagt hat das Team der Münze drei Kurse bei der Kranenburger Schule für Selbstverteidigung, Fitness und Personal Training "The Crane" gebucht.
Nicht in eine Opferrolle fallen
Trainerin Mary zeigt Bewohner Michael* die richtige Haltung.Julia Lörcks/Caritasverband Kleve e.V.
Den Start der Kursreihe für die Münze machten zwölf Bewohner:innen von 14 bis 18 Jahren. Die jüngeren Altersgruppen folgen in den nächsten beiden Wochen. "Ich zeige den Kindern und Jugendlichen, wie sie sich primär behaupten und sekundär verteidigen können. Dabei spielen auch die Mimik und die Gestik eine zentrale Rolle", erklärt Mary Arnold und ergänzt: "Wichtig ist, dass sie nicht in eine Opferrolle fallen."
Von "Opfer" kann an diesem Tag keine Rede sein. Im Gegenteil. "Die Jugendlichen haben den Kursus mit Begeisterung angenommen", wie Wohngruppenleiter Tobias Möllenbeck berichtet. Zusammen mit seiner Kollegin Sonja Graven, die als Sozialpädagogin ebenfalls in einer Wohngruppe der Münze arbeitet, hat er die Jugendlichen an diesem Tag begleitet. Auch Arak* sagt: "Es ist beeindruckend zu sehen, was und wie viel man durch seine Haltung erreichen kann. Ich weiß nun, dass es nicht nur darauf ankommt, laut zu sein, sondern auch klar und bestimmt zu wirken. Vor allem in den ersten Sekunden. Das gibt mir ein sicheres Gefühl."
Fertigkeiten, die die Kinder und Jugendlichen - da sind sich alle Beteiligten sicher - nicht nur in Gefahrensituationen, sondern auch im täglichen Miteinander gut gebrauchen können. "Selbstbehauptung beginnt im Inneren, aber sie muss auch nach außen transportiert werden", sagt Mary Arnold.
Münze-Mitarbeiterin Sonja Graven übt mit einer Bewohnerin den Airbag.Julia Lörcks/Caritasverband Kleve e.V.
Info - Projekt "Kinderrechte" bei der Münze
Vor zwei Jahren startete das Projekt "Kinderrechte" in der Münze. Neben dem jährlichen Aktionstag rund um den 20. November veranstalten die Verantwortlichen eine weitere Aktion zum jeweiligen Münze-Kinderrecht des Jahres. 2023 war das die Kunstaktion zum "Recht auf ein sicheres Zuhause", 2024 der Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskursus zum "Recht auf Schutz vor Gewalt". Das Kinderrecht, das 2025 im Mittelpunkt der Münze stehen wird, wählen die Kinder und Jugendlichen im November. Neben den Aktionen hat die Münze die Broschüre "Meine - deine - unsere Rechte" für alle Bewohner:innen erstellt. Seit Frühjahr 2024 gibt es zudem ein Kinderparlament.
*Anmerkung der Redaktion: Die Kinder und Jugendlichen, die in den Wohngruppen der Münze leben, haben in ihrer Vergangenheit häufig herausfordernde oder gar überfordernde Erfahrungen gemacht. Das ist ein schweres Stück Gepäck, das sie mit sich tragen. Um ihre individuellen Rechte und ihren persönlichen Schutz zu wahren, haben wir alle Namen geändert und fotografieren sie auch nur von hinten.